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14.07.12 / Fast so schlau wie zuvor / NSU-Untersuchungsausschuss befragte den Verfassungsschutzpräsidenten – Fromm wirkte ahnungslos

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Fast so schlau wie zuvor
NSU-Untersuchungsausschuss befragte den Verfassungsschutzpräsidenten – Fromm wirkte ahnungslos

Über sechs Stunden wurde der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Heinz Fromm, im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages vernommen. Doch außer der Erkenntnis, dass der Amtschef ahnungslos und die Zusammenarbeit mit den anderen Sicherheitsorganen höchst mangelhaft war, ist dabei allerdings nicht viel herausgekommen. PAZ-Autor Michael Leh hat die Sitzung verfolgt.

Unter den Abgeordneten, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Verstrickung des Verfassungsschutzes in die dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) vorgeworfenen Straftaten aufzuklären, sind auch solche, die selbst ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat und dessen Verfassung haben. Neben den elf ordentlichen Ausschussmitgliedern sind ihre Stellvertreter da, darunter Hans-Christian Ströbele, weiland zu zehn Monaten Haft auf Bewährung wegen Unterstützung der RAF verurteilt. Ordentliches Mitglied für die Grünen ist Wolfgang Wieland, einst eifriger Maoist, heute ein sogenannter Realo. Die Linkespartei vertritt Petra Pau. Sie wünscht sich einen „kastrierten“ Verfassungsschutz, nämlich einen ohne V-Leute. Ganz abschaffen möchte ihn der größte Teil ihrer Partei, beobachtet er doch auch Extremisten aus deren Reihen.

Fromm hat um seine Versetzung in den Ruhestand zum Ende des Monats gebeten; er spricht ein Eingangsstatement, wirkt resigniert. „Die Taten des NSU sind in der Bundesrepublik ohne Beispiel und eine schwere Niederlage für die deutschen Sicherheitsbehörden“, sagt er. Ohne Wenn und Aber bekennt er das Versagen der Behörden bei der Suche nach den Tätern, denen zehn Morde und Anschläge mit Schwerverletzten sowie Banküberfälle vorgeworfen werden und die viele Jahre untertauchen konnten. Zwar habe man immer auch im Rechtsextremismus schwerste Verbrechen durch Einzelne oder Kleinstgruppen für möglich erachtet, doch keine „handlungsfähige Struktur“ aus einem Untergrund heraus erkannt, wie es bei dem „Zwickauer Trio“ der Fall war. Die Namen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien ihm bis zum November 2011 gar nicht präsent gewesen.

Bei der Befragung Fromms zum Nagelbombenattentat 2004 in Köln wird erneut deutlich, wie wenig auch die Polizei an einen rechtsextremistischen Hintergrund dachte. Einen solchen schlossen bereits einen Tag nach dem Attentat der damalige Bundesinnenminister Otto Schily und sein nordrhein-westfälischer Amtskollege praktisch aus. Fromm spricht von einer „analytischen Engführung“ und dass man „vielleicht etwas borniert“ gewesen sei. Dass Fromm von der V-Mann-Eigenschaft des NPD-Funktionärs Tino Brandt aus Thüringen im Jahr 2001 erst aus dem Magazin „Der Spiegel“ erfuhr, zeigt, wie absurd es die Behörden mit der gegenseitigen Information hielten – teilweise durchaus im Einklang mit den Vorschriften. Ex-Bundesrichter Gerhard Schäfer weist in seinem Gutachten über die Thüringer Sicherheitsbehörden gravierende Fehler nach, auch bei den Ermittlungen von Polizei und Landeskriminalamt. Nicht nur der Verfassungsschutz hat demnach versagt – die Gesamtlage stellt sich sogar noch schlimmer dar.

Bei Fromm geht es jetzt vor allem um das BfV und die Vernichtung von Beschaffungsakten mit Bezug zum NSU durch einen Referatsleiter. Der hat dazu die Aussage verweigert, es läuft ein Disziplinarverfahren gegen ihn, inzwischen gibt es auch eine Strafanzeige. Der Inhalt der Beschaffungsakten soll unter anderem durch Auswertungsakten inzwischen weitgehend rekonstruiert sein. Für Fromm sind die Motive seines Untergebenen unklar. Er deutet an, die Aktion könnte mit zuvor durch den Beamten nicht korrekt eingehaltenen Löschungsfristen zu tun gehabt haben. Doch das bleibt Spekulation. Wie er betont, wiegt für ihn besonders schwer, dass man ihm auch über den Zeitpunkt der Löschung die Unwahrheit sagte. Zu klären sei auch, ob der unmittelbare Vorgesetzte des Referatsleiter involviert war. „Wenn meine Mitarbeiter mir nicht die Wahrheit sagen, dann habe ich Probleme“, sagt Fromm. Nachdem das BfV so in die Schlagzeilen geraten sei, habe er mit seinem Rück­tritt dem Amt und auch dem Minister etwas „Luft zu schaffen“ versucht.

Für eine „Luftnummer“, wie es die SPD-Abgeordnete Eva Högl nennt, sorgt Hartfrid Wolff von der FDP. Kaum beginnt die Sitzungspause, drängt er wichtigtuerisch vor die Kameras und verkündet: „Wir haben in den Akten einen Anwerbeversuch einer jungen Frau gefunden, die Katzen besitzt, die Aktivistin des Thüringer Heimatschutzes war und die eine gute Beziehung zu ihrer Oma hatte. Das sind Kriterien, die auch auf Beate Zschäpe zutrafen.“ Dabei hat schon Fromm im Ausschuss einen solchen Anwerbeversuch so gut wie ausgeschlossen. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) korrigiert diese Falschmeldung umgehend vor der Presse mit dem Hinweis, man habe „eindeutig nachvollziehen können anhand der Akten“, dass es bei dokumentierten Anwerbeversuchen „keinen Bezug zu Zschäpe“ gebe. Doch da schwamm Wolffs Ente bereits uneinholbar alle Nachrichtenmeldungen herauf und herunter. „Ein ungeheurer Verdacht steht plötzlich im Raum“, sagt Marietta Slomka später im ZDF. Gegenüber der PAZ bezeichnet Eva Högl das Verhalten Wolffs als „verantwortungslos“.

Dass nicht nur die Opposition, sondern Abgeordnete jedweder Partei Untersuchungsausschüsse gern für die Selbstprofilierung missbrauchen, ist nicht neu. Einer seriösen Aufklärung dient es ganz gewiss nicht.


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