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14.07.12 / »Königsberg ist meine Heimat ...« / Buchvorstellung und Zeitzeugengespräch in Berlin – Verfolgung und Vertreibung prägten Nechama Drobers Leben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

»Königsberg ist meine Heimat ...«
Buchvorstellung und Zeitzeugengespräch in Berlin – Verfolgung und Vertreibung prägten Nechama Drobers Leben

Jahrhundertelang haben jüdische Mitbürger die Geschichte Königsbergs mitgeprägt, zu Wohlstand, Glanz und Würde beigetragen. Das nationalsozialistische Regime machte diese Symbiose zunichte. Mit der Verfolgung und insbesondere der Deportation der Königsberger Juden am 24. Juni und 24./25. August 1942 wurde die jüdische Kultur der Stadt am Pregel praktisch ausgelöscht. In Berlin erinnerte jetzt eine Veranstaltung in der Neuen Synagoge, dem Centrum Judaicum, an diese dramatischen Ereignisse vor 70 Jahren. Hauptgast war Nechama Drober, eine der letzten Augenzeuginnen, die sowohl die braune Herrschaft als auch die Russenzeit am Ort überlebt haben. Ihre Erinnerungen an den Holocaust, aber auch an das alte Königsberg, bewegten die zahlreichen Gäste zutiefst. Ihr Buch, in zweiter Auflage erschienen, war an diesem Abend alsbald vergriffen.

Welches Interesse das Thema Königsberg heute wieder in der deutschen Hauptstadt erzeugt, zeigte schon die Rednerliste des Abends. Nicht nur Hermann Simon, der Direktor des Centrum Judaicum, sprach einleitende Grußworte. Auch Aristide Fenster, der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Königsberg, und Klaus Weigelt, der Vorsitzende der Stiftung Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr.), äußerten sich zur Geschichte und Bedeutung Königsbergs in heutiger und früherer Zeit.

Äußerst bewegend war das folgende Zeitzeugengespräch, das Uwe Neumärker, der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, mit Nechama Drober vor großem Publikum auf dem Podium führte. Die Königsbergerin wurde 1927 als Hella Markowsky geboren. Die bald 85-Jährige, die heute in einem Seniorenheim in Israel ihren Lebensabend verbringt, erlebte Einschnitte in ihrem Leben, wie sie schlimmer nicht hätten sein können. Schon als kleines Mädchen erlebte sie die Ausgrenzung der Juden in der Schule, später sah sie vom Schlafzimmerfenster aus, wie die Neue Synagoge in Königsberg, die den jüdischen Kindern als Schule diente, im November 1938 brannte. Sie erlebte den Abtransport von Teilen der jüdischen Bevölkerung mit Deportationszügen am 24. Juni und 24./25. August 1942. Sie begleitete unzählige Freunde, aber auch Verwandte, bis zum Zug – ohne zu ahnen, dass es kein Wiedersehen geben würde.

Auch die Bombennächte von Königsberg erlebte die junge Hella in großer Furcht mit. Sie überlebte diese nur knapp. Es folgten die Eroberung Ostpreußens durch die Rote Armee und die Hungersnot unter der deutschen Zivilbevölkerung, bei der ihre Mutter und ihr fünfjähriger Bruder umkamen, nachdem der Vater von den Sowjets bereits nach Sibirien verschleppt worden war und lange Zeit verschollen blieb. Hella Markowsky floh mit ihrer Schwester Rita über Litauen, wo sie ihren Namen wechseln musste, in das moldauische Kischinew. Ihre wahre Identität als Deutsche gab sie niemals preis, weil sie Angst um ihr Leben und ihre Existenz hatte. Wegen des aufkeimenden Antisemitismus in der zerfallenden Sowjetunion, die ihr niemals Heimat geworden war, emigrierte sie mit 63 Jahren nach Israel. Am liebsten wäre sie 1990 nach Deutschland übergesiedelt, doch die deutschen Behörden lehnten den Einreiseantrag ab. Bereits im vorigen Jahr nahm Drober an der Einweihung einer Gedenktafel für die 465 jüdischen Kinder, Frauen und Männer, die am 24. Juni 1942 in die Vernichtungsstätte Malyj Trostenez bei Minsk verschleppt und dort erschossen wurden, am früheren Königsberger Nordbahnhof teil; ein gemeinsames Projekt unter anderem der Stiftung Denkmal, der Stadtgemeinschaft Königsberg und der russisch-jüdischen Gemeinde.

Trotz aller Schwierigkeiten und Erlebnisse in ihrem Leben, so die beherzte Aussage von Nechama Drober, ist sie im Herzen Königsbergerin und Deutsch ihre Muttersprache in bester ostpreußischer Ausprägung geblieben. Ihre Einnerungen tragen den Titel „Ich heiße jetzt Nechama. Mein Leben zwischen Königsberg und Israel“ und sind für fünf Euro bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Geschäftsstelle, Georgenstraße 23, 10117 Berlin, Telefon (030) 263943-0, Fax (030) 263943-20, E-Mail: info@stiftung-denkmal.de, erhältlich.    Christian Mahnken


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