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14.07.12 / Staatsbankrott zum Jubiläum / Ein Jahr nach der Unabhängigkeit blickt der Südsudan in eine ungewisse Zukunft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Staatsbankrott zum Jubiläum
Ein Jahr nach der Unabhängigkeit blickt der Südsudan in eine ungewisse Zukunft

Am 9. Juli 20011 erklärte der Südsudan seine Unabhängigkeit vom Norden. Zu seinem einjährigen Geburtstag hofft der ostafrikanische Staat auf ein besonderes Geschenk: Die Rückzahlung von vier  Milliarden US-Dollar, die korrupte Beamten seit der Abspaltung gestohlen haben. In einem Brief rief Präsident Salva Kiir 75 im Dienst befindliche und ehemalige Beamte kürzlich auf, die „enorme Summe“ zurückzuzahlen. Man habe zusammen für Frieden, Gerechtigkeit und Gleichheit gekämpft. Jetzt vergesse man dies und bereichere sich auf Kosten anderer. Kiir hat erkannt: „Die Glaubwürdigkeit der Regierung steht auf dem Spiel.“ Viele Beamte sind einstige Rebellen, selbsternannte Freiheitskämpfer der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA), der Partei, die heute das Land regiert. Der Süden wurde von der Regierung in Khartum jahrzehntelang vernachlässigt, in zwei Bürgerkriegen kämpfte das Volk um Anerkennung. Die SPLA setzte sich für die Gleichberechtigung aller Sudanesen ein. Ihre Vision war ein friedliches Zusammenleben des schwarzen, christlichen Südens und des arabischen Nordens. Nach dem Tod des Gründungsvaters der SPLA, John Garang de Mabior, hieß die neue Devise hingegen: Abspaltung! Im Jahre 2005 bekam der Südsudan eine teilweise Autonomie, bis im Januar 2011 etwa 99 Prozent der Südsudanesen für einen geteilten Sudan votierten. Die Verwaltung befindet sich noch im Aufbau und eine zentrale Kontrolle über die Finanzen fehlt, was das System besonders anfällig macht für Korruption.

Dabei bräuchte der junge Staat derzeit alle verfügbaren Mittel. Nach einem Bericht der Weltbank könnte der Südsudan schon im Juli seine Devisen im Ausland ausgeschöpft haben. Zum Jubiläum gäbe es dann den Staatsbankrott. Die Regierung beschwichtigt, die Einschätzung sei übertrieben. Vorstellbar wäre dies allerdings schon, vor allem, seit der Südsudan zu Jahresbeginn in einem Konflikt mit den Norden den Rohölxport gestoppt hat. Der Süden hatte die Regierung in Khartum beschuldigt, das Öl aus der Leitung abzuzapfen. Nun wartet man auf eine Pipeline nach Äthiopien, doch der Bau kann mehrere Jahre dauern. Rund 98 Prozent der südsudanesischen Staatseinkünfte kamen aus dem Geschäft mit Öl. Vorerst wurden alle Straßen- und Siedlungsprojekte gestoppt. Doch der Konflikt wird nicht nur an der wirtschaftlichen, sondern nach wie vor auch an der militärischen Front ausgetragen. Die Streitkräfte der sudanesischen Armee bombardieren immer noch die Grenzregionen, in denen mehrheitlich ethnische Südsudanesen leben – dem Friedensvertrag zum Trotz. Im Juni löste die Bombardierung eine neue Flüchtlingswelle aus. Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) berichtete von 35000 Vertriebenen, die in den Süden geflohen seien. Seit das UNHCR vorletztes Jahr im Südsudan aktiv wurde, seien mehr als eine viertel Million Menschen aus den bombardierten Gebieten Richtung Juba geflohen, sagt der UNHCR-Sprecher Mark Kyria gegenüber der PAZ. Positiv geändert habe sich allerdings ihr Status: „Waren die Flüchtlinge früher nur intern Vertriebene, überqueren die Menschen heute eine internationale Grenze. Als Flüchtlinge haben sie mehr Rechte und mehr Pflichten“, so Kyria. Auf die neuen Flüchtlinge aus dem Norden warteten in den Auffanglagern bereits 70000 weitere, die ebenfalls auf Hilfe hoffen. Auch im restlichen Land grassiert die Armut. Statistiken behandeln immer noch den Gesamtsudan und für einen Eintrag im Human Development Index ist der Staat noch zu jung. Entwicklung scheint unter diesen Bedingungen jedenfalls schwer möglich.

Die Entwicklungshilfe aus dem Ausland schreitet mäßig voran, dabei zählt für den Südsudan jede Woche. Präsident Kiir bekennt sich offen zu guter Regierungsführung, die aber nicht über Nacht erreicht werden könne. Seine Offenheit macht ihn attraktiv für Geberländer. Die EU investierte gemeinsam 285 Millionen Euro in Projekte und US-Präsident Obama stellte 20 Millionen Euro bereit, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Denn zu den Flüchtlingen, die mit dem letzten Schwall gekommen waren, gesellten sich kürzlich 12000 vertriebene Südsudanesen aus dem Sudan. Ihnen fehlte das Geld für ein Visum, um in der Hauptstadt Khartum zu bleiben. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) holte sie daraufhin über eine Luftbrücke nach Hause. „Zu Hause“ nennen allerdings nur wenige von ihnen den Süden: Viele Jugendliche betraten zum ersten Mal in ihrem Leben südsudanesischen Boden. Die meisten von ihnen sind mittellos. Für sie ist es ein gewagter Neuanfang, bei dem jeder Schritt über eine entweder erfolgreiche oder brotlose Zukunft entscheiden kann. Das gilt für den ganzen Südsudan.   Markus Schönherr


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