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28.07.12 / Großzügigkeit rächt sich / Mehrere US-Städte meldeten Insolvenz an, auch weil sie gegenüber Gewerkschaften zu nachsichtig waren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Großzügigkeit rächt sich
Mehrere US-Städte meldeten Insolvenz an, auch weil sie gegenüber Gewerkschaften zu nachsichtig waren

Da die Rezession in den USA immer noch ihre Schatten wirft, brechen US-Kommunen die Einnahmen weg. Viele Kämmerer sitzen auf hohen Schuldenbergen und trotz massiver Einsparungen können sie ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen.

„Was ist das“, wundert sich Lehrerin Phyllis Bower in Los Angeles. „Färbt die Europa-Krise auf uns ab?“ Ihre Sorge hat einen akuten Hintergrund, auch wenn der Euro hieran absolut unschuldig ist. Und wenn auch nicht anzunehmen ist, dass die USA oder der hoch verschuldete Bundesstaat Kalifornien, der sein Budget mit großen Opfern auf allen Gebieten gerade mühsam in den Griff bekommen hat, Pleite gehen, so sind es doch immer mehr kleine Städte, die dem enormen, vor allem durch die Rezession ausgelösten Finanzdruck nicht standhalten können. Innerhalb der letzten drei Wochen haben drei kalifornische Städte Bankrott angemeldet: Der prominente Skiort in der Sierra Nevada Mammoth Lake, die Arbeiter-Stadt Stockton sowie soeben das idyllische San Bernadino in den Bergen nahe Los Angeles. Und auch der 93000 Einwohner zählenden Stadt Compton geht vermutlich Ende September das Geld aus. Vallejo, das schon 2008 der Krise zum Opfer fiel, hat sich durch Umstrukturierungen gerade erholt. Landesweit waren es seit 2007 14 US-Städte, die unter dem US-Insolvenzrecht „Chapter 9“ Schutz suchten.

„Es sieht nicht gut aus“, sagt Michael Pagano, Dekan der Hochschule für Stadtplanung und öffentliche Angelegenheiten an der Universität Chicago. „Und es wird nicht besser werden in den nächsten drei bis vier Jahren. Die Städte müssen neue Wege für ihre Einnahmen suchen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen, sonst geht es immer weiter bergab.“ Als der Stadtrat von San Bernardino vorletzte Woche die Bankrott-Erklärung abgab, hatte die Stadt von 213000 Einwohnern noch ganze 150000 US-Dollar auf ihrem Konto für die nächsten Gehälter ihrer Beamten und 46 Millionen Schulden. Wie ist das möglich?

Während Mammoth Lake sich nur unfähig sah, einem Gerichts­urteil nachzukommen, das die Stadt einem Bauunternehmer für sein erst genehmigtes und dann gestopptes Hotelprojekt Millionen Dollar Schadensersatz zu zahlen hat, sieht Pagano in Vallejo, Stockton und San Bernardino das gleiche fundamentale Problem wie in vielen anderen US-Städten: „Es sind kleinere Arbeiter-Städte mit einer überwiegend armen Bevölkerung und einer veralteten Infrastruktur. Das heißt, sie hatten immer die Steuereinnahmen mit den Ausgaben für die Sozialpolitik zu balancieren. Steuererhöhungen scheitern stets am Veto der Republikaner. In San Bernardino erhalten 40 Prozent der Bevölkerung Sozialhilfe. Dann kam die Rezession ...“

Haupteinnahmequelle für alle Städte und Gemeinden sind die Grundstücks- und Verkaufssteuern. Durch den Zusammenbruch des Wohnungsmarktes mit den ungezählten Zwangsversteigerungen sowie den Rückgang beim Konsum fielen die Steuereinnahmen in den Keller. Viele Geschäfte gaben auf. San Bernardino verlor in der Rezession allein zwölf Autohändler und 2011 insgesamt 16 Millionen Dollar an Steuereinnahmen.

„Früher kam es öfter vor, dass eine Stadt oder Gemeinde durch Misswirtschaft in die roten Zahlen geriet“, sagt Anne Van Praagh, Direktorin der Abteilung für öffentliche Finanzen bei der Ratingagentur Moody’s. „Aber die betroffenen Städte in letzter Zeit haben fast alles richtig gemacht. Da eingespart, wo sie konnten. Und dennoch reichte es nicht.“ Was diese Städte jedoch meist nicht konnten, waren Kürzungen der Hauptausgaben wie Pensionen, Gehälter und Krankenversicherungsbeiträge für ihre Angestellten sowie Reduzierungen im öffentlichen Dienst auch bei Polizei und Feuerwehr. Alle Vorschläge scheiterten am Widerstand der Gewerkschaften. Also musste an Schulen, Bibliotheken oder freiwilligen Sozialleistungen gespart werden. Auch zog sich der Staat aus der Bildung zurück und verlangte von seinen Bürgern mehr Eigenleistung. Zahlten US-Studenten in den 80er Jahren nur einige hundert Dollar im Semester sind es jetzt schnell über 10000 Dollar. Aber all das reichte nicht.

Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown und Los Angeles’ Bürgermeister Antonio Villariagosa  sind beide mächtige Politiker, die eher mit den Gewerkschaften verhandeln können. Und in manchen kleineren Städten gelingt das auch dem Stadtrat. Aber wo nichts hilft, ist das Insolvenzverfahren auch eine Chance: „Chapter 9 bedeutet eine fabelhafte Gelegenheit, untragbare Pensions- und Gesundheitskosten zu regulieren“, erklärt Robert Flanders, Konkursverwalter für das 19000-Seelen-Städtchen Central Falls in Rhode Island an der Ostküste, das im letzten August Bankrott anmeldete. Die Stadt hatte ihre einst blühende Textilmanufaktur verloren und mit ihr die lukrativste Steuereinnahmequelle. Und so konnte sie die unerschwinglich gewordenen Pensions- und Krankenversicherungsbeiträge für ihre Angestellten nicht bezahlen, was pro Jahr zu sechs Millionen mehr Ausgaben als Einnahmen führte und sich am Ende auf ein Defizit von 80 Millionen Dollar summierte. Konkursverwalter Flanders erreichte eine Kürzung der Pensionen um 55 Prozent, was Central Falls wieder auf die Beine brachte, auch wenn es für die Betroffenen hart war.

San Bernardino zog nun seinen Insolvenzantrag zurück, da die Gewerkschaften Gesprächsbereitschaft bekundet hatten. Nun wird verhandelt.            Liselotte Millauer


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