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07.07.12 / »Unsri Sproch ist unser Schatz« / Frankreich: Jüngere Elsässer bekennen sich medienwirksam zu ihrem Heimatidiom

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

»Unsri Sproch ist unser Schatz«
Frankreich: Jüngere Elsässer bekennen sich medienwirksam zu ihrem Heimatidiom

Als vor einigen Wochen die junge Elsässerin Delphine Wespiser aus Niedermagstatt [Màschgetz, Magstatt-le-Bas] im Sundgau zur „Miss France 2012“ gewählt wurde, war die Überraschung groß, als sich diese hübsche Frau nicht scheute, sich durch Verwendung ihrer elsässischen Muttersprache im französischen Fernsehen zu ihrer Heimat zu bekennen. Bislang hing den Verfechtern der zweisprachigen Kultur im Elsass das Image an, rückständig, veraltet und provinziell zu sein.

Elsässerdeutsch ist in den letzten Jahrzehnten vor allem unter der Jugend zurückgegangen. Nur noch etwa ein Drittel der 1,8 Millionen Einwohner des Gebietes zwischen Rhein und Vogesen beherrschen aktiv ihren Dialekt, ein weiteres Drittel versteht ihn zumindest noch. 1946 dagegen bezeichneten sich noch 90,8 Prozent der Elsässer als Dialektsprecher.

Nach dem Ersten Weltkrieg betrieb Frankreich eine sprachliche und kulturelle Assimilationspolitik ohne jede Rücksicht auf elsässische Eigenheiten. Französisch wurde als offizielle und einzig erlaubte Sprache einer zu 90 Prozent dialektsprachigen Bevölkerung aufgezwungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutsch als „Sprache des Erbfeindes“ vollständig von den Schulen verbannt. Erst 1972 wurde Deutsch als „Fremdsprache“ vereinzelt wieder an den Schulen eingeführt. Gleichzeitig wurde der Bevölkerung eingeredet, dass es „chic“ sei, Französisch zu sprechen. Elsässisch wurde als Bauern-Dialekt ohne Zukunft hingestellt.

Erst in den 1970er Jahren wurde den Elsässern bewusst, dass sie mit der eigenen Sprache auch ihre kulturelle und regionale Identität verlieren würden. Es bildeten sich die ersten Vereinigungen zur Pflege des Elsässischen. Viele Künstler begannen, auf Elsässisch zu schreiben und zu singen, viele Theater öffneten ihre Tore für Elsässisch und Moselfränkisch.

Erst 46 Jahre nach Kriegsende, im Jahre 1991, ließ der französische Staat in den Privatschulen des Eltern-Vereins ABCM eine zweisprachige Vorschulerziehung zu. In den folgenden zwei Jahrzehnten konnte der Verein zehn Schulen mit bilingualem Unterricht auf Deutsch und Französisch eröffnen. Derzeit gibt es im Elsass 23000 Schüler, die zweisprachige Klassen besuchen, in denen auf der Basis der Sprachenparität zu gleichen Anteilen auf Deutsch und Französisch unterrichtet wird. Angesichts der 40 Prozent beziehungsweise 50 Prozent der Schüler, die auf Korsika beziehungsweise im französischen Teil des Baskenlandes in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, sind die Bemühungen der französischen Schulbehörden im Elsass, wo die Regionalsprache noch wesentlich lebendiger ist als im Baskenland oder auf Korsika, eher bescheiden. Allein der nicht nachlassende Druck der Eltern auf die staatlichen Institutionen hat die französische Schulpolitik im Elsass verändert. Die elsässischen Lokalpolitiker waren dazu nicht in der Lage.

Frankreich ist neben Italien und Russland das einzige Mitglied des Europarates, das die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ von 1992 noch immer nicht ratifiziert hat. Obwohl die Sprachenfrage im Elsass in den letzten Jahren entideologisiert worden ist und ein breiter Konsens für den Erhalt des Dialekts wie auch für intensiven Deutschunterricht besteht, haben es die elsässischen Politiker, anders als ihre Kollegen aus Korsika, dem Baskenland und der Bretagne, kaum verstanden, einen entsprechenden Druck in Paris aufzubauen.

Die Elsässer galten in ihrem Wahlverhalten immer als sehr staatskonform. Man wählte die Partei, die in Paris an der Macht war, bis in den 1990er Jahren das Elsass eine Bastion der Front National (FN) wurde. Im Gefolge der Erfolge des FN entstanden im Elsass ab 1990 auch wieder Regional-Parteien. So wurde „Alsace d‘Abord“ (Elsass zuerst) gegründet, am linken Rand entstand die linksautonomistische Partei „Unser Land“, die sich außer für Autonomie auch für Zweisprachigkeit einsetzt. Sie hatte bei den Generalratswahlen 2011 ihren bislang größten Erfolg. In Sarre-Union, am äußersten nordwestlichen Rand des Elsass, sorgte ihr Kandidat David Heckel mit seinem Wahlsieg für eine kleine Sensation. Er errang einen der insgesamt 44 Sitze im Generalrat des Unterelsass. Die Partei „Unser Land“ trat auch zu den französischen Parlamentswahlen in diesem Jahr an und erreichte im Wahlbezirk Zabern mit ihrem Kandidaten Denis Lieb auf Anhieb zehn Prozent der Stimmen. Lieb hat in ganz Frankreich einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt, weil er seit 2008 aus Protest gegen eine Gesetzesänderung über die Regionalsprache im französischen Senat als Regionalrat nur noch Elsässisch spricht. Lieb und Heckel führten auch den Protestzug an, der am 31. März unter dem Motto „Unsri Sproch ist unser Schatz“ mit fast 1000 Menschen in Straßburg für die Verteidigung des elsässischen Dialekts demonstrierte. An diesem Tag hatten in ganz Frankreich, unter anderem auch in Metz, Vertreter der Regionalsprachen für die Ratifizierung der Europäischen „Charta der Minderheitensprachen“ durch das französische Parlament demonstriert. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen hatte man die Kandidaten nach ihrer Meinung zu dieser Charta gefragt. Fünf Kandidaten waren gegen eine Ratifizierung, unter anderem Nicolas Sarkozy (UMP) und Ma­rine le Pen (FN). Vier Kandidaten sprachen sich für die Ratifizierung aus: hier auch Fran­çois Hollande, der neue Präsident Frankreichs. Jetzt darf man gespannt sein, ob der Sozialist zu seinem Wahlversprechen steht und die Europäische Charta zur Anerkennung der Regionalsprachen ratifiziert.

Am selben Tag, als in Straßburg 1000 Menschen für die Anerkennung des Elsässischen als Regionalsprache demonstrierten, erschien die letzte deutschsprachige Ausgabe der größten elsässischen Zeitung „Dernières Nouvelles d’Alsace“. Die deutschsprachige Ausgabe der 1877 von Heinrich Ludwig Kayser als „Strassburger Neueste Nachrichten“ gegründeten Zeitung hatte am Ende nur noch 7500 deutschsprachige Abonnenten und war deshalb unrentabel. Nun gibt es sie nur noch im Internet. Bodo Bost


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