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07.07.12 / Mursi ein schwacher Sieger / Der Machtkampf in Ägypten geht auf allen Ebenen weiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Mursi ein schwacher Sieger
Der Machtkampf in Ägypten geht auf allen Ebenen weiter

Dass nach der Stichwahl um Ägyptens Präsidentschaft die Bekanntgabe des Ergebnisses mehrmals verschoben wurde, hatte Spekulationen aller Art beflügelt. Als dann der Kandidat der Muslim-Bruderschaft, Mohammed Mursi, zum knappen Sieger vor dem Ex-General Ahmed Schafik erklärt wurde, tauchten aber neue Gerüchte auf: In Wahrheit habe Schafik vorn gelegen, doch die USA hätten zugunsten Mursis Druck auf die Militärjunta ausgeübt. Das klingt zunächst absurd, könnte allerdings gar nicht so weit hergeholt sein. Denn im April hatte die „Washington Times“ tatsächlich über Kontakte des Weißen Hauses mit führenden Muslim-Brüdern berichtet. Dass die Attacken der Bruderschaft auf die Junta schlagartig aufhörten, deutet auf Absprachen mit der Junta hin, die ja die Befugnisse Mursis „präventiv“ gleich nach der Wahl stark beschnitten hatte.

Die erste kritische Frage voller Symbolkraft war, wo Mursi den Amtseid ablegen würde. Im Parlament ging es nicht, denn das ist aufgelöst. Vor dem Parlamentsgebäude, quasi als Protest, wurde es untersagt. Also fanden Vereidigung und formelle „Machtübergabe“ dann doch vor den Verfassungsrichtern statt. Aber der „Präsident für alle Ägypter“, wie er sich selbst bezeichnet, ist eben ein Muslim-Bruder und konnte es nicht lassen: Er zelebrierte schon tags zuvor am Tahrir-Platz seine Eidesleistung „vor Allah und dem Volk“, sprich, vor seinen Anhängern.

Mursi überschlug sich bisher geradezu in positiven Äußerungen, so als hätte er das während seines mehrjährigen Studiums in den USA Fernsehpredigern abgeschaut. Aber wenn man alles positiv darstellt und mit Ausdrücken wie nationale Einheit, Freiheit, Demokratie, Brüderlichkeit und Frieden um sich wirft, kommt es zwangsläufig zu Widersprüchen, „Mißverständnissen“ und Dementis. Beispiel Iran: Hat er nun oder hat er sich nicht für eine Verbesserung der Beziehungen ausgesprochen? Im Wahlkampf hatte dieses übrigens auch Schafik getan, ohne dass sich jemand aufgeregt hätte. Vor allem versucht Mursi, Volksnähe zu demonstrieren. Bei seinem Tahrir-Auftritt etwa durchbrach er den Sicherheitskordon und zeigte der Menge, dass er keine Sicherheitsweste unter dem Anzug trug. Und bei Fahrten im Auto sollen auch nicht wie bisher die Straßen für den Präsidenten-Konvoi abgeriegelt sein. „Ich fürchte niemanden außer Allah“ ist eine übliche muslimische Redewendung. Nun mag Mursi ein ehrenwerter Mann sein. Aber er ist nur der Ersatzmann für den von der Wahl ausgeschlossenen Kheirat Al-Shater, unter dessen Ägide er sich in der Bruderschaft hochgedient hatte. Er steht unter dem Druck der Islamisten und will zugleich die Sekulären in seine Regierung aufnehmen. Mursi verspricht die „Rückkehr zu den gewählten Institutionen“ und muss prompt zurückrudern und der Junta überschwänglich für alles danken – was wieder andere vor den Kopf stößt.

Ein aufreibender Kleinkrieg um Positionen steht also bevor. Mursi sieht wohl den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan als Vorbild, der es in der Türkei schrittweise schafft, die Generäle – und damit auch die sekulären Kräfte auszubooten. Aber Erdogan kann wenigstens mit Wirtschaftserfolgen punkten, während in Ägypten solche nicht absehbar sind. Auch wenn das Wahlergebnis kurioserweise die Kairoer Börsenkurse steigen ließ. R. G. Kerschhofer


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