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21.07.12 / Auch CDU macht Schule rot / Bei der Bildung kopiert die Partei immer mehr linke Konkurrenz – Unfaire Experimente an Wehrlosen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Auch CDU macht Schule rot
Bei der Bildung kopiert die Partei immer mehr linke Konkurrenz – Unfaire Experimente an Wehrlosen

EU und Euro, dies sind die Themen, mit denen Politik und Öffentlichkeit über Wochen und Monate hinweg in Atem gehalten werden. Dass sich hinter der Aufregung um diese Themen in anderen Bereichen oft Seltsames abspielt und sich die Profile der Parteien verwischen, ist völlig aus dem Auge des Betrachters gerückt. Gelegentlich gelangt zum Beispiel das Thema Bildung beziehungsweise das, was man dafür hält, auf Titelseiten und in die TV-Abendnachrichten. Aber dann auch nur, um – „bei allen Fortschritten mit der Steigerung der Abiturientenquote“ – zum 100. Mal die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (OECD) gebetsmühlenhaft medial inszenierte, angebliche soziale Schieflage des gegliederten deutschen Bildungswesens zu beklagen. Dass wir in Deutschland, zumal in Bayern, ferner in der Schweiz und in Österreich mit differenzierten Schullandschaften und mit relativ niedrigen Abiturientenquoten zugleich die niedrigsten Quoten an arbeitslosen Jugendlichen und die besten Wirtschaftsdaten haben, spielt für die OECD keine Rolle. Dabei ist doch gerade das sozial, was zumal junge Leute in Beschäftigung bringt.

Davon unbeeindruckt haben sich manche deutsche Landesregierungen aufgemacht, ihr Bildungswesen im Windschatten der großen Aufregerthemen umzukrempeln. Das CDU/FDP-regierte Niedersachsen führt eine sogenannte Oberschule ein. Diese Schulform soll regional Hauptschule und Realschule ersetzen und bereits ab Dreizügigkeit, also wenn es pro Jahrgangsstufe drei und mehr Klassen gibt, einen Gymnasialzweig einrichten dürfen. Zu anderen Zeiten und in anderen Ländern hieß eine solche Oberschule schlicht und einfach Gesamtschule – einst von der CDU vehement bekämpft. In Nordrhein-Westfalen gab es bereits 2011 parteiübergreifend einen sogenannten Schulkompromiss. Letzterer bestand darin, dass die Gymnasien eine Bestandsgarantie erhielten, dass die Hauptschule abgeschafft und neben Gymnasium, Realschule und Gesamtschule als weitere Schulform eine Sekundarschule eingeführt werden solle. Dafür war man in großer Koalition aus SPD, Grünen und CDU bereit, die Bestandsgarantie der Hauptschule aus der Landesverfassung (bislang in Artikel 12 verankert) zu streichen. Dies ist im Januar dieses Jahres vollzogen worden. Die CDU hat diesen „Kompromiss“, der von allen Beteiligten zu einem „historischen“ hochgejubelt wurde und der angeblich bis 2023 halten soll, mitgemacht und darf nun von den Oppositionsbänken aus beobachten, was die zwischenzeitlich fest installierte rot-grüne Regierung daraus macht.

In Baden-Württemberg wird das Schulwesen derzeit wohl am radikalsten umgekrempelt. Ungeachtet der Tatsache, dass das „Ländle“ mit seinem differenzierten Schulsystem bei Schulleistungsvergleichen zusammen mit Bayern und Sachsen immer am besten abschnitt und Gesamtschulen in eben diesen Studien regelmäßig eine durchschlagende Erfolglosigkeit attestiert bekamen, will man dort eine verbal zur „Gemeinschaftsschule“ gewendete Gesamtschule einführen. Diese Schulform – geht es nach SPD-Schulministerin Gabriele Warminski-Leitheußer – scheint eine wahre Wundertüte zu sein: stressfrei, ohne Noten, mit alternativen Leistungsbeurteilungen, ohne Sitzenbleiben, mit individuellen Förderplänen, neuen Lernformen, rhythmisiertem Schulalltag, integrativ, mit allen denkbaren Schulabschlüssen, „sozial gerecht“ und vieles andere mehr.

Schade, dass es im Bildungsbereich keine Produkthaftung gibt! Hier scheinen die sogenannten Progressiven und die Ewigmorgigen straflos herumexperimentieren zu dürfen, obwohl Heranwachsende nur eine „Fertigungsbiografie“ haben, die bei Misslingen irreversibel ist. Schade auch, dass die CDU schulpolitisch offenbar keinerlei Gestaltungswillen mehr hat. Wenn sich Baden-Württembergs ehemalige Kultusministerin Annette Schavan, damals stramm föderalistisch eingestellt, jetzt als Bundesbildungsministerin zentralistisch gibt, Kompetenzen an sich ziehen und en passant die Hauptschule abschaffen möchte, dann mag man das als Profilierungsbemühen beiseitelegen. Dass die CDU aber in nahezu allen Ländern, in denen sie (noch) den Ministerpräsidenten stellt, auf die Besetzung des Postens des Schulministers verzichtet, spricht Bände. Im Saarland, in Thüringen, in Hessen, in Sachsen-Anhalt, zu CDU-Regierungszeiten auch in Hamburg und Schleswig-Holstein, hat man die Schulpolitik in die Hände des jeweils kleineren Koalitionspartners gegeben. Nur noch in Niedersachsen und in Sachsen gibt es einen von der CDU besetzten Schulministerstuhl. Die Sozialdemokratisierung der CDU setzt sich also auch in diesem Politikfeld fort. Diese Anpassung mag einer durchsichtigen Wahlkampftaktik geschuldet sein. Die CDU vergisst dabei aber, dass der Wähler doch noch immer lieber das Original als das Imitat wählt. Will sagen: Wer einheitliche Schule oder rot-grüne Schulpolitik will, der wählt „rot“ oder „grün“, aber keine ins Rot-Grüne gewendete CDU. Josef Kraus

Der Autor ist Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.


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