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28.07.12 / Im Rausch des Machbaren / Der Mensch kann inzwischen technisch viel realisieren, doch das birgt auch Gefahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Im Rausch des Machbaren
Der Mensch kann inzwischen technisch viel realisieren, doch das birgt auch Gefahren

„Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los.“ Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“ nahm vorweg, was heute die fortschreitende Technisierung und Globalisierung des Lebens auf unserem Erdball prägt: Der Mensch begibt sich immer mehr in die Abhängigkeit der von ihm geschaffenen Technik, die Zivilisation frisst ihre Kinder.

Cyberkrieg, eine virtuelle Schattenwelt, denkende Maschinen, immer mehr perfektionierte Roboter, grenzenlose Information, aber auch Manipulation, Töten auf Knopfdruck mit unbemannten Killerdrohnen, Genveränderungen und Überwachung aus dem All beherrschen – anonymisiert – mehr und mehr den Alltag. Ferngelenkte Maschinenquallen paddeln durch die Ozeane, Tauchroboter sinken bis auf den Grund. Fabrikhallen ohne Arbeiter machen Tausende arbeitslos. Computer beherrschen schon Kinder. Zugleich schwinden die moralischen Bremsen, Tabubrüche, eine nicht fassbare Bedrohung, das mögliche Entgleisen der Technik, wie die atomaren Gaus in Tschernobyl und Fukushima, Havarien von Ölplattformen und Pipe­lines beunruhigen die Bürger, schüren Zukunftsängste, lassen Psychosen blühen.  

Weltuntergangsstimmung und Depressionen sind oft die Folge, eine unsichere und überfordernde Arbeitswelt tut ein Übriges. Es gibt kein Gefühl der Sicherheit mehr. Das angesammelte Vernichtungspotenzial an Waffen würde ohnehin ausreichen, alles Leben auf dem Globus auszulöschen.

Die Suche nach neuen Rohstoff­ressourcen hat längst auch die letzten Überlebenden der früheren Menschenwelt, die indigenen Völker in Dschungeln und auf einsamen Inseln, erreicht. In den Zivilisationen wird der gläserne Mensch durch Datenvernetzung immer spürbarere Wirklichkeit, seine persönlichen Daten werden als Ware gehandelt.

Der Preis für die rasante Ent­wick­lung wird von der Umwelt bezahlt: Müllteppiche auf den Ozeanen, verseuchtes Trinkwasser und kontaminierte Lebensmittel lassen das Bild eines geplünderten Planeten entstehen. Renommierte Wissenschaftler wie der britische Physiker Stephen Hawking ziehen längst eine Auswanderung ins All in Betracht und suchen mit Teleskopen und Raumsonden nach möglichen Lebensräumen für die Spezies Mensch.

Der Einbau von Chips gleich nach der Geburt rückt in greifbare Nähe, der Überwachungsstaat ist allenthalben auf dem Vormarsch und Terroristen liefern dafür die Argumente, schanzen sie Bürokraten und Politikern zu. Selbst ein Schäferstündchen im tiefen Tann kann, wie jetzt geschehen, durch eine Wildüberwachungskamera für unliebsame Folgen sorgen. Einzelne Firmen gingen bereits soweit, auch die Toiletten ihrer Mitarbeiter zu observieren.

Nie zuvor gab es so viele dramatische Neuerungen innerhalb von nur einem Lebensalter wie in unserer Zeit. Als Beispiel mag die Kommunikation dienen: Telefon, Rundfunk, Fernsehen, Fernschreiber, Fax, Bildfunk, Satellitenübertragung, Handy und Internet. Ein Eskimo in seinem Kajak könnte ohne Weiteres mit einem schwarzen Fischer in seinem Einbaum auf dem Kongo telefonieren. Ja, selbst ein Mann auf dem Mond bleibt erreichbar.

Wer sich dieser Techniken bedient, kann selbst geortet, also überwacht, seine Daten gespeichert und vernetzt werden. Andererseits entstand eine neue Art von Kriminalität, wird unser Alltag von Passwörtern, Pins und Codeworten überwuchert. Ein Mensch, der um 1900 geboren wurde, könnte mit der Wirklichkeit von heute kaum mehr klarkommen.

Philosophen, Schriftsteller und Theologen haben längst vergebens gewarnt. Selbst eingefleischte Militärs wie der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, benutzen den Begriff der „entfesselten Welt der Globalisierung“, vom Rausch der Machbarkeit gebläht. Die Entschlüsselung der Gene macht Klone möglich, reizt zur Manipulation des Erbgutes, nicht nur bei Pflanzen, auch beim Menschen. Um trotzdem noch der Herr im eigenen Haus zu bleiben und seine Seele nicht zu verlieren, muss der Mensch dringend lernen, beim Machbaren Grenzen zu setzen. Joachim Feyerabend


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