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04.08.12 / Kleiner Grenzverkehr ist geregelt / Sonderdokument für Bewohner Süd- und Ostpreußens − Für Lawrow erster Schritt zum Visaverzicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-12 vom 04. August 2012

Kleiner Grenzverkehr ist geregelt
Sonderdokument für Bewohner Süd- und Ostpreußens − Für Lawrow erster Schritt zum Visaverzicht

Seit zwei Jahre wurde über den Kleinen Grenzverkehr zwischen dem südlichen und nördlichen Ostpreußen diskutiert, viele Konzepte wie das der Fünfkilometer-Zone wurden als äußerst unpraktisch verworfen. Seit dem 27. Juli ist ein Abkommen in Kraft, das den Kleinen Grenzverkehr regelt.

Das Abkommen über den Kleinen Grenzverkehr zwischen einigen Anrainerkreisen Polens und dem Königsberger Gebiet regelt für Einwohner Elbings, Allensteins und der Landkreise Braunsberg, Heilsberg, Bartenstein, Goldap, Angerburg, Rastenburg, Lötzen, Treuburg und Sensburg in der Woi-wodschaft Ermland-Masuren sowie jenen in einigen an der Ostseeküste gelegenen Städten und Kreisen wie Danzig, Gdingen und Zoppot, wie sie von nun an die Grenze an einem der Bahn- oder Straßenübergänge in Beisleiden, Goldap, Rehfeld, Grunau und Braunsberg passieren können.

Das entsprechende Dokument wurde bereits vor einigen Monaten vom russischen und polnischen Parlament genehmigt. Seitdem wurde an seiner Umsetzung gearbeitet. Es war geplant, die Ausstellung der Sonderreisedokumente zum Sommeranfang zu beginnen, doch hat sich der Termin bis zum 27. Juli hingezogen. Von der neuen Regelung des Kleinen Grenzverkehrs werden etwa drei Millionen Russen und Polen profitieren.

Die neue Grenzregelung betrifft Bürger von Drittländern, sofern sie die Voraussetzungen erfüllen. Eine Grundvoraussetzung für die Zuweisung eines gültigen Reisedokuments ist ein fester Wohnsitz im grenznahen Gebiet von mindestens drei Jahren. Das Dokument berechtigt den Inhaber zu wiederholten Reisen in grenznahe Gebiete für 30 Tage, die Gesamtaufenthaltsdauer darf 90 Tagen innerhalb eines halben Jahres nicht überschreiten. Zunächst wird die Einreisegenehmigung mit einer zweijährigen Frist ausgestellt, sie kann um weitere fünf Jahre verlängert werden. Für die Bearbeitung eines Antrags werden 20 Euro Gebühren fällig. Mit dem Kleinen Grenzverkehr sollen soziale, kulturelle, wirtschaftliche und verwandtschaftliche Kontakte beiderseits der Grenze gefördert werden, und er soll den Tourismus vereinfachen. Über das Inkrafttreten des Kleinen Grenzverkehrs gibt es geteilte Meinungen. Königsbergs Bürgermeister Alexander Jaroschuk glaubt, dass er der Wirtschaft in der Exklave schaden wird. Seiner Ansicht nach werden vor allem Kleinunternehmen und Großhändler darunter leiden, dass viele Königsberger lieber nach Polen zum Lebensmitteleinkauf fahren werden, weil dort viele Produkte günstiger und besser seien. Die Sorge des Stadtoberhaupts ist nicht ganz uneigennützig, denn auch seine Firma „Baucenter“, die auf den Handel mit Bau- und Innenausstattungsmaterialien basiert, bezieht einen Großteil der Waren aus Polen. Wenn die Menschen Gelegenheit haben, bei Ikea oder ähnlichen Läden einzukaufen, ist tatsächlich damit zu rechnen, dass die Kaufkraft innerhalb der Königsberger Exklave zurückgeht.

Die polnischen grenznahen Orte rechnen mit einer Belebung durch die Gäste aus dem nördlichen Ostpreußen. Eine wirtschaftliche Belebung der Städte Bartenstein, Braunsberg, Braniewo und Goldap ist schon jetzt zu spüren. Die Grundstücke entlang der Straßen, die in den russischen Teil Ostpreußens führen, werden von Handelsketten gekauft, die dort Geschäfte und Supermärkte bauen wollen. Für die betreffenden Orte bedeutet dies höhere Steuereinnahmen und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit.

In Braunsberg sucht ein Fleischkombinat Verkaufsstellen, aus Bartenstein wollen die schon bestehenden Discounter ihre Läden bald rund um die Uhr öffnen. Laut Umfragen will die Hälfte der Königsberger Einwohner ein grenznahes Visum beantragen. Bereits am ersten Tag hatten 600 Königsberger ihre Unterlagen beim polnischen Generalkonsulat eingereicht.

Unklar ist, wie die Kontrollen des Kleinen Grenzverkehrs sein werden. Nicht immer ist eindeutig, wo man sich gerade befindet. Polen will Verkehrsschilder an den Straßen anbringen. Unklar ist auch, wie unbeabsichtigte Verletzungen der Bestimmungen geahndet werden. Im Falle des vorsätzlichen Verlassens der Zone des Kleinen Grenzverkehrs, so die polnische Seite, kann eine Strafe in Höhe von bis zu 500 Zloty erhoben werden. Wenn jemand wiederholt erwischt wird, droht eine Aufenthaltssperre von sechs Monaten bis zu einem Jahr.

Eine Gefahr für den nicht immer reibungslos funktionierenden Verkehr an der polnisch-russischen Grenze stellen die im Volksmund als „Ameisen“ bezeichneten kleinen Schmuggler dar, die gewöhnlich zwischen den russischen Tankstellen und den Treibstoffabnehmern in Polen pendeln. In der Region mit Polens höchster Arbeitslosenquote ist es für viele die einzige Einkommensquelle. Daher werden sie von den Grenzbeamten mit Nachsicht behandelt. Eine viel akutere Gefahr entsteht dagegen bei den immer wieder unternommenen Versuchen, Zigaretten- oder Alkohol, und vereinzelt auch Drogen in großen Mengen in die EU zu schmuggeln. Dagegen wird immer streng vorgegangen.

Vor kurzem kündigte der russische Außenminister Sergej Lawrow an, dass die Visumpflicht zwischen Russland und der EU bald ganz wegfallen könnte. Der Kleine Grenzverkehr könne als erster Schritt dorthin gewertet werden. J. Tschernyschew/G. Supady


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