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11.08.12 / Gottesteilchen – wozu?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Gottesteilchen – wozu?

Die einen schwärmen vom „Gottesteilchen“, andere fragen: „Zu was brauchen wir das?“ Woran man erkennt: Es ist nicht ganz einfach, die Bedeutung des Higgs-Teilchens richtig einzuschätzen. Natürlich wird seine Entdeckung sich kaum auf den Alltag der Menschen auswirken; das nunmehr bestätigte Standardmodell der Elementarteilchenphysik kann weder die Euro-Krise lösen noch das klägliche Scheitern deutscher Olympia-Schwimmer erklären.

Dennoch hat Großforschung im Grundlagenbereich ihre Berechtigung. Das Streben nach Erkenntnis ist ein Grundzug der Menschheit. Schon im Alten Testament markiert es den Schritt vom Paradies in die raue Wirklichkeit.

Doch je weiter die Menschheit auf diesem Weg voranschreitet, umso komplexer werden auch die Erkenntnisse, die wir anstreben und manchmal gewinnen. So auch im Falle Higgs-Boson: Immer weniger Menschen verstehen überhaupt noch, warum es so wichtig sein soll, dieses Elementarteilchen endlich entdeckt zu haben.

Aber diese Welt, in der wir leben, ist nun einmal kompliziert. So ist es unvermeidlich, dass wir uns immer wieder eingestehen müssen: Das verstehe ich nicht. Daran sind manchmal auch die Wissenschaftler schuld, wenn es ihnen nicht gelingt, uns ihre Erkenntnisse verständlich zu machen. Andererseits gilt in der Wissenschaft wie in der Politik: Wer auf schwierige Fragen allzu einfache Antworten gibt, macht sich verdächtig.

Auch wenn die Funktionsweise des Higgs-Kraftfeldes vielen Menschen genauso unverständlich bleiben wird wie die Quanten- oder die Relativitätstheorie: Ohne dieses Higgs-Teilchen würde es keine Materie geben, also auch uns Menschen nicht! Verstanden? H.J.M.

 

Zeitzeugen

Peter Higgs – Der englische Phy-siker wurde 1929 geboren. Schon als Schüler interessierte er sich für Mathematik und Physik. Seit Ende der 50er Jahre war er als Lehrbeauftragter an verschiede-nen britischen Hochschulen tätig. 1964 schlug seine Stunde: In ei-nem eineinhalbseitigen Aufsatz postulierte er ein das gesamte Universum gleichförmig durch-dringendes Kraftfeld; Träger und Übermittler dieser Kraft sollte ein noch unbekanntes Elementarteil-chen sein. Die britische Fachpres-se schickte ihm das Manuskript zurück – zu phantasievoll und zu unwissenschaftlich! Eine US-Zeitschrift aber griff zu. Damit war das Higgs-Teilchen in der Fachwelt angekommen. Den Nobelpreis, den er eigentlich verdient hätte, erhielt Higgs nie. Immerhin aber durfte er an der Präsentation der Entdeckung am 4. Juli 2012 in Genf als Ehrengast teilnehmen.

Stephen Hawking – Der britische Physiker, geboren 1942 in Oxford, war von 1979 bis 2009 Inhaber des renommierten Lucasischen Lehrstuhls für Mathematik an der Universität Cambridge. Er gilt als einer der bedeutendsten Physiker und Astrophysiker unserer Zeit. In Sachen Higgs aber hat er sich geirrt: Vor einigen Jahren wettete er mit einem Kollegen, dieses Teilchen werde nie gefunden. Als die Erfolgsnachricht aus Genf ihn erreichte, gestand Hawking ein: „Ich habe soeben 100 Dollar verloren.“ Deutlich mehr als diesen Wetteinsatz gönnt er jenen Kolle-gen, die dem Higgs-Teilchen auf die Spur kamen: Sie hätten auf jeden Fall den Nobelpreis verdient.

Albert Einstein – Der 1879 in Ulm geboren Physiker hat Anfang des 20. Jahrhunderts die Relativitätstheorie entwickelt, mit der er die Welt insgesamt physikalisch und mathematisch beschreiben wollte. Das gelang ihm aber nur teilweise: In der Welt der Elementarteilchen gelten andere Gesetze, nämlich die der von ihm abgelehnten Quantenmechanik. Später suchte er nach einer einheitlichen Theorie aller Naturkräfte, allerdings ohne Erfolg. Die aktuellen Forschungsergebnisse am LHC in Genf aber gehen in dieselbe Richtung. Sie könnten zu einer einheitlichen „Theorie für alles“ führen, in der sich Einstein, Haw-king und Heisenberg wiederfin-den könnten – mit ihren so unterschiedlichen Theorien, aber auch mit ihren Irrtümern.


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