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07.07.12 / Gutes Geschäft mit Transplantationen / Kritiker fürchten, Organe könnten nur aus finanziellen Gründen entnommen werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Gutes Geschäft mit Transplantationen
Kritiker fürchten, Organe könnten nur aus finanziellen Gründen entnommen werden

Die Zahl der gespendeten Organe müsse dringend erhöht werden, fordern Ärzte und Politiker glei­chermaßen. Was im Interesse der notleidenden Kranken logisch und erstrebenswert erscheint, wird für die beteiligten Kliniken und Organisationen zu einem großen Geschäft. Kritiker befürchten, dass hier falsche Anreize gesetzt werden

Nach der am 25. Mai beschlossenen Novelle des Transplantationsgesetzes (TPG) sollen die Deutschen von ihrer Krankenkasse alle fünf Jahre befragt werden, ob sie zu einer „postmortalen Organentnahme“ bereit seien. Hinter dieser Formel verbergen sich jedoch einige Ungereimtheiten, wie erst jetzt bekannt wurde. Zum einen ist nach wie vor unklar, was eigentlich „postmortal“ heißen soll. So hat die Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB) aus Lahnstein Bundespräsident Joachim Gauck kürzlich gebeten, das Transplantationsgesetz nicht zu unterschreiben, weil es auf einer „Täuschung“ beruhe. Es sei unklar, was mit der „Entnahme von Organen bei verstorbenen Spendern“ gemeint sei. Vielmehr handele es sich um „Sterbende“, die durch die Organentnahme „getötet“ würden. Die GGB beruft sich dabei auf Studien der Harvard-Medical-School (1968) sowie einer neurologischen (2008) und bioethischen Kommission (2010) in den USA, die alle­samt feststellten, dass der Hirntod eines Menschen nicht mit dessen tatsächlichem Tod gleichgesetzt werden dürfe.

Eine zweite, bisher verschwiegene Problematik ist die finanzielle Handhabung bei der Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen. Spender beziehungsweise deren Angehörige erhalten, da Organhandel hierzulande verboten ist, keinerlei Vergütung für die bereitgestellten Organe. Hier wird gemeinhin an die wohltätige Gesinnung im Interesse der kranken Empfänger appelliert. Doch die beteiligten Krankenhäuser und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) erhalten teilweise Millionenbeträge für die durchgeführten Operationen, wie Recherchen der „Tagespost“ ergaben. Danach trifft die DSO mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen, der Bundesärztekammer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft jedes Jahr eine Vereinbarung über den „Aufwendungsersatz nach Paragraf 8 Absatz 1 des Vertrags nach Paragraf 11 Absatz 1 Transplantationsgesetz“. Für dieses Jahr wird dort von 4100 transplantierten Organen ausgegangen. Die „Organisationspauschale“ für die „Bereitstellung eines postmortal gespendeten Organs“ beträgt demnach 8043 Euro. Hochgerechnet auf das Jahr erhält die DSO also rund 33 Millionen Euro. Damit soll diese private Stiftung alle Kosten mit „Ausnahme der Aufwands­erstattungen für Spender­krankenhäuser und die Flug­trans­portkosten“ abdecken. Die Spenderkrankenhäuser erhalten von den Krankenkassen (über den Umweg der DSO) für eine „Einorganentnahme“ 2907 Euro und für eine Entnahme mehrerer Organe 3879 Euro. Lehnen die Angehörigen eine Entnahme der Organe ab, so bekommen die Krankenhäuser während der Intensivstationsphase eines Sterbenden nur 259 Euro. Muss eine genehmigte Organentnahme im Operationssaal aus medizinischen Gründen abgebrochen werden, erhalten die Krankenhäuser den vollen Satz von 2907 Euro und damit genausoviel, wie wenn ein Organ erfolgreich entnommen worden wäre.

Bei der derzeit relativ geringen Zahl von jährlich 4100 Transplantationen summieren sich die Beträge auf hochgerechnet 38 Millionen Euro jährlich, die DSO und Krankenhäuser zusammen erhalten. Da der Bedarf an Spenderorganen hoch ist und die Krankenkassen in Zukunft intensiv um Spenderorgane werben, dürfte sich die Zahl der Transplantationen schnell vergrößern. Wenn einmal 20000 oder 30000 Organentnahmen jährlich vorgenommen werden, vergrößert sich der Umsatz für die DSO, Kliniken und Ärzte auf einige hundert Millionen Euro.

Schon jetzt weisen Kritiker auf die hohe Zahl der medizinisch nicht indizierten Kaiserschnitte bei Geburten hin, bei denen die Kliniken rund das doppelte Honorar einer natürlichen Geburt kassieren dürfen. Auch bei der stark steigenden Zahl der Entnahmen von Gallenblasen oder der Einsetzung von künstlichen Hüftgelenken würden finanzielle Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, die nur dem Ziel dienen würden, den Umsatz der Kliniken zu erhöhen. Diese Argumente, die naturgemäß von den betroffenen Verbänden, Krankenhäusern und Ärzte­organisationen zurück­gewiesen werden, entbehren nicht einer gewissen Logik. Welcher junge Arzt, den zudem das interessante und hochspezialisierte Feld der Organtransplantationen reizt, gibt nicht dem Druck von kommerziellen Klinikbetreibern nach, die mit dem Wegfall der eigenen Stelle drohen, sollten nicht mehr Organentnahmen vorgenommen werden?

Die GGB kritisiert in diesem Zusammenhang in ihrem Schreiben an den Bundespräsidenten, dass potenzielle Spender bereits in den „Entnahmekrankenhäusern identifiziert“ und an die DSO gemeldet werden sollen. Damit würden sowohl die ärztliche Schweigepflicht als auch der Datenschutz „ad absurdum“ geführt. Fragwürdig sei auch, die gesamte Organisation der Organspenden einer privaten Stiftung zu übertragen. Hinrich E. Bues


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