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07.07.12 / Schlossherren verzweifelt gesucht / Vor allem das Land Mecklenburg-Vorpommern wirbt aktiv um Investoren, um so den Verfall der Herrenhäuser aufzuhalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Schlossherren verzweifelt gesucht
Vor allem das Land Mecklenburg-Vorpommern wirbt aktiv um Investoren, um so den Verfall der Herrenhäuser aufzuhalten

Zwar haben im Norden der ehemaligen DDR viele herrschaftliche Bauten den Vernichtungsfeldzug der SED überdauert, doch nun verfallen viele trotzdem. Selbst bereits verkaufte Schlösser werden zu Ruinen, da sich ihre Käufer verschätzt haben und die Region nicht noch weitere Schlosshotels benötigt.

„Wer hat von uns nicht schon einmal davon geträumt, in seinem eigenen Schloss fürstlich zu residieren, als Gutsbesitzer über Ländereien zu verfügen und diese ganz nach seinem Willen zu nutzen. Jetzt haben Sie die Gelegenheit“, warb 2010 der damalige Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern, Jürgen Seidel, in dem Investorenkatalog „Nicht nur ein Traum – sondern die Verwirklichung Ihrer Träume“. Und wenn es heißt „Werden Sie Teil der Geschichte. Verwandeln Sie historische Häuser in Projekte mit Zukunft“ oder „Zahlreiche geschichtsträchtige Schlösser und Gutshäuser … warten darauf, von neuem Leben erfüllt zu werden. Von Ihren Visionen, von Ihren Ideen, von Ihren Plänen, von Ihnen!“, dann kann so mancher an historischer Architektur Interessierte schnell schwach werden. Leider ist dies auch vielen passiert und so stehen so manche nach der „Wende“ verkaufte Schlösser und Gutshäuser bereits wieder zum Verkauf. Denn es ist keineswegs so, dass man als „Gutsbesitzer über Ländereien“ verfügen kann.

Bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges taten die Sowjets in dem von ihnen besetzen deutschen Landesteilen alles, um vorhandene Traditionen zu tilgen. So erließ die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) mehrere Befehle, deren Ziel offiziell die Gewinnung von Baumaterial war. In einem internen Vermerk zu Baubefehl 209, der bis Ende 1948 die Errichtung von 37000 Neubauernhöfen vorsah, heißt es allerdings: „Die Umgestaltung des Dorfgesichtes durch den Baubefehl muss helfen, die alte Tradition und Unterwürfigkeit und die damit verbundene Ideologie des Gehorchens auch von außen her zu zerstören. Darum müssen die Herrenhäuser und Gutshöfe fallen.“ Offenbar war es aber mit dem Gehorchen gar nicht so weit her, denn von vielen Seiten kam Widerspruch. So hieß es unter anderem, die Gewinnung von Baumaterial aus derart alten Gebäuden sei nicht effizient, da das Material bei Entnahme oft zu Staub zerfalle. Aus den Steinen aller Herrenhäuser auf dem Gebiet der SMAD seien höchstens 1614 Neubauernhöfe zu errichten, so eine Berechnung. Zudem sei nicht geklärt, wo die vielen Flüchtlinge und Vertriebenen aus Ostdeutschland, die in den herrschaftlichen Häusern Zuflucht gefunden hätten, bei Abriss untergebracht werden sollten.

Während sich im kleinbäuerlich geprägten Sachsen der Widerstand in Grenzen hielt, verhinderten die Mecklenburger und Vorpommern die Zerstörung ihres Landschaftsbildes relativ erfolgreich. So stehen auch heute noch in dem Bundesland zwischen 1800 und 2100 Gutshäuser und Schlösser. Doch ein großer Teil ist vom Verfall bedroht, daher der Versuch der Politik, Investoren anzulocken.

Nur diese können eben die Gutshäuser nicht mehr im herkömmlichen Sinne als Sitz eines landwirtschaftlichen Betriebes nutzen, da politisch motivierte Kampagnen in der DDR wie „Junkerland in Bauernhand“ und die spätere Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) die Immobilien von der landwirtschaftlichen Fläche getrennt haben. Die Häuser wurden als Waisenhäuser, Schulen, Kinderheime, Krankenhäuser oder anderweitig genutzt, der Grund und Boden ging erst an die Neubauern, später an die LPGs. Und auch nach der „Wende“ bekamen weder die enteigneten Alteigentümer ihr Land zurück noch wurden Gutshäuser und Land wieder zu einer Einheit verschmolzen, sodass für die Erwerber der Herrenhäuser eine landwirtschaftliche Nutzung in den allermeisten Fällen nicht möglich ist.

Und so können die Immobilienmakler Cornelia Stoll, die unter www.schloss-kaufen.com mehrere herrschaftliche Immobilien anbietet, und Manfred Achtenhagen, der unter www.gutsdorf.de nicht nur die Gebäude verkauft, sondern auch bei der Suche nach Konzepten zur Neunutzung berät, von zahlreichen Käufern berichten, die ihre eigenen Möglichkeiten überschätzt und den Sanierungsbedarf unterschätzt haben. So gibt es schon schöne Schlösser für scheinbar wenig Geld. Das optisch ansprechende 1880 erbaute Schloss Wrangelsburg im Landkreis Vorpommern-Greifswald steht derzeit für 120000 Euro zum Verkauf. Die Kosten für die Sanierung dürften allerdings zwischen zwei und drei Millionen Euro betragen, je nach geplanter Nutzung, so Cornelia Stoll.

In den 90er Jahren war die Nutzung als Schlosshotel der Renner. Doch irgendwann gab es in einigen Regionen eine Überversorgung beziehungsweise manche waren auch zu einsam gelegen, sodass die ersten wieder Pleite gingen. Manchen Neu-Eigentümern ging sogar schon gleich nach dem Erwerb das Geld aus, die Sanierung blieb aus, die Gebäude verfielen und die Gemeinden und Denkmalschutzbehörden hatten kaum Zugriffsmöglichkeiten. Zu viele Kommunen hätten sich aber auch von den Erwerbern und ihren Versprechen auf Arbeitsplätze blenden lassen, ohne die Bonität zu prüfen, so Andreas Handy, Leiter der Europäischen Akademie Meck­lenburg-Vorpommern gegenüber der PAZ. Seit 13 Jahren veranstaltet er jährlich eine Seminarreihe zur Erhaltung von Gutsanlagen, zu der immer um die 150 Interessierte kommen.

Peter von Oertzen gehört einer Minderheit von Käufern an, vor der manche ehemalige SED-Kader noch immer Angst haben. Nach der „Wende“ kam er gleich, um sich in Roggow das Herrenhaus anzuschauen, das einst seiner Familie gehörte und wo seine Großeltern nach Drangsalierungen durch die sowjetische Besatzungsmacht Selbst­mord begingen. 1990 stand das Gebäude gerade leer, die zwölf Mietparteien und der „Konsum“-Supermarkt waren ausgezogen, weil hier ein Kindererholungsheim dreier LPGs entstehen sollte. Doch dann kam die „Wende“ – und von Oertzen, der sein Erbe teilweise zurückkaufte. „Die Landwirtschaft nicht, das war politisch auch nicht gewollt. Die Treuhand wollte keines der angebotenen Nutzungskonzepte annehmen“, so der Grundbesitzer gegenüber der PAZ. Nach aufwendiger Renovierung nutzt von Oertzen einen kleinen Teil des Herrenhauses selber, ein Teil beherbergt Ferien-, ein anderer Mietwohnungen, hinzu kommt ein Festsaal. Und so führt von Oertzen nach einem persönlichen Kraftakt eine 800 Jahre alte Tradition fort und verwaltet seinen Familienbesitz wieder. Rebecca Bellano


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