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30.06.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-12 vom 30. Juni 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Schluckbeschwerden / Warum Heiner Geißler die Siegessäule stört, warum Fußball Krieg sein muss, und was Johannes Ponader total unfrei macht

Alte Männer seien gefährlich, weil sie nichts mehr zu verlieren hätten, heißt es. Stimmt das? Also Heiner Geißler ist schon 82 Jahre alt und verliert andauernd irgendwelchen Blödsinn, den wir uns dann alle anhören müssen. Die verbalen Auswürfe des schwarz-marxistischen Greises ergießen sich über die genervten Deutschen alle paar Wochen in den berüchtigten Talkshows. Nun hat er sich über der Siegessäule entleert.

Das Monument in der Mitte Berlins sei „dumm“ und offenbare eine Gedankenlosigkeit, die Heiner Geißler „bemerkenswert“ findet. Die Säule erinnere nämlich an „blutrünstige Szenen“, und das passe nicht mehr in unsere Zeit. Geißlers Schluss, den er hinterher ironisch gemeint haben will: sprengen!

Ganz gemeine Zeitgenossen stellten im Internet daraufhin die Frage, ob Heiner Geißler eigentlich noch „in unsere Zeit passe“, und wenn nicht, was dann mit ihm zu geschehen habe.

Aber solch frivolen Gedanken wollen wir hier gar nicht erst nachgehen. Uns interessiert vielmehr, ob Geißler seine „Ironie“ nicht vielleicht auch ein paar Meter weiter verströmen möchte, am sowjetischen Siegesmal an der Straße des 17. Juni? Aber das ist natürlich eine rein hypothetische Frage, denn das würde er nie machen. Er ist einer jener zivilcouragierten Querdenker, die in ihrem Mut zur Provokation vor keiner Papst-Kritik zurückschrecken, bei Repräsentanten und Symbolen des Islam aber ganz leise und respektvoll werden. Wegen der religiösen Gefühle und so. Kurz: Die nur denen auf die Füße treten, von denen sie nichts wirklich Hässliches befürchten müssen.

Die Russen würden dem Geißler was husten! Aber wen sollte er wegen der Siegessäule fürchten? Den neuen deutschen Patriotismus? Kaum, denn der ist bekanntermaßen auf Fußball beschränkt und harmlos. Oder etwa nicht? Wer weiß: Laut einer Forsa-Umfrage von 2009 sind 83 Prozent der Deutschen ein bisschen oder gar sehr stolz auf ihr Land. Bei den Jugendlichen sind es sogar fast 90 Prozent. Das ist laut Forsa viel mehr als früher. Für einen wie Geißler ist das ein Alarmsignal. Und längst nicht das einzige, denn, so hören wir es dieser Tage wieder düster raunen, Fußball ist nichts Geringeres als Ersatzkrieg. Das macht frösteln: Du liebe Güte! Krieg!

Man könnte es allerdings auch ganz anders betrachten: Freunde, warum sind wir darauf nicht schon vor hundert Jahren gekommen? Statt uns millionenfach gegenseitig hinzumetzeln schicken wir zum nationalen Kräftemessen einfach 22 Männer auf einen Rasen und lassen die das ausfechten. Nicht mit Waffen, sondern mit einem Ball. Und nicht mal von denen muss einer sterben.

Ist es nicht genau das, was wir zivilisatorischen Fortschritt nennen? Sachen, die früher blutig und schrecklich waren, werden „ritualisiert“ und damit in eine angenehme Form gebracht. Schließlich liegt der Ursprung allen Sports in der Wehrertüchtigung. Da ist es doch schlüssig, dass wir unsere Völkerschlachten heute im Stadion nachstellen.

Die martialische Grundierung der scheinbar harmlosen Länderwettkämpfe aber bleibt; das muss sein, sonst machen sie keinen Spaß. Daher pfeifen wir auf die immer gleichen Besserwisser, die uns einreden, das sei doch „nur ein Spiel“. So ein Quatsch, da wird nicht „gespielt“, da geht’s um (fast) alles! Schlimmer noch sind diese Miesepeter, die uns aberziehen wollen, dass wir sagen, „wir“ hätten gewonnen, wenn doch nur unsere Mannschaft siegreich gewesen sei. Natürlich haben „wir“ gewonnen, wenn die deutsche Elf triumphiert. Schließlich sind das die Nationalspieler und wir die Nation. Ende, aus. Und nun Klappe zu, ihr grauen „Weltbürger“! Du auch, Heiner.

In Wahrheit müssen wir denen das gar nicht erklären, die wissen das alles ebenso. Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer: Ein Satz wie „Deutschland hat gesiegt“ geht den Geißlern dieses Landes runter wie dem Hund der Hühnerknochen. Sie erleiden Schluckbeschwerden bis an den Rand des Erstickungstodes. Und wenn sie dann noch die jubelnden Massen fahnenschwenkend durch die Straßen ziehen sehen, werden sie schon mal von finsteren Zerstörungsphantasien heimgesucht: weg mit der Siegessäule.

Manche stören sich indes nicht bloß am nationalen Hintergrund von Länderspielen, ihnen schmeckt der ganze Wettkampfgedanke nicht. Ist das nicht die Verherrlichung unserer kalten Wettbewerbsgesellschaft, wo jeder gegen jeden bolzt? Johannes Ponader findet das alles grässlich und möchte in einer Welt wohnen, in der alle in Frieden und Eintracht mit sich und ihren Mitmenschen leben. Vor allem mit sich, weshalb der „politische Geschäftsführer“ der Piratenpartei keine Lust hat, eine Arbeit zu übernehmen, die ihm keinen Spaß macht: „Ich ertrage es nicht, in Arbeitssituationen zu sein, die für mich nicht stimmig sind, aber so ist fast jedes Angestelltenverhältnis“, sagte er dem „Spiegel“.

Der 35-Jährige ist daher gezwungen, von Sozialleistungen zu leben, die man landläufig als „Hartz IV“ bezeichnet. Das Wort mag Ponader aber nicht hören, da der Begriff „Hartz IV“ stigmatisierend sei. Ob er ein schlechtes Gewissen hat, weil sich andere Leute in ihren „nicht stimmigen Angestelltenverhältnissen“ abrackern, um das Geld für seinen Lebensunterhalt zu erarbeiten?

Nicht doch: Der gesellschaftliche Schaden durch Steuerhinterziehung sei viel größer als der durch den Missbrauch von Sozialleistungen, so Ponader. Eine probate Rechtfertigung. So argumentierten schon die echten Piraten: Der Pfeffersack, den wir plündern, der ist in Wirklichkeit ein viel größerer Gauner als wir.

Nun jedoch gibt es Ärger, üble Missgunst grassiert: Für seine Fernsehauftritte bekommt Ponader Honorare, für sein Erscheinen bei Markus Lanz beispielsweise 500 Euro. Hartz IV soll aber nur das Existenzminimum abdecken und keinen Deut mehr. Daher gilt: Wer etwas dazu verdient, muss das angeben und bekommt es angerechnet. Außerdem fordert die Arbeitsagentur, dass der Hartz-IV-Empfänger fleißig nach Arbeit sucht, damit er eines Tages wieder von eigenem Geld leben kann statt von den Früchten der Arbeit anderer.

Für die Arbeitsuche hat Po­nader aber leider gar keine Zeit, weil ihn sein ehrenamtliches Engagement für die Partei ganz und gar in Beschlag nimmt. Und das mit den Honoraren findet er auch ungerecht. Gegenüber dem Hamburger Magazin seufzt er, diese ganze Bürokratie mache total unfrei.

Ist er etwa ein Schmarotzer? Dagegen weiß er sich zu wehren, denn Ponader wäre kein Politiker, wenn er seine Art der Lebensfinanzierung nicht als ganz großes Programm verkaufen könnte. Seine wichtigste Forderung für ein glücklicheres Deutschland ist daher das „bedingungslose Grundeinkommen“ für alle.

Wie er das finanzieren will, verrät er nicht. Ebenso im Dunkeln bleibt, was der Pirat zu unternehmen gedenkt, wenn keiner mehr Straßenkehrer, Müllmann oder Klofrau werden will, weil die Menschen diese Berufe irgendwie „nicht stimmig für sich“ finden? Zumal ja das bedingungslose Grundeinkommen vor dem Zwang zu ungeliebter Tätigkeit schützt.

Also machen wir uns nichts vor: Der Mann mit dem Einser-Abitur weiß ganz genau, dass sein Programm nur eine Ausrede ist fürs Leben auf fremde Rechnung. Er will bei anderen abgreifen, ohne dafür ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Diese Haltung ist kein Einzelfall, manchmal befällt sie ganze Länder. Am Ende kreist das halbe Volk nur noch um den Gedanken, wie man bei den anderen möglichst viel einsacken kann, ohne dafür etwas leisten zu müssen. Wenn die Geplünderten dann nach Jahren die Frage stellen, wie lange diese bodenlose Nassauerei eigentlich noch weitergehen soll, reagieren die Griechen genauso sauer auf die bösen Deutschen wie Johannes Ponader auf die pingelige Arbeitsagentur.


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