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14.07.12 / Wirtschaftstreffen ohne russische Unternehmer / Königsbergs Gouverneur warb mit seinen Beamten für das Gebiet − Deutsche Mittelständler vermissten ihre Kollegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Wirtschaftstreffen ohne russische Unternehmer
Königsbergs Gouverneur warb mit seinen Beamten für das Gebiet − Deutsche Mittelständler vermissten ihre Kollegen

Die Sonderwirtschaftszone „Kaliningradskaja oblast“ sollte theoretisch aufgrund ihrer geographischen Lage gerade für Investoren aus der Bundesrepublik Deutschland interessant sein. Wie der unlängst durchgeführte Wirtschaftstag in Berlin mit Beteiligung hochrangiger Persönlichkeiten der Region jedoch gezeigt hat, gibt es in der Praxias immer noch viele Hindernisse.

Das Königsberger Gebiet hat durch seine geographische Lage, seinen Status als Wirtschaftsson­der­zone, seine ungewöhnliche Verflechtung mit dem historischen und kulturellen Erbe, seine außergewöhnliche Landschaft und das Gold der Ostsee, den Bernstein, eine große Anziehungskraft. Diese Vorzüge, die eigentlich wie ein Magnet auf ausländische Investoren und Touristen wirken müssten, erzielen bei den nahen Nachbarn der Region, darunter auch die Bundesrepublik, bislang nicht den von den Russen gewünschten Effekt.

In den vergangenen Jahren haben die Bemühungen der Gebietsregierung zugenommen, das Königsberger Gebiet in europäischen Ländern mit dem Ziel zu präsentieren, Investoren anzulocken. Dafür hatte sich der damalige Gouverneur Georgij Boos eingesetzt. Der amtierende Gouverneur Nikolaj Zukanow will die Werbung für die Exklave fortsetzen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei deutschen Partnern. Mitte Juni fand in Berlin der „Wirtschaftstag der Region Kaliningrad“ statt. Er fand in der Vertretung des Landes Schleswig-Holstein statt, mit dem das Königsberger Gebiet langjährige enge partnerschaftliche Beziehungen pflegt. Die Delegation des Königsberger Gebiets konnte mit hochrangigen Vertretern aufwarten. Neben dem Leiter wichtiger Ministerien der Regionalregierung war auch der Gouverneur selber anwesend.

Die deutschen Investitionen in die Wirtschaft des Königsberger Gebiets belegen nur den zehnten Platz. Die meisten Investitionen kommen aus den Nachbarstaaten Polen und Litauen. Aber auch Großbritannien und die USA sowie Steuerparadiese wie Zypern sind stärker vertreten als die Bundesrepublik. Im Vergleich zu der dynamischen Entwicklung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen andernorts ist das deutsche Engagement im Königsberger Gebiet bescheiden. Der stellvertretende Wirtschaftsminister des Gebiets, Michail Gorodkow, stellte die wirtschaftlichen Daten der Exklave im Vergleich zu den gesamtrussischen dar. Industrieminister Dmitrij Tschemakin nannte die Schlüsselbranchen der Region, für die man besonders gerne deutsches Kapital anlocken möchte. Dazu gehören die Bereiche Schiff-, Auto- und Maschinenbau, die Möbelbranche, touristische Infrastruktur und Bernsteinabbau.

Der emotionalste Auftritt war der von Stefan Stein, dem Leiter der Hamburger Industrie- und Handelskammer. Er berichtete den Teilnehmern von seiner langjährigen Erfahrung bei der Einführung von Wirtschaftsunternehmen in der russischen Exklave. Er lobte nicht nur die Gebietsleitung, sondern verlieh auch seiner Bewunderung für die erreichten Veränderungen der vergangenen Jahre Ausdruck. Stein rief die deutschen Kollegen auf, sich mutig auf den Königsberger Markt zu wagen, weil sie dort die notwendigen Bedingungen für ihre Unternehmen fänden.

Die Gäste hatten allerdings den Eindruck, dass ein Großteil der Informationen nur für Vertreter großer Firmen gedacht war, denn die Hürde für eine Niederlassung in der Sonderwirtschaftszone liegt mit fünf Millionen Euro recht hoch. Die meisten Konferenzteilnehmer waren aber Vertreter des Mittelstandes, die gar nicht über solche Mittel verfügen. Zukanow erklärte, dass er sich des Problems bewusst sei und den Ministerien der russischen Regierung bereits ein Antrag auf Herabsetzung der Niederlassungsbarriere in der Sonderwirtschaftszone vorliege. Es liege nun in den Händen der Regierung, einen Betrag festzusetzen.

Der Gouverneur legte einen besonderen Schwerpunkt auf die Stabilität und Sicherheit für Investoren. Diese Faktoren spielen für jede Investition und besonders bei deutschen Unternehmern eine große Rolle. Im Königsberger Gebiet wurde ein sogenannter Spezialrat eingerichtet, der dafür sorgen soll, dass Investoren, die dort investieren, ruhig schlafen können. Der Spezialrat hat die Aufgabe, alle eine Niederlassung betreffenden Formalitäten und Angelegenheiten aus einer Hand zu regeln. Nach der Antragstellung soll es dann drei Monate dauern, bis etwa die Baugenehmigung für ein Objekt vorliegt. Man müsse sich also nicht mehr durch das Dickicht des Bürokratieapparats wühlen, alles sei transparent. Nikolaj Zukanow sagte, er wünsche sich, die Infrastruktur gerade mit deutschen Investoren zu verbessern, weil beide Länder enge historische Verbindungen hätten. Dies bestätigte auch der deutsche Generalkonsul für das Königsberger Gebiet, Aristide Fenster: „Kaum ein Land ist so stark mit Russland verbunden wie Deutschland. Aufgrund der Geschichte und der geographischen Lage ist vor allem das Kaliningrader Gebiet prädestiniert für enge Kontakte zu Deutschland.“ Fenster ging auch auf die Visafrage ein: „Ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung ist die Visaerteilung. So erteilt das Generalkonsulat an russische Geschäftsleute verstärkt multiple Mehrjahresvisa. Überhaupt wurden 2011 mehr denn je Visaanträge bearbeitet; im laufenden Jahr erwarten wir eine weitere Steigerung um 15 bis 20 Prozent auf zirka 25000.“

Die deutschen Teilnehmer bedauerten, dass die Delegation keine Vertreter des Mittelstandes mitgebracht hatte, mit denen man gerne persönliche Kontakte für eine eventuelle spätere Zusammenarbeit hätte geknüpfen hätte. Denn darin bestand ja das eigentliche Ziel der Präsentation des Gebiets. Das Fehlen russischer Unternehmer war denn auch das Manko der Veranstaltung, denn viele deutsche Teilnehmer waren mit Ideen und konkreten Vorschlägen angereist, die sie mit russischen Kollegen diskutieren wollten. Unter den deutschen Teilnehmern waren Vertreter von Wirtschaftsvereinigungen aus Schleswig-Holstein, Thüringen, Berlin und Brandenburg anwesend.

Die Teilnahme von russischen Geschäftsleuten hätte den Reklameeffekt für eine Niederlassung deutscher Firmen im Königsberger Gebiet sicherlich erhöht. Jurij Tschernyschew


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