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07.07.12 / Oligarchie statt Kibbuz / Israels Wirtschaft wird von wenigen Familien beherrscht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Oligarchie statt Kibbuz
Israels Wirtschaft wird von wenigen Familien beherrscht

Hunderttausende Israels sind innerhalb der letzten Wochen wegen hoher Lebenshaltungskosten auf die Straßen gegangen. Die Proteste der israelischen Mittelschicht haben den Blick auf einen tiefgreifenden Wandel in der israelischen Gesellschaft gelenkt. Lange Zeit gab es innerhalb des Zionismus eine starke Strömung, die soziale Gleichheit propagiert hat und die in den Anfangsjahren Israels prägend war. Eine Abkehr davon leiteten die großen Privatisierungen ein, mit denen in den 1980er Jahren begonnen wurde. Statt zu mehr Wettbewerb ist es im Laufe von nur drei Jahrzehnten zu einer enormen wirtschaftlichen Machtzusammenballung gekommen. Nach Meinung des Nationalbankgouverneurs Stanley Fischer ist sie sogar die höchste unter allen Industrieländern.

Bereits im Jahr 2010 hatte die Bank of Israel eine Studie veröffentlicht, nach der lediglich 22 große Unternehmensgruppen die Hälfte des israelischen Finanzmarktes sowie 70 Prozent des Handels und des Dienstleistungsbereichs kontrollieren. Noch deutlicher wurde der Nationalbankgouverneur bei der Vorlage des jüngsten Jahresberichts: Die Oligarchen seien mittlerweile sogar ein Systemrisiko, weil sie Wettbewerb und Wachstum behinderten. Selbst für die OECD ist die Konzentration wirtschaftlicher Macht in Israel mittlerweile ein Thema. „Pyramidenähnliche Strukturen und Firmengeflechte“ in der Wirtschaft ermöglichen es nach Ansicht der OECD, dass eine große Zahl von Unternehmen letztendlich von nur wenigen Personen oder Familien kontrolliert würde. Konkret sind dies lediglich etwa 20 Familien, die große Teile der israelischen Wirtschaft beherrschen, die inzwischen aber auch ihren Einfluss auf die Politik immer weiter ausbauen. „Reichtum kontrolliert immer mehr das Urteilsvermögen der Leute, welche von der Öffentlichkeit gewählt wurden, um die Interessen Israels zu vertreten“, warnte im vergangenen Jahr etwa der Parlamentssprecher Reuben Rivlin in einem Interview. Wie das konkret aussieht, lässt sich anhand der IDB Holding des einflussreichen Nochi Dankner beobachten. Neben Supermärkten, Reisebüros, Israels größter Mobilfunkfirma und der meistgelesenen Zeitung des Landes kontrolliert Dankner auch über 90 Prozent des Zementmarktes. Der Versuch israelischer Importeure, preiswerteren Zement aus der Türkei einzuführen, führte nicht etwa zu sinkenden Preisen, sondern zur unverzüglichen Verhängung eines massiven Importzolls durch den damaligen Handelsminister Ehud Olmert. Die Folge: Der Markt ist durch die Zölle so weitgehend abgeschottet, das sich am Qasi-Monopol Dankners auf dem Zementmarkt nichts geändert hat.

Mittlerweile haben sich allerdings die Zustände in der israelischen Wirtschaft insgesamt so weit zugespitzt, dass sogar Regierungschef Benjamin Netanjahu angekündigt hat, die „Konzentration der Macht“ beschränken zu wollen. Bisher war er eher als vorbehaltlsoser Anhänger von Liberalisierung und Privatisierung bekannt gewesen. Zunächst hatte er die Protestbewegung als „populistische Welle“ abgetan. Erst als er damit selbst im eigenen Lager und bei der israelischen Mittelschicht angeeckt war, ruderte der Premier zurück. Norman Hanert


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