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21.07.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Braune Briefe / Wer wohl hinter dem ESM-Protest der NPD steckt, was EU-Kommissar Barnier noch unterm Hut hat, und wohin Gabriel springt

Endlich ist auch die NPD wach geworden und stürzt sich in die Euro-Debatte. In einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten vergleicht Parteichef Holger Apfel die Zustimmung des Bundestages zum ESM-„Rettungsschirm“ mit dem Ermächtigungsgesetz. Heute wie damals 1933 habe sich das Parlament selbst entmachtet.

Ein NPD-Chef mokiert sich über das Ermächtigungsgesetz von 1933, das ist ja schon an sich ein Witz. PAZ-Autorin Vera Lengsfeld fand aber noch etwas zum Lachen in dem Apfel-Brief. Im Internet-Portal „achgut.com“ wundert sie sich, dass der NPD-Chef seine Eingebung erst verbreitete, als der ESM-Beschluss längst durch war und überdies alle Parlamentarier im Urlaub sind („da schickt der braune Apfel einen Brief in die leeren Bundestagsbüros“). Lengsfeld weist außerdem darauf hin, dass der Vergleich mit 1933 von „Attac“ stammt und von der NPD bloß abgekupfert wurde.

„Was soll das Ganze?“, fragt die Kollegin und hat eine Idee: „Wenn man darüber nachdenkt, fällt auf, dass die NPD-Post geeignet ist, die berechtigten Proteste gegen den ESM zu stigmatisieren. Sollte das der eigentliche Grund für die Aktion gewesen sein? Man wüsste in diesem Zusammenhang doch gern, was die V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD immer noch treiben. Waren sie an der Abfassung des Briefes beteiligt?“

Tatsächlich haben sich etliche Medien unglaublich erregt über diesen Vergleich, nur selten wurde dabei die Urheberschaft von „Attac“ erwähnt. Und seit der NPD-V-Mann-Affäre von 2003 haben wir es ja schwarz auf weiß, dass die braune Szene von oben bis unten mit Verfassungsschutz-Agenten durchsetzt ist.

Daher könnte Vera Lengsfeld also durchaus richtig liegen. Was uns allerdings ziemlich übel aufstößt, ist dieser anklagende Unterton der Autorin. Die Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes ist doch der Kampf gegen Rechts. Und was bedeutet Kampf gegen Rechts? Theoretisch, sozusagen fürs Protokoll, ist es die Abwehr demokratiezerstörender Attacken vom rechtsextremen Rand. Praktisch, also sozusagen für die Wirklichkeit, ist es das Anliegen, bürgerlich-demokratische Positionen von rechts der Mitte in braune Soße zu tunken, damit sie im doppelten Sinne des Wortes unmöglich werden. Genau das hätte der Verfassungsschutz versucht, wenn er hinter der Brief-Aktion stehen sollte! Wir sehen also: Unsere Inlands-Spione tun nur, was ihnen aufgetragen wurde. Alle abweichenden Positionen sind zu schreddern.

Hubertus Heil wird jedenfalls überglücklich sein. Der SPD-Fraktionsvize hatte den FDP-Abgeordneten Frank Schäffler als „Nationalisten“ vom Rand des politischen Spektrums entlarvt, weil der den ESM ablehnt. Leider fiel Heil keine echte Begründung ein für den Affront. Das wird ab jetzt anders: Bei der nächsten Gelegenheit braucht er nur den Apfel-Brief hochzuhalten: „Schäffler, Sie Nazi, Sie liegen ja auf der Linie des NPD-Vorsitzenden!“

Aus dem Loch kommt der liberale Finanzexperte nie mehr raus. Engagierte Medienleute werden nach einiger Zeit vielleicht auf die Formulierung übergehen: „Schäffler, der nationalistische FDP-Rebell, der 2012 gemeinsam mit NPD-Chef Holger Apfel gegen den ESM-Beschluss hetzte.“ Dann ist der Mann politisch tot, der Kampf gegen Rechts um eine Trophäe reicher und der Verfassungsschutz jedes Lob wert.

Schäffler ist nicht der einzige, der aufs Korn genommen wird. Der stachlige Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn sorgt für heftigen Unmut: Sein linker Kollege Peter Bofinger bescheinigt Sinn „Stammtisch-Ökonomie“, wegen dessen Euro-Kritik. „Stammtisch“ ist immer irgendwie „rechts“, womit die Stoßrichtung schon mal klargestellt wäre. Könnte der Verfassungsschutz über eine seiner zahlreichen NPD-Adressen nicht mal einen Brief an alle Bundesabgeordneten schreiben, in dem ein paar gut ausgewählte Sinn-Thesen unterstützt werden?

Das wäre jetzt sehr hilfreich, da womöglich neues Unbehagen ins Haus steht, von dem das Volk aus dem Munde unverantwortlicher Hetzer Wind bekommen könnte. Bekannt ist: Mit der Idee, dass alle Euro-Länder gemeinsam für alle Banken des Euro-Raums haften sollen, ist man erst mal nicht durchgekommen. Schade. Doch so schnell geben sie nicht auf. Der EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier hat schnell einen Alternativplan ausgeheckt. Danach sollen alle 27 EU-Länder nationale Krisenfonds für ihre Banken aufbauen, wie Deutschland es bereits getan hat. Gespeist wird der deutsche Fonds aus Beiträgen der Banken.

Woher die das Geld wohl haben? Zum Teil sicher aus Kürzungen der Einlagenzinsen für ihre Sparer, also vom Bürger. Aber immerhin ist das keine „Bankenunion“, bei der alle für alle haften, also keine neue Schleuse, durch die deutsches Geld unkontrolliert woandershin fließt.

Das jedoch soll laut Barnier anders werden: Zwar sollen die Fonds national bleiben, jeder für sich. „Unter bestimmten Bedingungen“ aber, so Barniers Entwurf, können die nationalen Fonds „gezwungen“ werden, einem anderen Land Kredit zu geben. Und wer „bestimmt“ die „Bedingungen“? Das ist eigentlich keine Frage. Ob in der EU-Kommission, an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) oder wo auch immer: In allen diesen Gremien haben jene Länder die Mehrheit, die solche „Bedingungen“ recht elastisch auslegen.

Als hätten wir’s gewusst: Statt sich von der Bankenunion mit Gemeinschaftshaftung zu verabschieden, hat der EU-Kommissar sie nur unter einem anderen Hütchen versteckt, um sie uns so doch noch unterzujubeln.

Die sind wirklich gerissen, die Jungs. Sie lassen sich allerdings nur ungern erwischen bei ihrem Treiben, seitdem sich die Leute nicht mehr so leicht mit einem „Das wird schon gut ausgehen, macht euch keine Sorgen!“ betäuben lassen. Viele Europäer, die Deutschen zumal, sind nervös und misstrauisch geworden. Daher prasselt die ganze Wut der Euro-Akrobaten auf Leute wie den Sinn nieder, die den duftenden Nebel des blinden Vertrauens umgehend wegpusten, auf dass alle sehen können, was wirklich passiert. Wolfgang Schäuble findet Sinns Machenschaften „empörend“.

Sigmar Gabriel eigentlich auch. Allerdings hat der SPD-Chef die allergrößten Schwierigkeiten, so etwas wie einen eigenen Standpunkt zu finden, weshalb er ständig herumspringt.

Der Reihe nach: Zunächst unterstützte die SPD bekanntlich die Südeuropäer bei ihrem Ringen um einen „Wachstumspakt“, der 130 Milliarden Euro in jene Staaten pumpen soll im Gegenzug für Sparverpflichtungen. Insbesondere Italien, Spanien und Frankreich hatten das gefordert. Die deutschen Sozialdemokraten versprachen dem sozialistischen Präsidenten von Frankreich in Paris, ihrer Kanzlerin damit zu drohen, den ESM platzen zu lassen, falls sie den „Wachstumspakt“ nicht schlucke.

Dann, wir berichteten, erpresste Italiens Monti die Kanzlerin in Brüssel Ende Juni rotzfrech damit, den von ihm selbst geforderten „Wachstumspakt“ seinerseits zu blockieren, wenn sie nicht zustimme, dass der ESM Geld direkt an notleidende Banken überweisen dürfe. Er wusste ja, was die deutsche SPD versprochen hatte, Merkel saß also in der Falle.

Soweit, so übel. Nun aber, da Milliarden auch deutscher Hilfsgelder als Kredit erstmals direkt an spanische Banken gehen sollen, schreit Gabriel auf: „Nicht mit uns!“ Das Geld der Bürger dürfe doch nicht an die Banken gehen, während deren Gläubiger ungeschoren blieben. Zwar hat der Spanien-Deal noch nichts mit dem ESM zu tun. Dennoch wird hier bloß das umgesetzt, was nur durch die Hilfe der SPD und gegen den Willen der Bundesregierung im ESM Gang und Gäbe sein wird. Armer Gabriel: So sieht einer aus, der sich in den Winkeln seiner eigenen Taschenspielertricks verfranzt hat. Ein ziemlich blöder Anblick.


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