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11.08.12 / Der Würfel Gottes? / Endlich entdeckt: das Higgs-Boson, das »die Welt im Innersten zusammenhält«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Der Würfel Gottes?
Endlich entdeckt: das Higgs-Boson, das »die Welt im Innersten zusammenhält«

Gott würfelt nicht. Mit diesen drei knappen Worten qualifizierte Albert Einstein, Vater der Relativitätstheorie, die Quantentheorie des Nobelpreisträger-Kollegen Werner Heisenberg ab. Der vertrat die These, in der Welt des Allerkleinsten, der Atome und ihrer Bausteine, regiere der Zufall; vorausberechnen lasse sich allenfalls die Wahrscheinlichkeit, mit der dieser oder jener Zufall eintrete. Für Einstein aber kennt die Physik keinen Zufall. Doch Einstein irrte.

Einsteins Universum ist Schöpfung nach göttlichem Plan, und da gelten Mathematik und Naturgesetze absolut. Überall, im Kräftespiel der Galaxien wie der Quarks und Photonen. Doch hier irrte Einstein. Längst haben Experimente eindeutig bewiesen, dass Heisenbergs Quantenmechanik die Welt der Elementarteilchen richtig beschreibt. Oder, um Einsteins Worte aufzugreifen: Gott würfelt eben doch.

Aber womit? Seit Jahrzehnten, genauer gesagt, seit 48 Jahren suchen Physiker in aller Welt nach jenem „Würfel Gottes“ – einem Elementarteilchen, dass es nach allen gängigen Theorien geben muss, dessen Eigenschaften ziemlich genau bekannt sind, das aber noch nie jemand gesehen hat.

Der erste, der es beschrieb, war der britische Physiker Peter Higgs, inzwischen 83 Jahre alt. In einem kurzen Aufsatz, der 1964 erst im zweiten Anlauf zur Veröffentlichung angenommen wurde, vermutete er ein unsichtbares, unspürbares, aber allgegenwärtiges Kraftfeld, das aller Materie erst ihre Masse verleiht. Träger dieser geheimnisvollen Kraft, die frei nach Goethes Faust „die Welt im Innersten zusammenhält“, sollte ein flüchtiges, noch unbekanntes Elementarteilchen sein.

In der Fachwelt wurde die gewagte Theorie zunächst angezweifelt. Doch bald schon merkte man, dass das sogenannte Standardmodell, das den Aufbau der Elemente erklärt, ohne ein solches Teilchen in sich zusammenbrechen würde. Folgerichtig gab man ihm den Namen Higgs-Boson und eröffnete sodann die Jagd.

Die „Waffen“, mit denen man dem elementaren Winzling zu Leibe ging, wurden immer gigantischer. Zuletzt sollte es der neue „Large Hadron Collider“ (LHC) richten, die vom Cern in Genf betriebene „Weltmaschine“ (siehe Artikel unten).

Und Anfang Juli war es dann endlich soweit. Zwar blieb das Teilchen selber weiterhin unsichtbar. Aber in den Experimenten mit der gewaltigen Protonenschleuder 100 Meter tief unter dem schweizerisch-französischen Grenzland hatte es genügend verräterische Spuren hinterlassen: Trümmer, die übrig bleiben, wenn Atomkerne mit 99,9 Prozent der Lichtgeschwindigkeit aufeinanderprallen.

Die offizielle Bekanntgabe des Erfolgs liest sich noch relativ zurückhaltend: „Wir beobachten in unseren Daten deutliche Signale eines neuen Teilchens von 125 Gigaelektronenvolt mit einer Signifikanz von knapp fünf Sigma.“ Im Klartext: Die Auswertung der Spuren von über einer Billion Protonen-Kollisionen deutet mit einer Sicherheit von 99,99994 Prozent auf ein Teilchen mit der Masse eines Cäsium-Atoms hin, genauso wie Higgs es gefordert hatte. Das Rest­risiko, dass es sich doch um ein anderes als das gesuchte Teilchen oder gar um einen Messfehler handeln könnte, liegt bei 0,00006 Prozent.

Die Forscher der beiden Cern-Teams, die das als „Gottesteilchen“ gefeierte Higgs-Boson unabhängig voneinander entdeckt haben, können sich schon auf den Physik-Nobelpreis freuen. Auf den Lorbeeren ausruhen können sie sich nicht: Nun muss geklärt werden, auf welche Weise dieses gespenstische Elementarteilchen der Materie zur Masse, also zur Körperlichkeit verhilft und somit verhindert hat, dass unser ganzes Universum sich unmittelbar nach dem Urknall wieder zerstrahlt und in Nichts aufgelöst hat. Hans-Jürgen Mahlitz


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