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21.07.12 / Kampagne statt »Murks-Gesetz« / Das neue Melderecht ändert weniger, als behauptet, es geht viel mehr um Grundsätze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Kampagne statt »Murks-Gesetz«
Das neue Melderecht ändert weniger, als behauptet, es geht viel mehr um Grundsätze

Der Bundestag verabschiedete das von der Bundesregierung für 2014 vorbereitete neue Meldegesetz während der Fußball-Europameisterschaft in geänderter Fassung und denkbar knapper Besetzung. Vom Internet ausgehend, wächst seither der Protest. Es geht um den Datenschutz. Nun will die Regierung das Gesetz in der Form nicht mehr und hofft auf den Bundesrat, wo die Opposition ihr Veto bereits vorab verkündete.

Bei so viel politischer Verwirrung fragen sich Verbraucher: „Was ändert sich wirklich?“ und: „Darf der Staat tatsächlich mit meinen Meldedaten Handel treiben?“ – ein Beispiel für politische Kampagnen in Zeiten des Internet.

Die politisch Schuldigen an der scheinbar handwerklich unsauber ausgeführten Reform zieren seit Tagen die Nachrichtenspalten. Von einem Parlament, das eigentlich nicht beschlussfähig war, ist zu lesen, aber auch von konservativen Politikern, die angeblich eigenmächtig änderten, Bürgerrechte beschnitten. Im Gesetzesentwurf vom November jedenfalls hatte ohne Zustimmung des betroffenen Bürgers niemand Zugriff auf dessen verpflichtend an die Meldeämter gegebenen Daten geholt, so die Medien, und das sollte demnach auch im neuen Gesetz ursprünglich so bleiben. Das Einwohnermeldeamt hätte also jedes Mal beim Bürger nachfragen müssen, bevor es Informationen weitergibt. Das sei im neuen Entwurf des Bundestages umgekehrt, schrieben die Medien.

Tatsächlich müssen Ämter auch bisher schon die Bürgerdaten bei einer Anfrage Dritter preisgeben, aber nur, wenn beispielsweise der Adresshändler, einstige Klassenkamerad oder Inkassounternehmer mindestens bereits zwei Daten wie Name und Geburtsdatum hat. Außerdem ist für jede einzelne Anfrage eine je nach Bundesland unterschiedliche Gebühr fällig. Das Melderegister gilt in Deutschland auch vor der Reform zumindest als öffentlich-rechtlich, auch wenn Datenschützer es nicht als öffentlich ansehen. Diese „einfache Meldeauskunft“ gibt es also schon lange. Manche an den Daten interessierte Institutionen wie die Gebühreneinzugszentrale GEZ erhält sogar nach eigenen Angaben ohne Gebühr und Anfrage automatisch zu festen Stichtagen einen aktuellen Auszug. Für alle anderen gilt eine durchschnittlich acht Euro teure Gebühr, nach deren Zahlung Ämter Name und Adresse einer gesuchten Person preisgeben, vorausgesetzt, diese lebt im Amtsgebiet. In manchen Gemeinden beträgt die Gebühr bis zu 25 Euro je Auskunft.

Dass Gesetzesänderungen überhaupt nötig sind, liegt an der Föderalismusreform von 2006, die dem Bund schrittweise die Zuständigkeit über das Meldewesen überlässt und eine bisher fehlende einheitliche Regelung schafft. „Wenn wegen der Gesetzesänderung mehr Adresshändler nachfragen, verdient der Staat natürlich sprunghaft dazu“, schrieb die Zeitung „Bild“. Tatsächlich hielten die Gebühren lästige Werbeanfragen und krumme Geschäftemacher auch bisher davon ab, Tausende Datensätze zum Stückpreis zu sammeln.

Statt einer Diskussion um Ziele und Grenzen des Melderechts findet derzeit in den Medien eine Debatte um Widerspruchsmöglichkeiten des Einzelnen statt. Ausgelöst wurde die Medienlawine von der Opposition, genauer von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Der nutzte am 5. Juli den Internet-Dienst „Twitter“, um seine Version des Bundestagsbeschlusses als Alarmmeldung zu verbreiten: „Merkels neues Meldegesetz macht Staat zum Datendealer, sogar gegen den Widerspruch Betroffener“, verbreitete er über den während der Fußball-Europameisterschafft Ende Juni ohne öffentliches oder mediales Aufsehen vom Bundestag beschlossenen Text. Widerspruchsmöglichkeiten gegen die Weitergabe der eigenen Anschrift gibt es auch bisher, aber nur in einigen Bundesländern. Auch dann kann der Bürger meist nur Anfragen von Parteien oder Religionsgesellschaften abblocken, gewerbliche Anfragen nicht. Sverre Gutschmidt


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