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21.07.12 / Krieg und Frieden / Und was die Forschung hierzu sagt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Krieg und Frieden
Und was die Forschung hierzu sagt

Eine wichtige, vielleicht sogar die zentrale Komponente im Schaffen des Frühneu-zeithistorikers Heinz Duchhardt (*1943) ist die Friedensforschung. Dementsprechend lautet der Titel der im Verlag Ferdinand Schöningh erschienenen Festschrift für den langjährigen Direktor des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz „Frieden im Europa der Vormoderne“. Im vergangenen Jahr war Duchhardt aus seinem Amt als Institutsleiter verabschiedet worden. Der Sammelband enthält eine hochkarätige Auswahl seiner Aufsätze, Vorlesungen und Vorträge, die zwischen 1979 und 2011 in renommierten Fachzeitschriften und Sammelbänden veröffentlicht worden sind. Der Wissenschaftler steht in der Münsteraner Tradition der historischen Friedensforschung, die er im Rahmen seiner Institutstätigkeit und mit zahlreichen grundlegenden Publikationen maßgeblich geprägt hat. Die von ihm durchgeführten interdisziplinären und internationalen Projekte bezogen sich schwerpunktmäßig auf die historisch-kritische Untersuchung von Friedensverträgen und -kongressen der Frühen Neuzeit aus europäischer Perspektive.

In seinem einleitenden Vorwort unterstreicht der Herausgeber Martin Espenhorst den interdisziplinären Ansatz der von Duchhardt gestalteten Friedensforschung, deren Säulen die Europageschichte, die Diplomatiegeschichte, die Ideengeschichte, das Völkerrecht und die Geschichte der internationalen Beziehungen bilden. Durchhardt habe die Begriffsgeschichte auf ein zutiefst realhistorisches Fundament gestellt. „Friedenswahrung“, „Friedensverträge“, „Friedensordnung“ und „Erinnerungskultur“ sind Leitkategorien, nach denen auch die vier Kapitel des Buches benannt sind. Die jeweils darin zusammen gefassten Beiträge nehmen schwerpunktmäßig auf den Westfälischen Frieden von 1648 Bezug. Aber auch die nachfolgenden Friedens- und Ordnungsmodelle werden herangezogen, wenn der Autor etwa in großen Zügen die politische Entwicklung im Ancien Régime erläutert. Insgesamt ist diese Lektüre für alle interessierten Leser mit Vorkenntnissen gewinnbringend, da die Texte im Ausdruck klar und verhältnismäßig frei von den Schlacken fachlicher Verklausulierungen sind. Ein großer Wissensschatz wird allerdings voraus gesetzt, weshalb die Zuhilfenahme von Nachschlagewerken unverzichtbar ist.

Ohne den Westfälischen Frieden, der zwischen dem 15. Mai und dem 24. Oktober 1648 in Münster und Osnabrück geschlossen wurde und der als Meilenstein des frühmodernen Völkerrechts gilt, wäre die Entwicklung Europas anders verlaufen, so der Tenor des Buches. Nichtbefristung, Gefangenenaustausch, Amnestie: Damit setzte Europa Standards, die es über die Verträge mit seinen Anrainerstaaten in das weltweite Völkerrecht einzubringen versuchte. Dieses Vertragswerks zeigte die Richtigkeit des Grundsatzes, dass eine Teillösung nicht genügt; für den kleinräumigen Kontinent ist eine Gesamtlösung erforderlich, bei der alle souveränen Gemeinwesen mit ihren Interessen adäquat berücksichtigt werden. Dennoch gab es im 17. Jahrhundert kein einziges Jahr, in dem nicht irgendwo Krieg herrschte.

Die neue Gleichgewichtsidee als legitimierende Basis der internationalen Politik habe aber den Nebeneffekt gehabt, dass das Heilige Römische Reich deutscher Nation in seiner Gesamtheit immer mehr an die Peripherie gedrückt worden sei („Westfälischer Friede und Internationales System“): „Die Überwachung und Steuerung des Gleichgewichts setzte ein System aufeinander bezogener und rivalisierender Großmächte voraus; da das Reich als Corpus, das vom Kaiser auch sorgfältig von allen internationalen Friedenskongressen ferngehalten worden war, diesen Status aber weder erreichen konnte noch wollte, ist es niemals zu einem mitgestaltenden Teilnehmer des sich formierenden Mächtekonzerts geworden“, so Durchhardt. D.J.

Heinz Duchhardt: „Frieden im Europa der Vormoderne. Ausgewählte Aufsätze 1979 bis 2011“, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2011, 209 Seiten, 34,90 Euro


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