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07.07.12 / Schäuble setzt auf »Prinzip Hoffnung« / Bundesfinanzminister zeigt keinen Willen zum Sparen – Bonität Deutschlands heruntergestuft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Schäuble setzt auf »Prinzip Hoffnung«
Bundesfinanzminister zeigt keinen Willen zum Sparen – Bonität Deutschlands heruntergestuft

„Wie kommt man auch als kleine Ratingagentur in die Nachrichten, wenn man nicht irgendwas macht, das vom Mainstream deutlich abweicht?” Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) scheint die erfolgte Herunterstufung der deutschen Bonität durch die Rating-Agentur Egan Jones mit diesem abwertenden Spruch abgetan zu sein. Es hätte Schäuble allerdings gut angestanden, einen genaueren Blick auf die bisherige Arbeit dieser Agentur zu werfen.

Im Gegensatz zu den „Großen Drei“ – Standard & Poors, Moodys und Fitch – haben sich die Urteile von Egan Jones bisher als sehr treffsicher herausgestellt. Tatsächlich wachsen auch bei anderen Zweifel an der deutschen Bonität. Die Allianz-Tochter Pimco als weltgrößter Käufer von Staatsanleihen hat inzwischen angekündigt, Bundesanleihen im eigenen Bestand künftig deutlich unterzugewichten. Die Zweifel sind nicht unbegründet. Deutschland lädt sich immer mehr Lasten zur Rettung des „Projekts Euro“ auf, während es selbst auf einem gewaltigen Schuldenberg sitzt. Die Zwei-Billionen-Euro-Marke bei der Staatsverschuldung wurde inzwischen überschritten. Exakt 2,042 Billionen Euro hatten Bund, Länder und Kommunen im März 2012 an Schulden angehäuft – Verbindlichkeiten kommunaler Zweckverbände und der Sozialversicherungen nicht einmal mitgerechnet.

Geht es nach Finanzminister Schäuble, dann soll allerdings bereits im Jahr 2016 ein ausgeglichener Etat vorliegen, sogar erste Überschüsse sollen dann erzielt werden. Sollte das Vorhaben tatsächlich gelingen, dann käme das einer Revolution gleich. Zum letzten Mal wurde 1969 im Bundeshaushalt mehr eingenommen als ausgegeben. Einiges spricht dafür, dass zumindest diese Art von Revolution ausbleiben wird. Bereits im Jahr 2010 hatte Schäuble ein Sparpaket angekündigt, bei dem Defizite im Bundeshaushalt um bis zu 26,6 Milliarden Euro pro Jahr reduziert werden sollten. Die Umsetzung des Vorhabens ist inzwischen im Sande verlaufen. Die angekündigten Einsparungen durch den Umbau der Bundeswehr haben sich als Illusion erwiesen. Eingeplante Einnahmen aus der Finanztransaktionsteuer oder der Besteuerung von Kernbrennstäben sind ausgeblieben. Ähnliches droht bei dem von Schäuble für 2016 angekündigten ausgeglichen Haushalt.

Dreh- und Angelpunkt von Schäubles Konzept ist, dass die Steuereinnahmen so weiter sprudeln wie derzeit. Tatsächlich deutet allerdings immer mehr auf eine weitere Abkühlung der Weltwirtschaft und damit auf zurück­gehende deutsche Steuereinnahmen hin. Weitere Belastungen sind bereits absehbar: Der am 29. Juni im Bundestag verabschiedete Fiskalpakt verursacht zunächst einmal Kosten statt Einsparungen: Die Zustimmung der Opposition zum Fiskalpakt wurde mit mindestens 1,2 Milliarden Euro jährlich erkauft, die für Ausgleichmaßnahmen an die Bundesländer fließen sollen. Diese Kosten waren bisher nicht eingeplant. Gleiches gilt für die erkaufte französische Zustimmung zum Fiskalpakt. Die von Staatspräsident Francois Hollande geforderten „Wachstumsimpulse“ sind zum großen Teil zwar Luftbuchungen, bei denen Gelder aus bereits bestehenden Töpfen einfach umdeklariert werden, zum Teil wird aber auch tatsächlich frisches Geld fließen: Noch im laufenden Jahr soll so bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) eine Kapitalerhöhung um zehn Milliarden Euro stattfinden. Schäuble wird erneut mit etwa 1,6 Milliarden Euro dabei sein. Die ebenfalls am 29. Juni erfolgte Zustimmung des Bundestages zum Euro-Rettungsfonds ESM macht gleich die nächste Überweisung durch den „letzten überzeugten Europäer in der deutschen Regierung“, so die Charakterisierung Schäubles durch den US-Investor George Soros, fällig. Noch im laufenden Jahr sollen 8,7 Milliarden Euro an den ESM fließen – wiederum auf Kredit. Gregor Gysi (Linkspartei) hat vor der Verabschiedung des Fiskalpakts im Bundestag auf eine Gefahr aufmerksam gemacht, die bisher kaum beachtet wird. Deutschland verpflichtet sich nicht nur dazu, künftig einen nahezu ausgeglichenen Haushalt zu haben, sondern auch dazu, Schulden abzubauen. In der Realität sieht das nach Gysi dann so aus: Gemäß den Vorgaben des Vertrages soll Deutschland ab Januar 2013 jährlich 25 Milliarden Euro Schulden abbauen – 20 Jahre lang, insgesamt 500 Milliarden Euro.

Zu Recht stellt Gysi die Frage, wo die Einsparungen konkret erfolgen sollen. Falls keine Kürzungspläne bereits in der Schublade liegen, die angesichts der aktuellen deutschen Milliardenüberweisungen zur Euro-Rettung und dem Wahlkampf im kommenden Jahr zunächst unter Verschluss gehalten werden, scheint bei Schäuble auch diesmal wieder das Prinzip Hoffnung zu herrschen. Tatsächlich könnte sich der Fis­kalpakt, der eigentlich dazu gedacht war, die dauerhaften Defizitsünder in Südeuropa zu disziplinieren, für Deutschland zu einer selbstgestellten Falle entwickeln. Die Entscheidungsmacht darüber, wann Abweichungen von den Sparvorgaben zulässig sind, oder wann Strafzahlungen an die EU bei Verstößen fällig werden, tritt Deutschland mit dem Fiskalpakt an Brüssel ab. Der EU-Gipfel am 29. Juni, der mit einer unverhohlenen Erpressung Merkels durch den italienischen Regierungschef Mario Monti endete, dürfte dann nur ein Vorgeschmack auf künftige Verhandlungsrunden in Brüssel gewesen sein. Das Ausgangsmaterial für weitere Erpressungen liefert Deutschland mit dem Fiskal­pakt selbst frei Haus. Norman Hanert


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