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14.07.12 / Mutter zweier Verfassungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Mutter zweier Verfassungen

Helene Weber galt in der jungen Bundesrepublik als die einflussreichste Frau der Union. Die engagierte Frauenpolitikerin war nicht nur die einzige Unionsfrau im Parlamentarischen Rat, sondern neben Wilhelm Heile von der Deutschen Partei und Paul Löbe von der SPD auch das einzige Mitglied des Parlamentarischen Rates, das auch schon in der Nationalversammlung über die Weimarer Verfassung abgestimmt hatte. Zudem war sie, auf deren ausdrücklichen Wunsch hin, die Nachfolgerin der ersten First Lady der Bundesrepublik in deren Eigenschaft als Vorsitzende des Kuratoriums des Muttergenesungswerkes.

Wie Elly Heuss-Knapp wurde auch die am 17. März 1881 in Elberfeld geborene Volksschulleh­rer­tochter Lehrerin. Nach der Mittleren Reife besuchte sie von 1897 bis 1900 das Lehrerinnenseminar. Wie bei Heuss-Knapp folgte dem Lehrerinnenexamen und kurzer Tätigkeit im erlernten Beruf die akademische Weiterbildung an der Universität. Sie studierte Geschichte, Philosophie, Romanistik und Sozialpolitik. Anschließend arbeitete sie im Höheren Schuldienst in Bochum und Köln.

Nebenbei ist die Lehrerin auf sozialem und sozialpolitischem Gebiet aktiv. Ihr Standort ist dabei der politische Katholizismus, in dem sie diverse Funktionen innehat. Nachdem sie im Ersten Weltkrieg die Leitung der von ihr gegründeten Sozialen Frauenschule des Katholischen Frauenbundes in Köln übernommen hatte, machte sie nach der Novemberrevolution in der Ministerialbürokratie Karriere. Sie ging als Beamtin ins preußische Ministerium für Volkswohlfahrt. Daneben arbeitete sie für das Zentrum als Parlamentarierin. Nach der Nationalversammlung saß sie für ihre Partei von 1922 bis 1924 im preußischen Landtag und anschließend im Reichstag. Als einzige Abgeordnete ihrer Fraktion stimmte sie gegen das Versailler Diktat. Ebenso sprach sie sich fast eineinhalb Jahrzehnte später gegen das Ermächtigungsgesetz aus, stimmte aber aus Gründen der Fraktionsdisziplin im Reichstag dafür.

Die Herrschaft der Nationalsozialisten unterbrach Webers Tätigkeit und Karriere in Staat und Politik. In der freien Wohlfahrtspflege fand sie ihre Nische. In Berlin war sie bis 1943 im Fürsorge- und Caritasdienst tätig. Nach der Ausbombung zog sie erst zu ihrer Schwester nach Marburg und ließ sich dann 1945 in Essen nieder.

Nach dem Krieg nahm sie ihre politische und Parlamentsarbeit wieder auf. Nun engagierte sie sich in der CDU und übernahm die Leitung von deren Frauenvereinigung, wurde also formal erste Frau der CDU. Sie wurde Mitglied des NRW-Landtages, des Zonenbeirates und schließlich des Parlamentarischen Rates. Nach der Gründung der Bundesrepublik wurde sie Bundestagsabgeordnete, 1950 auch Mitglied der deutschen Delegation des Europarates. Wenn Weber auch eine „schematische“ Gleichberechtigung ablehnte, um den „Eigenwert“ der Frau zu bewahren, so war ihr doch ein weiblicher Bundesminister ein Anliegen. 1961 gab Bundeskanzler Konrad Adenauer ihrem Drängen mit der Berufung von Elisabeth Schwarzhaupt zur Bundesgesundheitsministerin nach. Im darauffolgenden Jahr starb Helene Weber nach längerer Krankheit am 25. Juli in Bonn.    Manuel Ruoff


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