29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.07.12 / Die ostpreussische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Die ostpreussische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es war in der alten Zeit, als man noch Poesiebücher schrieb, da verewigte sich eine meiner Lehrerinnen mit einem längeren Spruch in meinem Album. Er machte sich recht edel aus inmitten der üblichen Reimereien – wie von dem Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein, das man sein sollte –, und handelte von dem Glück, auf das man niemals warten sollte, denn „oftmals bleibt im Garten, das Erwartete zurück hinter dem Erwarten“. Damit konnte ich als Zwölfjährige überhaupt nichts anfangen, denn wir hatten keinen Garten, und so beachtete ich auch die Schlussverse nicht, die da lauteten: „Wenn du damit rechnest nicht, wird’s aus freien Stücken kommen und wie Sonnenlicht doppelt dich beglücken!“ Ich muss diese Dichterworte aber doch gespeichert haben, denn sie fielen mir plötzlich wieder ein, als ich jetzt einen Brief bekam, der den Satz enthielt: „… auch wenn man damit nicht mehr gerechnet hatte!“ Geschrieben hat ihn unser Leser Horst Gutzeit aus Bad Tölz, den das, was er uns mitteilen konnte, sicher wie Sonnenlicht beglückt hat: Es meldete sich jetzt nach jahrelanger vergeblicher Suche ein junges Mitglied der Verwandtschaft und erfüllte somit seinen Wunsch, den wir vor sieben Jahren erstmals gebracht und im Jahr 2007 wiederholt hatten. Herr Gutzeit suchte damals Nachkommen des 1862 in Osterode geborenen Max Gutzeit – ohne Resonanz! Und nun las eine Enkeltochter des Genannten jene Ausgaben der PAZ mit unserer „Ostpreußischen Familie“ im Internet und war erstaunt. Ebenso überrascht war Herr Gutzeit, als sie sich bei ihm meldete. So viel in so wenigen Zeilen, denn Herr Gutzeit wollte uns dies spontan mitteilen und bedankte sich bei uns mit den Worten: „So hat Ihre Tätigkeit, für die ich mich bei Ihnen herzlich bedanken möchte, wieder einen tollen Erfolg gebracht. Ich wünsche Ihnen und der Familie weiterhin so große Erfolge!“

Und die haben wir, lieber Herr Gutzeit, die haben wir sogar in reichem Maße. In den letzten Folgen konnten wir schon von überraschenden Ergebnissen berichten, heute nun von weiteren, darunter von einem ganz besonderen Erfolg: Das Rätsel um das im Akker von Petrikatschen gefundene Kreuz hat seine Lösung gefunden, und zwar eine verblüffende, mit der ich nicht gerechnet hatte. Diesmal haben wir nicht Jahre zu warten brauchen, die Klärung kam schnell und unverhofft. Es ist schon eine ganz besondere Geschichte, und deshalb wird sie in unserem heutigen Extra-Beitrag behandelt.

Schnell reagierte auch Herr Reinhold Kayss, Auskunftsstelle Kreis Neidenburg, auf die in Folge 25 veröffentlichte Suchfrage von dem in Frankreich lebenden Dieter Reinert nach seinen Verwandten aus Grünfließ bei Neidenburg. Es handelte sich um die Nachkommen des Ehepaars Wilhelm und Ottilie Tallarek, über die der Suchende einige Angaben machen konnte. Danach ist der Ehemann bereits 1934 verstorben, seine Witwe mit fünf Kindern blieb in Neidenburg und erlebte den Russeneinfall, bei dem der einzige Sohn Willy erschossen wurde. „Eines der vier Mädchen, Elly Schäfer, soll heute noch leben“, schrieb Herr Reinert – und das kann Herr Kayss bestätigen. Die heute 82- Jährige wohnt heute in Blomberg (NRW-Lippe) und ist Mitglied der Kreisgemeinschaft Neidenburg. Deshalb konnte Herr Kayss sie so schnell finden, Herrn Reinert noch mehr über die Familie mitteilen und dabei dessen Angaben bestätigen, dass die Witwe in ein Haus gezogen war, das außerhalb von Grünfließ lag, aber noch eingemeindet war. Herr Kayss schreibt: „Die Familie Tallarek wohnte auf dem so genannten Abbau. Das Haus wurde von den Russen zerstört und jetzt wieder von der polnischen Familie Storz aufgebaut. Zur Erinnerung an den früheren Besitzer haben sie einen Stein mit der Inschrift ,Zur Ehre der Familie Tallarek‘ in deutscher und polnischer Sprache gesetzt.“ Herr Kayss hat Kontakt zu der Familie Storz und konnte Herrn Reinert Fotos von dem erst in diesem Frühjahr aufgestellten Stein und dem Neubau übermitteln. Herr Reinert hatte, als er mit seinem Wunsch an uns herantrat, schon hoffnungsvoll gemeint, dass die Suche in unserem Leserkreis eine vielversprechende Möglichkeit biete. Dass der Erfolg aber so schnell eintreten würde, dürfte ihn überrascht haben wie uns auch. Wir danken Herrn Reinhard Kayss aus Bischofsheim für seine Hilfe.

„Das ist wieder einmal eine schöne Erlebnisgeschichte für die Ostpreußische Familie, die wir Ihnen zu verdanken haben“, schreibt Frau Roswitha Kulikowski. Es geht um das Thema „Kirche in Alt-Ukta“, zu dem Frau Kulikowski mit ihren Erinnerungen beigetragen hatte. Und was dabei herauskam, das berichtet sie selber: „Bei mir klingelte das Telefon, und im breiten Ostpreußisch fragte eine Stimme: ,Ist da die Frau Kulikowski, die Roswitha Saßnick?‘ ,Ja!‘ ,Na ei, rate mal, wer hier ist? Na, die Lenchen Wriedt‘ – Da war also die Tochter unserer Tante Liesbeth aus Keilern bei Alt-Ukta, wo wir unsere Ferien vor dem Krieg verlebten. Lenchen war damals noch nicht verheiratet und half ihrer Mutter, die Sommergäste zu versorgen, und natürlich betreute sie uns Kinder. Na, das wurde ja ein Plachandern!“ Und dabei blieb es nicht. Da Frau Kulikowski noch Fotos von jenen Ferientagen in Masuren besitzt, konnte sie Lenchen Wriedt Aufnahmen von ihrem alten Hof übersenden. Auf manchen Bildern war sie selbst im Kreis der vielen Ferienkinder abgebildet. Ja, dieses Wiederhören kann man sich gut vorstellen. Aber Frau Kulikowski konnte noch mehr berichten. Sie hatte ihren Tierarzt auf den Wunsch einer Leserin aufmerksam gemacht, die in unserer Kolumne nach dem Verbleib der Kinder des Bartensteiner Tierarztes Dr. Gotthardt gefragt hatte. Dieser gleichnamige Bekannte von Frau Kulikowski war nun ein Sohn des Bartensteiners, er fand zu seiner großen Freude in der suchenden Leserin eine alte Schulfreundin wieder. Leider verstarb Dr. Gotthardt nach kurzer Zeit, doch über dieses Wiederfinden hatte er sich sehr gefreut. Und dann ist da noch eine dritte Geschichte, die aber noch etwas warten muss, denn es gibt ja noch andere positive Berichte.

Wie der von Christa Möller, die durch uns die hilfsbereite Familie wiederfand, die im Februar 1945 die damals achtjährige Christa Koller und ihre Großmutter Elly Borowski, die zu Fuß aus Sensburg geflüchtet waren, mit ihrem Treckwagen über das Frische Haff brachten. Frau Möller hatte diese Hilfe nie vergessen, denn das Kind stand hilflos mit der Großmutter am Ufer inmitten anderer Flüchtlinge, die alle nicht wagten, das an manchen Stellen schon brüchige Eis zu betreten. Dieser Wagen mit den großen Gummirädern hatte die Familie Kalweit aus Bürgersdorf im Kreis Wehlau bis zum Haffufer gebracht, nun wollte sie weiter zur Frischen Nehrung. Die Familie erbarmte sich der kleinen Christa und ihrer Großmutter und nahm sie mit über das Haff. Eine Nacht und einen halben Tag lang fuhren sie mit diesem Fluchtwagen, bis sich auf Wunsch der Großmutter ihre Wege trennten. Frau Möller hat dieses Erlebnis nie vergessen, konnte aber nicht nach der Familie suchen, weil sie weder deren Namen noch den Ort des Geschehens wusste. Sie wandte sich schließlich an uns und bat in unserer Ostpreußischen Familie nach dem Wagen mit den Gummirädern und ihren Besitzern zu suchen. Das kaum Glaubliche geschah: Es meldete sich die Tochter Inge der Familie Kalweit, die sich als damals 13-Jährige noch gut an die Mitgenommenen erinnerte, genau wie ihr jüngerer Bruder Gerhard Kalweit. Sie wussten auch den Namen des Ortes, an dem die gemeinsame Flucht über das Frische Haff begann: Tollendorf. So entstand nach 63 Jahren eine Verbindung zwischen Menschen, die als Kinder gemeinsam diese Stunden voller Not und Angst erlebten. Es sollte nach etlichen Telefongesprächen auch ein Wiedersehen geben, und Frau Möller versprach uns ein Foto von diesem Treffen – aber dann hörte ich nichts mehr. Das hatte leider einen traurigen Grund, denn der Ehemann von Frau Christa Möller war nach langer Krankheit verstorben, und es brauchte eben seine Zeit, bis man an eine Begegnung denken konnte. Nun ist sie erfolgt, Frau Möller fuhr mit ihrer Tochter nach Zeuthen bei Berlin zu Gerhard Kalweit und seiner Frau, die auch aus Ostpreußen kommt. Es war ein nettes Treffen, wie Frau Möller schreibt, und ein weiteres soll demnächst folgen. Das Versprechen hat sie gehalten: Das erste Foto von einem Wiedersehen nach 67 Jahren erhielt die Ostpreußische Familie. Hier ist es. Ein großes Dankeschön kommt aus dem Siegerland von dem Vorsitzenden der Kreisgruppe, Herrn Olbricht, und dem Kulturwart Frank Schneidewind.

Es gilt den Spendern aus dem Kreis der Ostpreußischen Familie, die nach einem Aufruf in unserer Kolumne mit Büchern und Schriften den Heimatraum der Gruppe in Siegen bereichert haben. Die Spenden konnten bei der Ermland- Wallfahrt in Werl übergeben werden. Leider wurden nicht in allen Fällen die Namen mitgeteilt – deshalb vermitteln wir den Dank der Kreisgruppe Siegerland an die anonymen Spender. Aber Herr Schneidewind kann auch ein Angebot machen, das Mitglieder von Volkstanzgruppen interessieren wird. Unter den Exponaten, die er für einige Heimatstuben besorgen konnte, ist auch eine Frauentracht aus dem südlichen Siebenbürgen. Sie wurde von einer dort lebenden  betagten Siebenbürgerin nach Deutschland mitgegeben in der Hoffnung, dass sie hier Verwendung finden könnte. Diese Frauentracht aus den 30er Jahren befindet sich noch bis Januar 2013 in einer Ausstellung. Damit das kostbare Stück nicht in irgendeiner Truhe verschwindet, soll es einer Gruppe übergeben werden, die mit Volkstänzen diese echte Tracht lebendig erhält. Wer sich für dieses neue Angebot aus unserer „Familien- Fundgrube“ interessiert, wende sich bitte schriftlich an den Kulturwart der Ostpreußen-Kreisgruppe Siegerland, Herrn Frank Schneidewind, Grubenstraße 10 in 57462 Olpe. Fundgrube – ja, da werden wir in der nächsten Nummer wieder mit einer ganz großen Überraschung aufwarten können. Aber ich werde etwas vorsichtiger sein, denn – wie Ihr nun lesen werdet – lag das von einer Russin entdeckte Kreuz nicht sehr lange im Acker von Petrikatschen. Ein Leser meint, dass es den Heimatvertriebenen wohl allzu nahe liege, in Ostpreußen auf jeden Fall auf alte Heimatreste zu stoßen, wenn irgendetwas aus der Erde gebuddelt wird. Das beziehe ich ruhig auf mich, denn ich wollte mit der Information über die Fundstelle auch ein Stück Heimatgeschichte liefern, und die ist gerade in diesem östlichen Grenzland durch die unterschiedliche Besiedlung sehr interessant. Aber das war nicht der einzige Grund, warum mich das Thema so beschäftigte. Als ich den Bericht für Folge 24 schrieb, hatte ich mich vorher mit den „Königsberger Wanderungen“ von Herrn Jörn Pekrul befasst, die dann in der nächsten Folge veröffentlicht wurden. Mit Kürzungen, aber diese unterlassene Stelle aus seinem Bericht will ich nun doch bringen, weil sie mich motivierte: „In Königsberg sah ich in der Nähe des Viehmarktes eine Baugrube. In etwa vier Metern Tiefe lag eine Holzkiste, die dort vergraben war. Es lag altes Geschirr darin, auch Kindergeschirr. Es handelte sich offensichtlich um vergrabenes Eigentum von Menschen, die damals hier wohnten. Die russischen Arbeiter waren verblüfft, sie wussten sich den Fund offensichtlich nicht zu erklären. Und es schoben sich vor mein geistiges Auge die Bilder von der Familie, die hier einst wohnte und die ihr Geschirr hier vergrub. Und nun, nach 66 Jahren, kamen diese Sachen wieder ans Tageslicht. Ich musste mich auf den Bordstein setzen, ehe ich weitergehen konnte.“ Dies als Reaktion eines nachgeborenen Ostpreußen. Und damit haben wir einen guten Übergang zu unserer Extrageschichte.

Eure Ruth Geede


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren