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21.07.12 / Politik hält DDR-Gedenken kurz / Gedenkstätte Hohenschönhausen bekommt trotz Besucher-Rekords kaum mehr Mittel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Politik hält DDR-Gedenken kurz
Gedenkstätte Hohenschönhausen bekommt trotz Besucher-Rekords kaum mehr Mittel

Das Interesse an DDR-Geschichte steigt. Doch private Museen zeigen eher ein buntes Bild, während das Gedenken an Verfolgung unterfinanzierten staatlichen Ausstellungen überlassen ist.

Berlins Gedenkstätten des DDR-Unrechts und einstige Gefängnisse des DDR-Geheimdienstes Staatssicherheit (Stasi) verzeichnen einen starken Besucherzuwachs. Berlin stattet indes die Einrichtungen kaum ausreichend aus. Die Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen musste bereits Tausende Besucher ablehnen, wegen Überfüllung.

In der ersten Jahreshälfte besuchten die Gedenkstätte Hohenschönhausen 171000 Menschen – ein neuer Rekord. Gut 6000 Besucher mehr als im Vergleichszeitraum 2011 wollten somit die Zeugnisse von Entrechtung und Unterdrückung Andersdenkender in der DDR sehen. Das bedeutet einen Zuwachs von vier Prozent. Der Besucherdienst musste bereits einer Gruppe aus dem Bundesinnenministerium eine Führung durch das Gelände verwehren, obwohl diese sich rechtzeitig vorher anmelden wollte.

Derzeit ist der Ansturm so groß, dass ganze Wochen komplett ausgebucht sind. Der Direktor der Gedenkstätte Hubertus Knabe: „Es gibt Tage, an denen einfach nichts mehr geht. Wir mussten im ersten Halbjahr dieses Jahres schon rund 5000 Menschen abweisen. Das ist für die Interessierten oft sehr enttäuschend, für uns aber auch.“ Seit Öffnung des Gedenkortes 1994 haben sich über zweieinhalb Millionen Besucher in Hohenschönhausen ein Bild von den Haftbedingungen und den dokumentierten Einzelschicksalen gemacht.

„Wer hier von ehemaligen Häftlingen durch die Zellen geführt wird, der weiß anschließend, was die DDR für ein Staat war“, so Knabe. Und auch für den Rest dieses Jahres gingen gut 13 Prozent mehr Voranmeldungen ein als für das zweite Halbjahr 2011. So rechnet die Gedenkstättenleitung damit, allein im September gut 37000 Menschen durch die weitverzweigte Anlage zu führen. Selbst bei Öffnungszeiten von 9 bis 18 Uhr und noch darüber hinausgehenden Führungen kann das Personal der umfangreichen Nachfrage nicht nachkommen.

Mehr Mittel für die Darstellung der offensichtlich mehr denn je gefragten DDR-Vergangenheit sind nötig. Die Finanzierung der Stätte teilen sich der Bund und das Land Berlin. Zwar läuft bereits ein Ausbau zu einer neuen Dauerausstellung, und es sind auch neue Veranstaltungs- und Seminarräume vorgesehen, indes sind die Mittel für Personal knapp. Für den Umbau stellen Bund und Land rund 16 Millionen Euro bereit. Die Eröffnung der neuen Ausstellung mit Lebensläufen einstiger politischer Häftlinge ist für Februar 2013 geplant.

Der erneute Bedeutungszuwachs, der mit dem Besucherandrang einhergeht, spiegelt sich auch bei Touristen aus dem Ausland, die den Ort zunehmend aufsuchen. Die Gedenkstätte Berliner Mauer verzeichnet ebenfalls deutlich mehr Besucher. So kamen 2011 gut 190000 Menschen allein in die Kapelle der Versöhnung, einen Teil jener Gedenkstätte, in dem auch der Toten der Mauer gedacht wird. Das privat finanzierte „DDR-Museum“ in Berlin-Mitte blickt ebenfalls auf mehr Besucher, rund 493000 kamen 2011. Allerdings legt dieser Ort mehr Wert auf das Alltagsleben der DDR-Bewohner und weniger auf die Folgen der deutschen Teilung oder der Verfolgung von Menschen in der DDR, wobei der Eindruck entstehen könnte, als sei der Alltag vom Unterdrückungsregime unberührt geblieben. So bleibt das Gedenken an die Diktatur umso mehr eine Aufgabe staatlicher Museumsarbeit.

So groß das allgemeine Interesse ist, so bevorzugen gerade Menschen aus den neuen Bundesländern offensichtlich die mehr zur Ostalgie neigenden DDR-Schauen. Hohenschönhausen erhält jedenfalls auffallend wenig Zustrom aus jener Region, deren Bewohner einst selbst unter dem SED-Staat leben mussten. Beobachter sehen einen Grund für das Desinteresse darin, dass dort viele Lehrer im Schulunterricht einen kritischen Blick auf die DDR-Geschichte weiterhin vermeiden. In Hohenschönhausen stellen nämlich Schüler mehr als die Hälfte der Besucher. Aus dem Westen kommen deutlich mehr von ihnen: So sahen sich 2010 gut 29000 junge Bayern und 28000 Schüler aus Nordrhein-Westfalen die Zellen und Ausstellungsräume an und immerhin noch 10000 junge Berliner, während die einzelnen neuen Länder je nur gut 1000 bis 3000 Besucher im Schulalter stellten.

Die Besucherzahlen aus europäischen Ländern wie Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Großbritannien sind sogar teils größer als jene aus den neuen Ländern. Im „DDR-Museum“ hingegen stellen Besucher aller Altersgruppen aus der einstigen DDR gut 24 Prozent des Publikums. DDR-Restaurant sowie die Plakat- und Werbewelt des Realsozialismus scheinen somit für Menschen aus den neuen Ländern anziehender als der Blick in eine Wasserzelle, in der Dissidenten gefoltert wurden.

Während das gut finanzierte Privatmuseum jüngst die Auszeichnung „European Museum of the Year“ erhielt, scheut Hohenschönhausen noch davor zurück, nur zwei Stunden täglich länger zu öffnen, um endlich mehr Interessierte einlassen zu können. Denn das würde Zusatzosten im fünfstelligen Bereich erzeugen, fürchtet die Gedenkstättenleitung. Sverre Gutschmidt


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