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04.08.12 / Stärke ist nicht gewollt / Deutsche EU-Kommissare

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-12 vom 04. August 2012

Stärke ist nicht gewollt
Deutsche EU-Kommissare

Die Tätigkeit eines EU-Kommissars in Brüssel stellt sich aus Sicht der meisten Bundesbürger wohl als guten Job dar, ist sie doch üppig dotiert und versehen mit einem großen Mitarbeiterstab. Nach zwei fünfjährigen Amtsperioden winken ein großzügiges Übergangsgeld und ansehnliche Rentenansprüche. Der langjährige EU-Mitarbeiter, Asienexperte und PAZ-Autor Albrecht Rothacher hat auf der Basis eines gründlichen Quellenstudiums biografische Skizzen der seit 1958 beziehungsweise 1995 in Brüssel beschäftigten 14 deutschen und drei österreichischen EU-Kommissare entworfen. In seinem lesenswerten Buch „Die Kommissare. Vom Aufstieg und Fall der Brüsseler Karrieren“ berichtet er von ihren Aufgabenfeldern und Handelsspielräumen und fragt nach, inwiefern sie die supranationale europäische Rolle adäquat ausgefüllt haben oder ob sie ihre parteipolitische Begeisterung bewahrten. Die informative Lektüre tendiert zu einem plaudernden Erzählton, was die Kurzweil keineswegs schmälert. Auch das Privatleben der elf männlichen und drei weiblichen Kommissare wurde nicht ausgespart. Kritisch, aber, wie er betont, unparteiisch, bewertet der Autor die Arbeit der obersten Brüsseler Akteure, die er großenteils persönlich kennengelernt hat. Mitunter bezieht er sich auf die Stimmen von Politikern.

Seit der Osterweiterung im Jahr 2004 benennt jeder Mitgliedsstaat der EU einen Kommissar. Seither besteht das Kabinett aus 27 Mitgliedern, während es im Jahr 1958 erst neun waren. Die deutschen EU-Kommissare gehörten durchweg einer politischen Partei an. Wer beruft die Kommissare? Der jeweilige Regierungschef, abgesegnet durch einen Kabinettsentscheid. Rothacher ist verwundert und besorgt, weil, wie er meint, aus Deutschland seit 1970 nur Personal aus der zweiten und dritten Reihe zur Besetzung von Posten internationaler Organisationen und dementsprechend zur EU nach Brüssel geschickt worden sei; „oder die in ... amtsmüde gewordene erste Liga (von Dahrendorf bis Oettinger)“. Dies sei weltweit beispiellos, und der Schaden für das eigene Land sei nicht ausgeblieben. Zudem wäre den Kommissaren, auch wenn sie viel geleistet hätten, der Undank des Vaterlands gewiss. Doch habe mittlerweile der „Bazillus teutonicus“, schwache Führungsgestalten nach Europa zu entsenden, fast die gesamte EU befallen und geschwächt. Am Ende fragt sich Rothacher, ob die aktuelle politische Klasse in Europa, die „opportunistisch und überzeugungsfrei den veröffentlichten Meinungstrends hinterherhechelt“, noch zu der überfälligen Reform der EU fähig sei. Er warnt: Das Erbe der Väter darf nicht verspielt werden. Diese Gefahr bestehe angesichts der wachsenden Krisenanfälligkeit der europäischen Volkswirtschaften und ihres Abstiegs, „mit der strukturellen Verarmung unserer Völker im Gefolge“. Dagmar Jestrzemski

Albrecht Rothacher: „Die Kommissare. Vom Aufstieg und Fall der Brüsseler Karrieren“, Nomos, Baden-Baden 2012, kartoniert, 254 Seiten, 44 Euro


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