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28.07.12 / Adenauer – »der Mensch hinter der Legende« / Das Erste Programm und Arte zeigen Szenen eines bedeutenden Politikerlebens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Adenauer – »der Mensch hinter der Legende«
Das Erste Programm und Arte zeigen Szenen eines bedeutenden Politikerlebens

Zwar wurde Konrad Adenauer  in einer ZDF-Umfrage nach dem „besten Deutschen“ 2003 auf Platz 1 gewählt, noch vor Martin Luther und Karl Marx, aber das heutige Wissen in der Bevölkerung um die Person des ersten Kanzlers der Bundesrepublik ist nur bruchstückhaft. Das rührt vermutlich auch daher, dass die deutschen Fernsehanstalten schon etlichen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte erinnernde Porträts gewidmet haben, der „Alte von Rhöndorf“ jedoch bis lang fehlte. Diese Lücke versucht nun der 89-minütige Film „Konrad Adenauer – Stunden der Entscheidung“ zu füllen. Nächsten Dienstag ab 20.15 Uhr ist er auf Arte und am darauffolgenden Sonntag ab 21.45 Uhr im Ersten Programm der ARD zu sehen.

Vor mehr als drei Jahren begann die Gruppe5-Filmproduktion, beauftragt vom federführenden Südwestrundfunk (SWR) sowie vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) und Arte, mit den Arbeiten an dem Projekt. „Konrad Adenauer hat der Außenwelt nur wenige Einblicke in sein Innerstes gegeben. Erst umfangreiche Recherchen und viele Gespräche mit der Familie und weiteren Zeitzeugen gaben Stück für Stück den Blick hinter die Kulissen frei“, beschreibt SWR-Fernsehdirektor Bernd Nellessen die langwierigen Vorarbeiten.

Das Drehbuch schrieb dann in mehrfach abgeänderten Fassungen der für seine rund 50 TV-Dokumentationen mit dem Adolf-Grimme-Preis geehrte Filmemacher Werner Biermann, geboren 1945 und – wie er selbst bekennt – seit den 60er Jahren mit allen Adenauer-Vorurteilen belastet. Doch die Dialoge und die kommentierenden Zwischentexte sind frei davon und erkennbar gebaut, um zügig Zeitgeschichte zu erzählen. Wenn man so will: eine Nachhilfestunde in jüngster Vergangenheit.

Um Adenauer zu zeigen, den gewitzten, kämpferischen Politiker, aber auch den Patriarchen, der noch von den bürgerlichen Idealen des 19. Jahrhunderts geprägt war – Disziplin, Ordnung, Sparsamkeit –, wurde die inzwischen bewährte Form des Dokudramas gewählt. Etwa 60 Prozent des Films sind nachgespielte Szenen, ergänzt durch Archivmaterial (Wochenschau, „Tagesschau“) und Interviews mit Zeitzeugen und Historikern. So kommen unter anderen die Tochter und der Sohn aus Adenauers zweiter Ehe Libet Wehrhahn-Adenauer und Georg Adenauer, der langjährige Dolmetscher Hermann Kusterer, die Historiker Henning Köhler und Frank Bösch sowie der Rudolf-Augstein-Biograf Peter Merseburger zu Wort.

Das Dokudrama beginnt mit einer Szene, wie sie auch Fernsehkrimi-Autoren gern zum Einstieg nutzen: Im Adenauer-Haus im Siebengebirge klingelt am 13. August 1961 morgens um 6 Uhr das Telefon. „Stacheldraht mitten durch Berlin, die Mauer wird gebaut.“ Adenauer ist wie erstarrt. Unfähig zu handeln, lässt er sich erst nach Tagen in Berlin sehen. Nicht nur die Berliner nehmen ihm das übel. Doch „seine“ Hauptstadt ist Bonn, und es ist Wahlkampf. Die Stimmen der West-CDUler sind ihm wichtiger.

Der Film springt zurück ins Jahr 1933, als Adenauer nach 16 Jahren als Oberbürgermeister von Köln von den Nationalsozialisten „aus dem Amt und aus der Stadt“ gejagt wird, und blättert von da an Adenauers „Stunden der Entscheidung“ auf – so auch der Titel des Dokudramas. Kaiserzeit und Weimarer Republik bleiben bis auf wenige Bilder ausgespart. Zu reich ist dieses Leben für knapp eineinhalb Stunden Fernsehen: Im Mai 1945 wird Adenauer für kurze Zeit wieder Oberbürgermeister von Köln. 1946 gründet er die CDU, um den Graben zwischen den Katholiken und den Protestanten zu überwinden. 1949 – Adenauer ist inzwischen 73 – wird er mit einer Stimme Mehrheit, seiner eigenen, zum ersten Bundeskanzler gewählt. Es folgen 17 hochpolitische Jahre, die „Ära Adenauer“. Mit emotionalen Höhepunkten wie Charles de Gaulles Bruderkuss oder dem Besuch bei Nikita Chruschtow und der Heimkehr der letzen Kriegsgefangenen. 1967, also vor nun 45 Jahren, stirbt Adenauer mit 91.

Den Zuschauer wird möglicherweise irritieren, dass die Darsteller wenig Ähnlichkeit mit den Personen haben, die sie spielen, ob nun Adenauer, Ludwig Erhard, Franz Josef Strauß oder Hans Globke. „Finde einer einen so kantigen Kopf wie Adenauer“, sagt Regisseur Stefan Schneider. „Uns ging es nicht darum, eine Art Doppelgänger zu präsentieren, wir wollten den haben, der am besten durch einfühlsames Spiel überzeugt.“ Die Wahl fiel auf den heute 75-jährigen Joachim Bißmeier.

Bei der Pressevorführung vor einigen Tagen in Hamburg war eine Zeitzeugin anwesend, die auch im Film zu sehen ist: Hannelore Siegel, besser bekannt aus damaliger Zeit unter ihrem Mädchennamen Hannelore Poppinga. Von 1958 bis 1966 war sie Adenauers Sekretärin und der gute Geist im Haus in Rhöndorf, „wo bei Buttercremetorte oft politisch grundlegende Entscheidungen getroffen wurden“. Über die Boccia-Leidenschaft des „Alten“ weiß das „Kölsche Mädchen“, wie ihr Chef sie nannte, zu erzählen: „Wir haben es eingerichtet, dass er fast immer gewonnen hat.“

In einer der letzten Szenen des ebenso informativen wie unterhaltenden Films tritt Rudolf Augstein, dargestellt von Johannes Zirner, auf. Der einstige „Spiegel“-Chefredakteur, der sein Blatt immer als „Sturmgeschütz der Demokratie“ verstanden wissen wollte, kommt trotz steter Gegnerschaft zu der Überzeugung: Adenauer sei der größte Politiker gewesen, der ihm je begegnet ist.

„Adenauer hat immer polarisiert. Für die einen ist er ‚Denkmal‘, für die anderen ‚Feindbild‘“ , sagt Regisseur Stefan Schneider. In dem Dokudrama wird Adenauer weder verherrlicht, noch verurteilt. „Wir zeigen den Menschen hinter der Legende.“  Karlheinz Mose


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