20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.08.12 / Ende eines Nationalsymbols

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Ende eines Nationalsymbols

Laut Buchexpertin Beata Chmiel lesen und kaufen Polen nur selten Bücher. Dennoch wird die schlesische Metropole Breslau 2016 Kulturhauptstadt Europas, und das obwohl das hier ansässige Symbol polnischer Nationalkultur „Ossolineum“ seit Wochen in Konkurs ist, fünf Jahre vor dem 200. Geburtstag.

Benannt ist Polens älteste Bibliothek samt Verlag nach Graf Jozef Ossolinksi (1748–1826), „Präfekt“ der Hofbibliothek Wien und 1817 Begründer einer polnischen Buchsammlung, die der Kulturnot nach der Zweiten Teilung Polens, als Russen zum Beispiel die Bibliothek der gelehrten Brüder Zaluski raubten, begegnen sollte. Ossolinksi hatte von Anfang an Glück: Der Wiener Hof billigte sein Konzept einer „bibliotheca patria“ (Nationalbibliothek) und deren Sitz in Lemberg, polnische Mäzene wie Fürst Henryk Lubomirski spendeten museale Sammlungen von Büchern, Manuskripten, Handschriften und Atlanten, was sich bis 1900 zu 110000 Bänden summierte, ganz modern nach Numerus currens geordnet.

1918 wurde Polen Republik und das Ossolineum Symbol dieses Staats, erkennbar 1919 an der „Biblioteka Narodowa“ (Nationalbibliothek), Polens ältester Buchreihe. Seine Bestände erreichten immer neue Rekordhöhen, zumal es ab 1927 das „Pflichtexemplarrecht“ für Polens Printmedien besaß. Das Paradies endete im Zweiten Weltkrieg: Erst entnahmen Deutsche wertvolle Drucke, dann stahlen Sowjets den Rest, und bei Kriegsende musste Ossolineum aus dem nunmehr sowjetischen Lemberg ins nunmehr polnische Breslau flüchten. 1946/47 gaben die Sowjets 210000 Bände zurück, behielten aber die wahren Schätze.

Später gesundete das Ossolineum wieder, nur ist seit 15 Jahren seine Lage „dramatisch mies“, faucht heute Kulturminister Bogdan Zdrojewski: Schlampige Verwaltung und hohe Schulden haben es in die „likwidacja“ getrieben, aus der Minister Zdrojewski wenigstens den Firmenmantel retten will. Wolf Oschlies


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren