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14.07.12 / Bürger ohne Maßstäbe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Bürger ohne Maßstäbe
von Hans Heckel

Angesichts der Dramatik der Ereignisse um die Euro-Krise liegt eine merkwürdige Schlaffheit über Deutschland. Schon vor Wochen beklagte ein Autor dieser Zeitung die Passivität, mit welcher die Bürger der Bundesrepublik auf die Zumutungen der Euro-„Rettung“ (nicht) reagieren. Trotz weiterer Zuspitzung hat sich am Befund nichts geändert: Das deutsche Volk dämmert auf den Zuschauerrängen dahin, während Politiker, Wissenschaftler und Journalisten in der Arena unter sich sind.

Noch erstaunlicher wird dieser Anblick, wenn man sich vor Augen hält, mit welcher Zähigkeit bis hin zur Verbiesterung die gleichen Deutschen gegen Bahnhöfe oder Wohnungsbau zu Felde ziehen. Da wird bisweilen gerungen, als ginge es um den Fortbestand des Planeten: Keinen Fußbreit geben wir nach, wir kämpfen weiter. Sogar die Parole der deutschen Revolution von 1989, „Wir sind das Volk!“, musste schon für Bauverhinderer aller Sorten herhalten.

Machen wir uns nichts vor: Die stolze Überzeugung, dass die Deutschen nach den Erfahrungen zweier Diktaturen und dem erfolgreichen Aufbau einer stabilen Demokratie nun zu unerschütterlichen Verteidigern von Rechtsstaat und Volkssouveränität gereift seien, muss hinterfragt werden. Der Zweifel wird eher noch verstärkt, wenn man sich im Volk umhört nach den Ursachen der bleiernen Ruhe: „Uns fragt ja sowieso keiner“, lautet eine oft gehörte Begründung. So reden artige Schulkinder, die schüchtern den Finger heben und hoffen, dass der Lehrer ihnen Rederecht erteilt. So reden Untertanen in einer Hierarchie, nicht aber freie Bürger.

Allerdings ist das Bewusstsein für Freiheit und  Demokratie nicht einfach eingeschlafen, es ist von gewissen Teilen der sogenannten Elite auch gezielt ausgehöhlt worden. „Freiheit“ degradierten jene Kreise regelrecht zum Schimpfwort, wir denken an die Debatten um die ersten Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck. Gegen „Volkssouveränität“, also die Voraussetzung echter Demokratie, haben lange vor der deutschen Vereinigung all diejenigen gewettert, die den Gedanken an ein gemeinsames Deutschland verbannen wollten. Und Rechtsstaat? Wo ernsthaft diskutiert werden muss, ob die rote Diktatur der DDR ein Unrechtsstaat war, kann das Wissen um Wert und Wesen eines Rechtsstaats nicht sehr tief wurzeln. Schließlich hat man den Deutschen den Begriff des „Volkes“, der dem der Demokratie zwingend zugrunde liegt, als „verdächtig“ verleidet.

So sind denn alle Maßstäbe, alle Begriffe erodiert, welche die Deutschen heute benötigten, um sich ihrer Lage bewusst zu werden. Und um zu begreifen, was auf dem Spiel steht. Der Preis für unsere träge Indifferenz wird erschreckend ausfallen.


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