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28.07.12 / Mehr als nur eine Stadt / Spannende »Biografie« Jerusalems

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Mehr als nur eine Stadt
Spannende »Biografie« Jerusalems

Von Städten erscheinen eigentlich keine „Biografien“. Diese Literaturgattung ist bekanntlich den Personen vorbehalten. Doch Simon Montefiori, ein renommierter britischer Historiker, sieht das anders. Er schreibt eine Stadtgeschichte aus dem Blickwinkel von Menschen und wichtigen Großfamilien Jerusalems. Im Vorwort bekennt sich der 1965 Geborene dazu, sich im Grunde „ein Leben lang“ auf dieses Werk vorbereitet zu habe. Montefiori stammt aus einer der angesehensten jüdischen Familien Londons. Einer seiner Vorfahren stiftete in Jerusalem die berühmte Windmühle. Alle seine Vorfahren waren irgendwie in die Geschicke der „Heiligen Stadt“ verwickelt, die bis heute im Brennpunkt von politischen Mächten und Religionen liegt.

Dieser persönliche Bezug macht den Historiker jedoch nicht parteiisch. Montefiori beleuchtet in seinem 850 Seiten dicken Werk verschiedene Seiten der Stadtgeschichte. In neun großen Kapiteln erzählt der Autor lebendig die Geschichte der Stadt von ihren Anfängen 1000 vor Christus, als König David die Stadt von den Jebusitern eroberte, über Judentum, Paganismus, Christentum und Islam, weiter zu den Mamelucken und Osmanen bis hin zum Imperialismus des 19. und dem Zionismus des 20. Jahrhunderts.

Einerseits sind Montefiori dabei die Geschichten von Familien gegenwärtig, andererseits setzt er die Geschichte der Stadt in den Zusammenhang politischer Notwendigkeiten. Warum die abgelegene Provinzstadt im Bergland Judäas zum „Zankapfel der Nationen“ wurde, warum sie „Eroberer wie Besucher“ gleichermaßen enttäuschen und quälen kann, versucht der Autor zu vermitteln.

Die Liste der Großreiche, die Jerusalem zu erobern versuchten, ist in der Tat lang: Ägypter und Assyrer, Perser und Griechen, Römer, Araber, Kreuzfahrer, Ottomanen, Franzosen und Briten waren darunter. Montefiori behauptet in einem Interview über sein Buch, dass in Jerusalem sich die Weltgeschichte im Kleinen abspielt. Das ist nicht übertrieben. Was suchen alle diese Menschen in dieser Stadt? Der Autor meint: das Heil. Jerusalem sei der Ort, an dem Gott Adam erschaffen hat, wo Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte und König Salomo den Tempel errichtete. Für die Muslime sei es der Ort, von wo aus Mohammed in den Himmel aufgestiegen sein soll. Für die Christen sei die Stadt der Mittelpunkt der Welt und der Ort, an dem Jesus Christus litt, starb, auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist.

Verblüffend für viele mag sein, dass seit der Zerstörung des großen Tempels in Jerusalem im Jahr 70 durch den römischen Feldherrn Titus immer Juden in diesem Land gelebt haben. Die Legende der Zionisten von ihrer Rückkehr erst im 20. Jahrhundert stimmt so nicht. Inzwischen haben Archäologen, so Montefiori, viele Zeugnisse einer kontinuierlichen jüdischen Besiedlung Jerusalems seit der Zeit Königs Davids ausgegraben.         Hinrich E. Bues

Simon Sebaq Montefiori: „Jerusalem. Die Biografie“, Fischer, Frankfurt a. M. 2011, geb., 850 Seiten, 28 Euro


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