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07.07.12 / Ostpreußen, wie es war / Gemalte Erinnerungen an Gilge von Helene Dauter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Ostpreußen, wie es war
Gemalte Erinnerungen an Gilge von Helene Dauter

Je älter man wird, desto stärker gehen die Gedanken in die Vergangenheit zurück. Manchmal genügt nur ein kleiner Anlass – ein Kinderlied, eine Redensart, ein Spiel, ein Gedicht, ein heimatliches Gericht –, um wie an einer unsichtbaren Schnur in die Kindheit zurückgeführt zu werden. Und dann ist wieder alles da, so vertraut, so lebendig und so beglückend, dass man glauben könnte, die Tür zur Kindheit sei nie zugeschlagen worden. Ist sie auch nicht, sie steht immer offen, denn die Erinnerung ist das Paradies, aus dem man nie vertrieben wird.

Das liegt für die Malerin Helene Dauter in der Elchniederung an dem Memelarm, der auch ihrem Heimatort den Namen gegeben hat: Gilge. Obgleich sie erst spät zur Malerei kam, hat sie ein reiches künstlerisches Erbe hinterlassen, das von ihrer Tochter Cornelia Dauter in Husum in dem „Kleinen Museum“ betreut wird. Die mit feinem Pinselstrich gemalten Bilder haben das Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloss Ellingen veranlasst, eine kleine Broschüre mit einigen dieser Bilder herauszugeben, die das Kirchdorf an der Mündung der Gilge in das Kurische Haff so zeigen, wie die 1920 dort geborene Malerin es in Erinnerung hat: ein Fischerdorf, das sich in diese weite, stille Landschaft einfügt, in der alles seinen von der Natur bestimmten Gang ging mit manchen Eigenheiten, die sich in dieser Abgeschiedenheit entwickeln konnten. Helene Dauter bannt erlebte Heimat auf die Leinwand, so wie sie sie in der Erinnerung bewahrt hat, es sind realitätsnahe Bilder, die wie aus vielen Mosaiksteinchen zusammengesetzt erscheinen und auch so betrachtet werden müssen, weil man erst dann die einzelnen Motive erkennt, die ihre eigene Geschichte erzählen. Es ist ein kleines Bilderbuch für Erwachsene, das uns das Kulturzentrum Ostpreußen mit diesem Heft vorlegt und das schon im Titel erkennen lässt, dass es ältere Leser in die Kindheit zurückführt und jüngeren ein liebevoll gezeichnetes Bild von der Heimat ihrer Vorfahren vermittelt: „Ostpreußen, wie es war“. Und damit wird auch der dokumentarische Wert, den man den Bildern von Helene Dauter zuordnen muss, bestätigt, denn die Malerin zeigt ein fast fotographisches Gedächtnis in der Gestaltung der Szenen aus dem Alltagsleben der Fischerfamilien an Strom und Haff.

Allein das Leben der Familie Lascheit aus Gilge bot eine Fülle von Eindrücken, die in dem Fischerkind, das mit zwölf Geschwistern aufwuchs, bleibende Eindrücke hinterließen. Die dann erst sichtbar wurden, als sich Helene – die noch in der Heimat den Gilger Fritz Dauter geheiratet hatte und mit ihrer Familie nach Schleswig-Holstein vertrieben wurde – auf ihre künstlerische Begabung besann, als ihre beiden Kinder erwachsen waren. Die Laienmalerin, deren Talent schon ihr Gilger Lehrer Leo Guttmann erkannt hatte, belegte Kurse an der Volkshochschule und beteiligte sich bald an Gemeinschaftsausstellungen, dann folgten Eigenpräsentationen. Ihre Hauptschaffensperiode begann in den 80er Jahren, in denen die 60-Jährige vor allem die Gilge-Bilder schuf, aber auch andere Motive aus ihrer Heimat auf die Leinwand brachte. Vielleicht haben die bunten Gärten der Fischerhäuser mit ihren Malven, Gilken und Sonnenblumen die Malerin zu den schönen Blumenbildern angeregt, von denen auch in der Broschüre einige zu sehen sind.

Allein die fast 20 Ölbilder von Helene Dauter bieten eine Fülle von heimatlichen Motiven mit dem Strom als Lebensader. Auf dem Bild „Papa fährt zum Fischfang“ winken Mutter und Kinder dem Vater nach, der auf seinem Kurenkahn die Segel gesetzt hat. „Fischer beim Netze einholen“ und „Heuernte“ zeigen weitere Szenen, von der schweren häuslichen Arbeit erzählt das Bild „Bei der Wäschebleiche“. Unbeschwert und fröhlich wirken die Menschen auf den Bildern „Spielende Kinder“ und „Wanderzirkus“, und auf dem Gemälde „Der Klingerschlitten“ fühlt man sich in die weißen Weite des winterlichen Ostpreußens versetzt, durch die ein „Elch im Winterwald“ zieht. Ein Weih­nachtsbild dokumentiert einen besonderen Brauch: Kinder gehen im Engelsgewand musizierend von Tür zu Tür und sammeln für die Innere Mission. Im Bildtext heißt es da: „Wenn die Familie Lascheit zu Weihnachten im eigenen Wohnzimmer sang und musizierte, standen die Leute draußen vor dem Fenster und hörten dem 15-köpfigen Chor und Orchester genüsslich zu, obgleich es bitterkalt war und meterlange Eiszapfen vom Dach hingen.“ Diese und andere Erklärungen zu Land und Leuten machen mit ihrer den Bildern angepassten sprachlichen Gestaltung das Büchlein schon zu einem Kleinod für Heimatfreunde. (Zu erhalten für 3 Euro einschließlich Porto und Versand beim Kulturzentrum Ostpreußen, Schloßstraße 9 in 91792 Ellingen/Bayern, Telefon 09141/8644-0, Fax 09141/8644-14, E-Mail: info@kulturzentrum-ostpreußen.de) R.G.


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