23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.07.12 / Wie Lovis Corinth Friedrich den Großen sah / Der ostpreußische Künstler widmete dem Preußenkönig einen ganzen lithografischen Zyklus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Wie Lovis Corinth Friedrich den Großen sah
Der ostpreußische Künstler widmete dem Preußenkönig einen ganzen lithografischen Zyklus

Von je her waren Gegner wie auch Verehrer fasziniert von dem preußischen König Friedrich II., der schon zu Lebzeiten „der Große“ genannt wurde. Bedeutende Künstler schufen bis ins 20. Jahrhundert hinein Bilder des Ausnahmemonarchen. Einer von ihnen war Lovis Corinth, dessen Geburt und Tod sich diesen Monat zum 154. beziehungsweise 87. Mal jähren.

Der Maler Lovis Corinth sagte einmal von sich: „Ich fühle mich als Preuße und kaiserlicher Deutscher“. 1908 zeichnete er die Totenmaske des Königs. Ein Abguss hing später in seinem Atelier. Und 1915 schuf er ein Gemälde der Totenmaske. Eine Zeit lang hat er sich sehr intensiv mit dem Leben des Preußenkönigs beschäftigt. In einem im November 1920 geführten Gespräch mit dem Herstellungs- und Redaktionsleiter des Kunstverlages Fritz Gurlitt in Berlin, Paul Eipper, erinnerte sich der Künstler an eine entscheidende Begegnung: „Ich bin ins Zeughaus gegangen, zum ersten Mal in meinem Leben. Hören Sie, das war großartig! Denken Sie, da komm ich in einen Saal, steht da eine blaue Uniform, ein Dreispitz, ein Krückstock, ich seh das so von weitem, undeutlich, denke gleich, das ist doch Friedrich der Große, wahrhaftig, als ich näherkam,

stand’s da: Das sind seine Kleider. Ich war ordentlich erschrocken vor Ehrfurcht … Wie gut, dass das Museum keine Wachsköpfe hat machen lassen. So war’s ja viel echter! Das war mir ein großer Genuss, meinen Sie nicht, ich sollte dort mal einen Rundgang machen?“

Wie sehr der Ostpreuße von dieser „Begegnung“ beeindruckt war, zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, dass er des Königs Uniform in seinen lithografischen Zyklus „Fridericus Rex“ aufgenommen hat. Paul Eipper war es, der dem Künstler vorschlug, einen solchen Zyklus zu schaffen, die Reihe fortzusetzen, die Corinth mit Götz von Berlichingen und Martin Luther begonnen hatte. Nach kurzem Zögern – er wolle sich nicht neben Adolph Menzel, die Autorität in Sachen Preußen, stellen – ging Corinth auf den Vorschlag ein. Im Laufe eines halben Jahres entstanden 45 Lithographien. Corinth an Gurlitt: „… ohne Übertreibung kann ich es wohl ein Kolossal-Werk nennen.“

Corinth ist indessen ganz anders als Menzel zu Werke gegangen. Während Menzel historische Studien betrieb, las Corinth über den großen König etwa die sechsbändige Geschichte Friedrichs II. von Thomas Carlyle, die von 1916 bis 1918 in einer zweiten deutschen Ausgabe erschienen war. Auf rund 3500 Seiten erzählte Carlyle vom Leben des Königs. Zu Paul Eipper sagte Corinth: „Ein gutes Buch, aber manchmal scheußlich langweilig. Jetzt habe ich den ganzen Zimt in Kopf, und dann aufs Papier damit.“ Corinth machte sich so das Thema zu eigen und drückte in den Bildern seine Sicht der Welt aus. „Corinth erreicht in der Mappe ,Fridericus Rex‘ eine Unmittelbarkeit, indem er den Blickpunkt auf der Ebene der Darstellung wählt und die Hauptakteure an den vorderen Bildrand rückt“, so Alexander Dückers in dem Katalog zur Ausstellung „Fridericus Rex – Der Preußenkönig in Mythos und Geschichte“, die vom Kupferstichkabinett Berlin 1986 gezeigt wurde. „In dieser Direktheit wird dem Betrachter nicht ein historisches Geschehen vorgeführt, sondern er ist unmittelbar angesprochen … Indem Corinth zu den tradierten Szenen eigene Bildideen einführt, zeigt sich, dass die traditionelle Ikonographie für ihn keine Norm bildet. Vielmehr ist die Unmittelbarkeit der eigenen Erfahrung sowohl der Auswahl der einzelnen Themen als auch bei deren Wiedergabe ausschlaggebend … Die Wirklichkeit dieser Bilder entsteht nicht durch das Suchen nach historischer Authentizität, sondern aus den Erlebnissen, die dem Künstler selbst das Wirkliche bedeuten. Corinth erzählt in seiner Mappe ein Helden­epos, in dem der König aus der Vergangenheit auftaucht, begleitet von seinen Kämpfern Abenteuer besteht und nach seinem Tod als Mythos weiterlebt.“

Besonders beeindruckend ist das Bildnis des alternden Königs, eine Farblithografie, deren Vorzeichnung am 21. Juni 1921 im Hohenzollern-Museum vor einer Wachsfigur entstand. Corinth hat in die Gesichtszüge des alten Mannes all seine eigenen Empfindungen hineingepackt. Die zusammengepressten Lippen zeigen die Entschlusskraft, die ihm dennoch innewohnt.

Im November 1921 war das Werk vollendet – Mappe 1 „Aus dem Leben Friedrichs des Großen“ erschien, es folgte Mappe 2 „König Friedrich und sein Kreis“ (1921/22). Auf der großen Corinth-Gedächtnisausstellung 1926 wurde auch der Zyklus in farbigen Lithografien ausgestellt. 60 Jahre später dann wurde der Zyklus nur in seinem ersten Zustand (einfarbig schwarz) gezeigt, da viele Blätter verlorengegangen waren. Dem Sammler und Kunsthändler Hans Georg Schultz ist es schließlich gelungen, aus dem Nachlass des Verlegers Wolfgang Gurlitt (Sammlung Paul Eipper) eine komplette Fassung mit 45 Farblithografien, also die dritte und endgültig zur Auflage genehmigte Fassung, zu erwerben. Bei einem Besuch in New York, wo Wilhelmine Corinth, die Tochter des Künstlers, bis zu ihrem Tod lebte, entstand die Idee, dieses bedeutende Spätwerk des Ostpreußen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Eine limitierte Faksimile-Ausgabe des Zyklus, der die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nur überstehen konnte, weil er eingemauert war, wurde 2001 herausgegeben. Zum 150. Geburtstag des Malers aus dem ostpreußischen Tapiau veröffentlichte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2008 dann alle ursprünglich 47 Einzelblätter des Zyklus, die überwiegend aus dem Nachlass ihres Förderers Knut Köhler stammen. Heute befinden sie sich als Dauerleihgabe in der Lyonel-Feiniger-Galerie in Quedlinburg. Silke Osman


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren