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14.07.12 / Wie das »rote Preußen« endete / Vor 80 Jahren entmachtete das Reich mit dem »Preußenschlag« die geschäftsführende Regierung Braun

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Wie das »rote Preußen« endete
Vor 80 Jahren entmachtete das Reich mit dem »Preußenschlag« die geschäftsführende Regierung Braun

Am 20. Juli dieses Jahres jährt sich zum 80. Mal der sogenannte Preußenschlag, die umstrittene Absetzung der geschäftsführenden preußischen Regierung Otto Braun durch das Reich. Durch die auf Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung beruhende Notverordnung „Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preußen“ wurde die geschäftsführende Minderheitsregierung des Sozialdemokraten Braun zugunsten eines Reichskommissars entmachtet.

Der erst kurz vor dem Staatsstreich als Nachfolger Heinrich Brünings ins Amt berufene Reichskanzler Franz von Papen wurde zum Reichskommissar in Preußen ernannt, wo er als Regierungschef im Auftrag des Reiches fungierte. Zum stellvertretenden Reichskommissar wurde der Essener Oberbürgermeister Franz Bracht ernannt, der zusätzlich mit der Leitung des preußischen Innenministeriums betraut und insofern Nachfolger Carl Severings wurde. Etliche andere wichtige Ämter in Regierung und Verwaltung wie beispielsweise die des Polizeichefs wurden ebenfalls von der Reichsregierung neu besetzt. Durch diese Entfernung vieler der SPD angehörenden beziehungsweise ihr nahestehenden Politiker aus ihren Machtpositionen wurde Preußen als „rote Festung“ innerhalb des Reiches von den Konservativen ausgeschaltet. Da der Freistaat Preußen als Hochburg der Weimarer Koalition galt, wird der „Preußenschlag“ gegen seine geschäftsführende Landesregierung nicht nur als Angriff auf den Föderalismus, sondern auch auf die Mittelinksparteien verstanden.

Der Artikel 48 der Reichsverfassung besagte, dass bei akuter Gefährdung der inneren Sicherheit und Ordnung der Reichspräsident per Notverordnung jene sichern sollte. Solch eine Notverordnung durfte auch in die Politik einzelner Reichsländer eingreifen. Im Falle des „Preußenschlages“ gab es viele Aspekte, die seine Legitimität bis heute zweifelhaft erscheinen lassen. So hat beispielsweise die Reichsregierung die Notverordnung bereits präventiv vor dem 20. Juli verfasst und sie ohne Datum durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg unterzeichnen lassen, also bevor es überhaupt einen akuten Anlass für sie gab. Den offiziellen Anlass bildete am 17. Juli 1932 der „Altonaer Blutsonntag“, an dem im damals zu Preußen gehörenden Altona friedlich geplante Demonstrationen der extremen Parteien eskalierten und zu Straßenschlachten führten, als die Demonstranten aufeinandertrafen. Dieses Ereignis forderte 17 Tote und etliche Verletzte und diente als Begründung für mangelnde Sicherheit in Preußen, in dem die Landesregierung die Kontrolle verloren habe.

Weitere, inoffizielle Beweggründe kamen hinzu: So wurde mit dem „Preußenschlag“ eine Hochburg der SPD neutralisiert, die der konservativen Reichsregierung zunehmend zur Last geworden war. Außerdem waren in Preußen die extremen Gruppen ungleich behandelt worden. Während Linksextreme uneingeschränkt ihre Meinung äußern durften, wurde den Rechtsextremen der Machtaufstieg erschwert, beispielsweise durch das Verbot der SS und SA.

Widerstand gegen den „Preußenschlag“ gab es kaum. Die Partei des geschäftsführenden Ministerpräsidenten und die ihr nahestehenden Gewerkschaften leisteten beinahe keine Gegenwehr, riefen nicht zum politischen Generalstreik gegen die Reichsregierung auf. Durch diese Teilnahmslosigkeit verloren sie unter ihren Anhängern erheblich an Vertrauen und an Ansehen als Machtfaktoren in der Politik. Möglicherweise ist es darauf zurückzuführen, dass die SPD bei den folgenden preußischen Landtagswahlen vom 31. Juli 1932 in erheblichem Maße an Wählern verlor, wohingegen die NSDAP einen enormen Stimmzuwachs verzeichnen und die meisten Abgeordneten in den neugewählten Landtag entsenden konnte.

Kritisiert wurde der Preußenschlag schon während und direkt nach seiner Ausführung. Die Kritik lautete, dass er verfassungsrechtlich ungenügend begründet sei, um in dem Ausmaß Veränderungen in der preußischen Regierung vorzunehmen. Trotzdem wurde die Klage der preußischen Regierung gegen die Reichsregierung vom Staatsgerichtshof zurückgewiesen. Letzterer erklärte die Notverordnung für verfassungsgemäß, soweit sie den Reichskanzler zum Reichskommissar für Preußen bestellte und diesen ermächtigte, preußischen Landesministern vorübergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu übernehmen oder anderen Reichskommissaren zu übertragen.

Die dem „Preußenschlag“ folgende Aufnahme vieler ihr angehörender beziehungsweise nahestehender Personen in den preußischen Staatsapparat erleichterte der NSDAP ihren rasanten Aufstieg und auch ihre Regierungsübernahme 1933. Die Ausschaltung der SPD-geführten Landesregierung erleichterte den Nationalsozialisten nach ihrer „Machtergreifung“ die Gleichschaltung der Länder als einen Schritt zum Totalitarismus.             Melinda Heitmann


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