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28.07.12 / Stich ins Wespennest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Stich ins Wespennest
von Vera Lengsfeld

Als ich unlängst vom „Handelsblatt“ gefragt wurde, wie ich das Votum des Bundestages für die Spanien-Hilfen beurteile und ob es nicht ein Ausdruck der Ohnmacht des Parlaments im Angesicht der Krise sei, ahnte ich nicht, dass ich mit meiner Antwort mitten ins politische Wespennest stechen würde.

Ich schrieb: „Das Parlament ist nicht ohnmächtig, es entmannt sich selbst. Wenn Abgeordnete, wie bei der jüngsten ESM-, und Fiskalpaktabstimmung geschehen, über einen Text abstimmen, obwohl er nicht vollständig vorliegt, heißt das, sie nehmen sich selbst nicht ernst. Wenn Abgeordnete zulassen, dass die Regierung Informationen zurückhält, sie auch nach mehrmaliger Mahnung nicht zugänglich macht und das Parlament trotzdem so stimmt, wie die Regierung vorgibt, hat es seine Kontrollfunktion aufgegeben und gleicht immer mehr der Volkskammer der DDR, die nichts zu sagen hatte, als einer selbstbewussten Körperschaft, die sich ihrem Souverän verpflichtet fühlt. Mit der Zustimmung zu den Bankenhilfen für Spanien hat sich der Bundestag erneut zum Abnickorgan der Regierung degradiert. Dafür hätten die Parlamentarier nicht mit viel Steuergeldern aus dem Urlaub geholt werden müssen.“

Kaum war mein Statement auf „Handelsblatt online“ erschienen, brach ein  Sturm los. Mein E-Mail-Konto konnte die  vielen Zuschriften kaum fassen. Bis auf eine waren alle zustimmend. Auf Facebook wurde nicht nur der Artikel vom „Handelsblatt“, sondern auch die Reaktionen in der „Welt“ und der „Süddeutschen“ immer wieder geteilt. Bei „Google News“ war der „Welt“-Bericht unter „Meistgeklickt“ zu finden.

In den Medien überwog natürlich die Ablehnung meines Vergleichs. „Bild“ kürte mich gar zur „Verliererin des Tages“. Ich erfuhr davon durch Leser, die mir ihre Protestmails an „Bild“ zur Kenntnis gaben. Einer schlug vor, „Bild“ solle doch eine Blitzumfrage starten, was die Leser zu meinem Vergleich meinten. Wenn die Reaktionen, die ich bekommen habe, nur annähernd repräsentativ sein sollten, müsste „Bild“ diese Umfrage fürchten, denn ich ginge als Gewinnerin des Tages hervor.

Nun könnte man argumentieren, dass ich populistisch gewesen sei und mein Statement nichts mit der Realität zu tun hätte. Weit gefehlt. Nur einen Tag nach meiner Äußerung wurde bekannt, dass Bundestagspräsident Nobert Lammert, einer der wenigen aufrechten Parlamentarier, die ihre Aufgabe noch ernst nehmen, in einem Brief an Finanzminister Wolfgang Schäuble Zweifel an der  Vollständigkeit der Information des Parlaments über die Zwischenergebnisse der Verhandlungen mit Spanien angemeldet hatte. Inzwischen soll das Finanzministerium versprochen haben, in Zukunft besser zu informieren. Das bedeutet aber, dass die bei der Abstimmung vorliegenden Informationen tatsächlich unvollständig waren und damit die Vorgaben des Verfassungsgerichts, die Parlamentarier stets umfassend zu informieren, missachtet worden sind.

Was soll man von Parlamentariern halten, die einen Skandal, wie die Zurückhaltung von Informationen gegenüber dem Parlament nicht thematisieren, sondern in der Mehrheit brav weiter eine Rettungspolitik unterstützen, von der nur grobe Umrisse bekannt sind? Ich habe nichts von dem, was ich gesagt habe, zurückzunehmen. Wer handelt, als befinde er sich in der DDR-Volkskammer von SED-Gnaden und nicht in einem frei gewählten Parlament, das nur den Wählern verpflichtet ist, nicht einer Regierung, hat verloren.


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