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11.08.12 / Drogendrehkreuz Warschau / Es fehlt Zeit und Geld für umfassende Kontrollen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Drogendrehkreuz Warschau
Es fehlt Zeit und Geld für umfassende Kontrollen

Ferienzeit ist in Polen traditionell Hochkonjunktur für Drogenkuriere. Durch das Transitland Polen ziehen Ströme von Touristen, die von Brasilien bis Weißrussland reisen und nicht selten verbotene Substanzen mit sich führen. Derzeitige Modedroge ist Khat („Catha edulis“ oder „Abessinischer Tee“), eine euphorisierende Pflanze, deren profitabler Anbau in Ostafrika Kulturen wie Gemüse oder Kaffee verdrängt.

Lückenlose Kontrollen würden zu „wochenlangen Wartezeiten bei der Einreise“ führen, wissen erfahrene polnische Zöllner und Polizisten, die sich auf Stichproben und Drogenhunde verlassen. Allein auf Warschaus Flughafen „Okecie“ werden alljährlich Dutzende Kilo Drogen entdeckt und „2012 könnte ein Rekordjahr werden“, wie es ahnungsvoll heißt. Hinzu kommen andere Flughäfen, Bahnhöfe, internationale Fernstraßen, Postverkehr und sonstige Drogenwege.

Diese Internationalität unterscheidet die aktuelle Drogenszene von ihrer Vorgängerin zu kommunistischer Zeit, die rein „national“ war. 1968 kam sie auf, 1980 diskutierten Polizei und Psychiater darüber, ob in Polen 30000, 200000 oder 600000 Junkies lebten. Auslandskontakte hatten sie nicht, klassische Drogen fehlten, gegen die Beschaffungskriminalität war die Polizei machtlos. Jeder Abhängige war sein eigener Produzent. Eigenbaudrogen („Danziger Heroin“, „Kompott“) waren hochgefährlich, wie 160 und mehr Drogentote im Jahr zeigten. Dagegen stritt der Psychotherapeut Marek Kotanski (1942–2002) seit 1974 mit aggressiven Schriften und seinen Heimen „Monar“, in denen Süchtige in klösterlicher Strenge entwöhnt wurden. Und Kotanskis Erfolgsmethoden werden weiter benötigt, sichtbar an heute 157 „Monar“-Zentren.

Seit August 2010 ist in Polen Drogenbesitz zum persönlichen Gebrauch straffrei. Übermäßiger Drogenbesitz charakterisiert fortan therapierbare Abhängige oder strafwürdige Dealer. Letzteren haben Zoll und Polizei den Kampf angesagt, zumal sie ihre Tricks kennen, etwa massenhafte Briefsendungen aus China, mit denen Grundstoffe für Amphetamine eintreffen, oder Drogenverstecke in der Kleidung, im Auto, Gepäck.

Experten wie Dariusz Loranty und Zbigniew Wroblewski kennen die spezifische Tragik der Drogenkuriere. Drogenbosse aus Somalia und anderen Ländern haben es auf unerfahrene junge Touristen aus Tschechien oder Bulgarien abgesehen. Besonders beliebte Opfer sind Landsleute, etwa von den 600000 Polen in England, deren Reisekasse vorzeitig geleert ist und die nun gern als gut besoldete Kuriere dienen. 2004 rekrutierte man sie per Preisausschreiben und schickte sie nach Lateinamerika, wo sie strandeten und erst gegen Mitnahme von Drogen die Rückreise bezahlt bekamen. Daheim gerieten sie oft an erfahrene Drogenfahnder, die ihre hilflosen Ausreden als „rzniecie glupa“ (Dummstellen) abtun.

Unlängst fanden Zöllner bei einer Bulgarin Kokain im Marktwert von 100000 Euro. Wäre sie durchgekommen, hätte sie ihren Dealern ein „doskonaly interes“ beschert, einen „vollkommenen Reibach“. Die Kehrseite kannte schon Marek Kotanski: Das „jugendliche Image“ jeder Drogenszene rührt daher, dass Süchtige selten älter als 30 Jahre werden. Wolf Oschlies


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