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11.08.12 / Draghi im Zwielicht / EZB-Präsident unter Lobbyismus-Verdacht – Tätigkeit bei Goldman Sachs immer noch Thema

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Draghi im Zwielicht
EZB-Präsident unter Lobbyismus-Verdacht – Tätigkeit bei Goldman Sachs immer noch Thema

Bereits zu seinem Amtsantritt als EZB-Chef war Mario Draghi wegen seiner Vergangenheit bei der Investmentbank Goldman Sachs umstritten. Inzwischen sind gegen den Italiener neue Vorwürfe aufgetaucht.

„In der Bankenbranche bestens vernetzt“: Das war eines der Argumente, das bemüht wurde, als an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) der Italiener Mario Draghi statt des ursprünglich vorgesehenen Bundesbankvertreters Axel Weber treten sollte. Ausgerechnet die angepriesene Vernetzung entwickelt sich für Draghi nun zu einem Problem. EU-Ombudsmann Nikiforos Diamandouros hat gegen den EZB-Chef Draghi Ermittlungen eingeleitet. Der erhobene Vorwurf: ein Interessenskonflikt. Zum einen steht Draghi seit November 2011 an der Spitze der EZB, zum anderen ist er aber auch Mitglied einer Lobbyistenvereinigung von hochrangigen Bankvertretern namens G30. Die „Group of Thirty“ ist ein Zusammenschluss führender Bankvertreter, deren Ziel es selbst nach eigenen Angaben ist, Einfluss auf die Entscheidungen im Finanzsektor zu nehmen.

Auf den jährlichen G30-Treffen, die hinter verschlossenen Türen abgehalten werden, sind hochkarätige Vertreter von Investmentbanken wie Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan sowie, wie erst jetzt der Öffentlichkeit bewusst wird, eben auch Mario Draghi anwesend. Mit Hilfe eines Fragenkatalogs, den die EZB bis Ende Oktober beantworten soll, versucht der EU-Ombudsmann Diamandouros nun zu klären, inwieweit Draghi durch seine G30-Aktivitäten in einen Interessenkonflikt geraten ist.

Ins Rollen gebracht wurden die Ermittlungen durch den Verein „Corporate Europe Observatory“, der sich um Transparenz im Wirtschaftsleben bemüht. Kenneth Haar, Vertreter der Organisation, sieht im Falle Draghis einen klaren Interessenkonflikt. „Die EZB nimmt eine immer größer werdende Rolle bei der Bankenregulierung ein. Es sollte uns Sorgen bereiten, dass ausgerechnet ein Mitglied der G30 ihr Chef ist.“ Draghis Mitgliedschaft bei den G30-Lobbyisten ist vor allem mit Blick auf die geplante EU-Ban-kenunion hochbrisant. Künftig sollen die 25 größten Banken der Euro-Zone von der EZB überwacht werden – gleichzeitig ist zu befürchten, dass Vertreter der zu kontrollierenden Banken bei den G30-Treffen mit dem „Privatmann“ Mario Draghi regelmäßig an einem Tisch sitzen.

So unangenehm die Ermittlungen für Draghi momentan auch sein mögen, eine wirkliche Gefahr gehen von den Fragen des EU-Ombudsmanns nicht aus. Ein Sonderbericht an das Europa-Parlament ist schon das wirksamste Instrument, das dem Vertreter von Bürgerinteressen von der EU zugestanden wurde.

Trotzdem kommen die Vorwürfe für Draghi zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Auch seine Vergangenheit bei der Investmentbank Goldman Sachs droht nämlich wieder in den Blick der Öffentlichkeit zu geraten. Der Informationsdienst Bloomberg hat vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klage gegen die EZB eingereicht. Unter Berufung auf das Recht auf Informationsfreiheit wird nichts anderes gefordert, als dass die EZB Dokumente freigibt, die sich mit dem umstrittenen Geschäft zwischen Griechenland und Goldman Sachs befassen. Bisher ist die Herausgabe der Unterlagen zu den damaligen Geschäften, mit deren Hilfe die wahre Verschuldung Griechenlands vor dem Euro-Beitritt verschleiert worden war, von der EZB beharrlich verweigert worden. „Dies hätte die negative Wahrnehmung der griechischen Fähigkeit, seine Schulden zurückzuzahlen, befeuert“, so die etwas gedrechselte Begründung der Anwältin der EZB, Marta Lopez Torres.

Schaden nehmen könnte allerdings vor allem Mario Draghi. Der hat zwar bisher stets behauptet, die anrüchigen Geschäfte wären bereits vor seiner Zeit bei Goldman Sachs eingefädelt worden. Tatsächlich hat Draghi erst im Jahr 2002 seine Arbeit bei der Investmentbank aufgenommen, als die Geschäfte bereits unter Dach und Fach waren. Allerdings war Draghi bis zum Jahr 2006 Chef für das Risiko-Management des Europageschäfts von Goldman. Seine Aufgabe wäre es gewesen, die Entwicklung eben solcher Geschäfte wie mit Griechenland im Auge zu behalten. Da die umstrittenen Verträge erst im Jahr 2005 durch Überwälzen auf die Griechische Zentralbank von Goldman aufgelöst wurden, ist kaum denkbar, dass Draghi überhaupt keine Kenntnis vom trick-reichen Griechenland-Deal gehabt hat, wie er stets behauptet. Sollte er als zuständiger Risiko-Kontrolleur tatsächlich nichts mitbekommen haben, dann wäre „Super-Mario“ zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich eine der teuersten Fehlbesetzungen in der Europazentrale von Goldman Sachs gewesen.

Fast schon als Lappalie im Vergleich zu den Vorwürfen um die Mitgliedschaft bei den G30 und der Vergangenheit bei Goldman Sachs mutet da ein anderes Detail aus dem familiären Umfeld Mario Draghis an: Giacome Draghi – einer der beiden Söhne des EZB-Chefs – ist für die Großbank Morgan Stanley in London tätig. Die Karriere-Plattform „Linked“ weist ihn als „Vice President interest rate trader“ aus. Der Filius sitzt demnach bei der Investmentbank ausgerechnet auf dem sensiblen Gebiet der Zinssatzentwicklung in einer Führungsposition, während sein Vater bei der EZB maßgeblich die Weichen bei der Zinsentwicklung stellt. Norman Hanert


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