25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.07.12 / Mehr Öl als Verstand / Eingleisige Wirtschaft und Kapitalflucht stürzen Russland in die Krise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Mehr Öl als Verstand
Eingleisige Wirtschaft und Kapitalflucht stürzen Russland in die Krise

Seit Anfang des Monats können die Russen nicht mehr per Kreditkarte US-Dollars oder Euros aus Bankautomaten ziehen. Auch an Bankschaltern sind Valutaauszahlungen häufig rationiert, nachdem die Russen allein im März für 55 Milliarden Rubel Euro kauften. Davor begehrten sie Dollars, von denen sie seit Januar 2011 über 120 Milliarden außer Landes schafften. „Patriotische“ Zeitungen grollen bereits: „Die Leute kaufen die Valuta potenzieller Feinde“.

Russland steht vor einer neuen Krise seiner eingleisigen Wirtschaft, die allein auf Gas und Öl fußt und damit „in hohem Maße von den Weltrohstoffmärkten abhängt“, wie Staatspräsident Wladimir Putin jüngst klagte. Die russische Finanzplanung zielte auf einen Ölpreis von 115 Dollar pro Barrel, aber schon im Mai lag dieser bei 90 Dollar, was in Zusammenwirken mit steigenden Budgetausgaben und sinkendem Vertrauen ausländischer Investoren die russische Angst auslöste. „Die Banken im Westen räumen uns keine Kredite mehr ein“, klagte Ex-Finanzminister Aleksej Kudrin, während sein aktueller Nachfolger Anton Siluanow 500 Milliarden Rubel für „Antikrisenmaßnahmen“ bereitstellte, obwohl nur ein – indes illusorischer – Barrelpreis von 160 US-Dollar hilfreich wäre.

Weitere Mängel nannten Ende Juni beim „Petersburger Wirtschaftsforum“ acht neue Minister ganz offen. Energieminister Aleksandr Nowak berichtete: „Unsere Ölförderung ist um ein Drittel von 500 Millionen Tonnen auf 370 Millionen zurückgegangen“. Wirtschaftsminister Andrej Belousow dagegen beklagte eine monatliche Kapitalflucht von zehn Milliarden Dollar und Bildungsminister Dmitrij Liwanow stellte resigniert fest, Russland habe „in den letzten 20 Jahren jede Konkurrenzfähigkeit in der Wissenschaft verloren“. Härter urteilen Wirtschaftsexperten, allen voran der unabhängige Wladislaw Shukowski: Russlands einseitige Orientierung auf Öl und Gas habe zu einer „Entindustrialisierung“ geführt, die seit 2005 3,9 Millionen Arbeitsplätze gekostet habe. Undenkbar, meint Andrej Illarion, Ex-Berater von Präsident Putin. Russland, so Illarion, stecke in einer umfassenden Rezession, seine aktuelle Krise werde „weniger tief als die letzte sein, aber länger dauern“.

Einig sind sich Experten und Politiker hinsichtlich der verheerenden Rolle der Korruption, deren Schäden nur in Rubel-Billionen zu messen sind und 43 Prozent aller Staatsaufträge belasten. Hinzu kommt die Schwarzarbeit in Höhe von 15 Billionen Rubel oder 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Doch schlimmer geht’s immer. Jurij Magarschak, Pysiker aus St. Petersburg, der seit 1988 in den USA lebt, rügt, dass Russland seine (noch) hohen Öl- und Gasprofite sinnlos an Oligarchen vergeude, somit innerlich und auswärtig destabilisierend wirke und sich den Finanziers des islamischen Terrors annähere. Das hat westliche Industrieländer auf alternative Energien gestoßen, beispielsweise den nunmehr rentablen Ölschiefer. Wird Russland die „Ölschieferrevolution“ verlieren, kann es inserieren: „Biete Öl, suche Verstand!“ Wolf Oschlies


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren