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28.07.12 / Piraten beherrschen die Insel Rügen / Zum 20. Mal führt die Freilichtbühne Ralswiek die »Störtebeker Festspiele« auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Piraten beherrschen die Insel Rügen
Zum 20. Mal führt die Freilichtbühne Ralswiek die »Störtebeker Festspiele« auf

Es ist mal wieder soweit: Störtebeker und seine Vitalienbrüder sind auf Rügen gelandet und beherrschen die Freilichtbühne Ralswiek am Jasmunder Bodden. Nur, dass diesmal Störtebeker im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf verliert: Er wird enthauptet. Das Ende des berühmtesten Seeräubers der Nordmeere ist schon mit einem riesigen Totenschädel auf den Plakaten angedeutet, die zu einem Besuch der „Störtebeker Festspiele 12“ einladen. Denn was wäre Rügen ohne dieses alljährliche Spektakel, das nun zum 20. Mal über die Bühne, von Deutschlands erfolgreichstem Open-Air-Theater geht. Bis zum 8. September steht das Ufer des großen Jasmunder Bodden wieder  im Zeichen der Festspiele, die ganz auf die legendäre Person des Klaus Störtebekers zugeschnitten sind, ein Publikumsmagnet, wie die in jeder Saison gezählten 350 000 Besucher beweisen.

Es liegt eben ein gewisser Reiz in diesem Stoff, der noch lange nicht erschöpft ist, weil Historie und Fiktion sich miteinander vermengen. Was geschichtlich über den Seeräuberhäuptling überliefert ist, hat Matthias Puhle in seinem Buch „Die Vitalienbrüder“ mit wenigen Sätzen zusammengefasst: „Wahrscheinlich aus Wismar gebürtig trieb Störtebeker seit 1394 mit Goedeke Michels sein Unwesen im Bereich von Nord- und Ostsee. Er wurde insbesondere den Engländern schädlich, bis er im Frühling 1401 bei Helgoland von Hamburger England-Fahrern überwunden, mit seinen Genossen gefangen, nach Hamburg gebracht und dort auf dem Grasbrook hingerichtet wurde.“

Also das mit dem Grasbrook stimmt schon mal, aber sonst vermischen sich in dem Spiel Fakten und Fiktion munter miteinander zum sichtbaren Vergnügen der Akteure und der Zuschauer des diesjährigen Spektakels. Nach dem Rezept: Man nehme die Wahrheit, um die Wahrscheinlichkeit glaubhafter zu machen. Die Ralswieker Bühne ist breit genug, um den Handlungsraum zwischen Hamburg und Holland samt Helgoland auf eine Spielfläche zu bringen. Das Spiel beginnt im „Freien Friesland“, das es in Wirklichkeit nie gegeben hat. Wahr ist, dass Störtebeker und Goedeke Michels bei den friesischen Häuptlingen Unterschlupf und Unterstützung fanden, sie mussten dafür Waffenhilfe leisten. Die Hanse aber wollte dem Piratentum Einhalt gebieten, elf Koggen landeten unter Führung des Hamburger Kaufmanns Simon von Ütrecht in Friesland, der im Spiel den Piraten Thomasius gefangen nimmt und ihn nach Hamburg bringt, um ihn auf dem Grasbrook hinrichten zu lassen. So kommt Hamburg ins Spiel, denn Störtebeker will seinen Vitalienbruder befreien. Und nun wird es in diesem harten Spiel romantisch, denn vor dem Hamburger Rathaus trifft Störtebeker auf seine große Liebe Maraike, die von ihm einen Sohn hat. Er bringt sie nach Holland, denn die Holländer bieten den Piraten Schutz und Hafen, weil sie mit der Hanse im Handelskrieg liegen. Damit endet aber auch schon wieder dieses romantische Zwischenspiel, denn Störtebeker will sich an Ütrecht rächen, der sein „Freies Friesland“ in Schutt und Asche gelegt hat. Wie das Piratenstück endet ist bekannt: Nach seiner Gefangennahme bei Helgoland wird Störtebeker auf dem Grasbrook von dem Scharfrichter Rosenfeld geköpft. Wer aber darauf wartet, dass − wie der Sage nach − auf der Ralswieker Bühne der kopflose Seeräuberhäuptling noch an seinen lebenden Vitalienbrüdern vorüber geht, um sie vor der Hinrichtung zu bewahren, der irrt sich: Soweit hat man sich in das Reich der Legenden doch nicht vorgewagt. Schauspieler Sascha Gluth, der wie immer den Klaus Störtebeker gibt und schon fast wie dessen Inkarnation erscheint, dürfte dafür dankbar sein.

Aber sonst ist der Grat zwischen echter und erfundener Geschichte manchmal doch recht schmal. Ob, wie in diesem Stück dargestellt, die Hanse das holländische Herrscherhaus dafür bezahlt hat, Störtebeker an Helgoland mit einem Vertrag zu binden, halten die Historiker für möglich, aber nicht für bewiesen. Fakt ist, dass sich Störtebeker für eine ganze Menge Geld erstmalig Fesseln anlegen ließ. Historie ist, dass Störtebeker allein gegen eine Armada der Hanse kämpft. Fakt ist auch, dass das größte Friedschiff der Hanse, die „Bunte Kuh“, nicht an Störtebekers Festnahme beteiligt war. Legende ist, dass ihm ein Fischer das Ruder seines Schiffes mit Blei vergoss. Aber wer fragt denn schon danach? Es ist wieder mal ein Freilichtspiel entstanden, dass die Zuschauer auf den 8000 Plätzen voll in seinen Bann zieht, denn die aktionsreiche Handlung bietet vielen der 150 Mitwirkenden die Möglichkeit, rasante Kämpfe,  gewagte Stunts und über 5000 pyrotechnische Spezialeffekte zu zeigen. Eine künstlerische Einlage bietet Wolfgang Lippert als singender Barde Abellin mit den Balladen „Intrige“ und „Helgoland“, die von dem Geschehen zwischen den auf der Bühne gezeigten Szenen berichten.

Übrigens: Um Sascha Gluth braucht man sich keine Sorge zu machen, er wird im nächsten Jahr wieder dabei sein, wenn Störtebeker im fünften Zyklus wieder aufersteht – mit Kopf! Denn Störtebeker darf nicht sterben. Jedenfalls nicht, solange die Ralswieker Festspiele seinen Namen tragen. Günther Falbe

„Störtebekers Tod“ vom 23. Juni bis 8. September 2012 jeweils um 20 Uhr auf der Naturbühne Ralswiek auf Rügen. Auskunft: Störtebeker Festspiele GmbH & Co. Kg. Am Bodden 100 in 18528 Ralswiek, Telefon/Fax (03838)  313192, E-Mail: info@stoerte-beker.de, www.stoertebeker.de


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