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11.08.12 / »Wir danken’s unsrem Führer« / Erwin Schrödinger hat mit der Wellenmechanik das theoretische Fundament der Quantenphysik gelegt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

»Wir danken’s unsrem Führer«
Erwin Schrödinger hat mit der Wellenmechanik das theoretische Fundament der Quantenphysik gelegt

Ihm zu Ehren befand sich sein Abbild auf der österreichischen 1000-Schilling-Banknote. Und wer genauer hinschaute, kann den griechischen Buchstaben „Psi“ für die berühmte Wellenfunktion auf dem Geldschein erkennen. „Für die Entdeckung neuer produktiver Formen der Atomtheorie“ erhielt der am 12. August 1887 geborene Österreicher 1933 den Nobelpreis für Physik.

Erwin Rudolf Josef Alexander Schrödinger studierte 1906 bis 1910 in Wien Mathematik und Physik und habilitierte sich am Wiener Physikalischen Institut. Dort arbeitete er unter anderem mit Franz Serafin Exner, Friedrich Hasenöhrl und Karl Wilhelm Friedrich Kohlrausch zusammen.

Seine „Wanderzeit“, wie Schrödinger die Jahre 1920 bis 1927 bezeichnete, führten ihn nach Jena, Stuttgart, Breslau und Zürich, wo er den Lehrstuhl für Theoretische Physik annahm, den vor ihm bereits Albert Einstein und Max von Laue innehatten.

Aufbauend auf den Theorien von Max Planck, Werner Heisenberg, Albert Einstein und Louis de Broglie zu den Teilchen- und Welleneigenschaften des Lichts entwickelte Schrödinger 1926 seine „Wellenmechanik“ mit der sogenannten Schrödinger-Gleichung, die eine Erklärung für die Bewegungsvorgänge innerhalb der Atome liefert. Beschrieben wird die Wahrscheinlichkeit, mit der die verschiedenen möglichen Positionen eines Teilchens gemessen werden. Schrödinger betrat wissenschaftliches Neuland, weil anstelle der herkömmlichen Begriffe von Ort oder Impuls die Wellenfunktion trat, aus der sich Wahrscheinlichkeitsaussagen sowie Erwartungswerte von Ort und Impuls oder auch zeitliche Schwankungen berechnen lassen. Aufgrund von Schrödingers Leistung konnte zum Beispiel Werner Heisenberg 1927 die Unschärferelation entdecken.

1927 trat er die Nachfolge Max Plancks an der Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, in Berlin an. Die Hauptstadt bot ihm ein sehr gutes wissenschaftliches Umfeld, weil zu dieser Zeit viele Physiker in der Hauptstadt weilten, darunter Albert Einstein, Max von Laue, Lise Meitner und Otto Hahn. Die Tätigkeit in Berlin en­de­te 1933 mit der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten. Die neuen Gesetze der Machthaber betrafen ihn nicht persönlich, dennoch wuchs in ihm die Sorge über die Zukunft. Das Sommersemester lehrte er noch zu Ende.

Die Verleihung des Nobelpreises für Physik 1933 an Schrödinger zusammen mit Paul Dirac begründete der Vorsitzende des physikalischen Nobelkomitees mit der Schaffung einer neuen Mechanik, die auch gültig für die Bewegungen in den Atomen und Molekülen sei. Die Theorie zeige eine einfache Methode für das Studium der Eigenschaften der Atome unter verschiedenen äußeren Verhältnissen und sei somit ein großes Hilfsmittel für die Entwicklung der Physik.

Die Zeit von 1933 bis 1939 erlebte Schrödinger mit seiner Frau als stetigen Wechsel des Wohnortes. In Oxford, wohin er 1933 umgezogen war, lehrte Schrödinger am Magdalen College, bis er 1936 eine ihm angetragene Professur in Graz annahm. Letzteres nannte er „eine beispiellose Dummheit“, weil 1938 der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich erfolgte. Eine Hausdurchsuchung und Verhöre machten ihm ein Verbleiben unerträglich. Zu seinem Glück konnte er an das Dubliner Institute for Advanced Studies wechseln. Die Flucht der Schrödingers führte über Rom, Genf, Zürich und Oxford. Als Exil wollte der Österreicher die Zeit im Ausland aber nicht ansehen, wie er in „Mein Leben“ (1960) schrieb:

„Nie hätte ich ohne das diese immerhin recht entlegene und sehr schöne Insel kennengelernt, nirgends hätten wir den schreck-lichen Nazikrieg so klaglos durchlebt, dass es fast zum Schämen ist. Nicht auszudenken, wenn ich statt dessen 17 Jahre lang in Graz ,das Stroh hätte dreschen‘ sollen, selbst ohne Nazis und ohne Krieg. Oft sagten wir still zu uns selber: ,Wir danken’s unsrem Führer.‘“

Die 16 Jahre am Dubliner Institut waren für Schrödinger eine produktive Zeit, in der er etliche Publikationen verfasste und an einer einheitlichen Feldtheorie arbeitete. In seinem Buch „Was ist Leben?“ (1944) entwickelte Schrödinger zudem die Idee des genetischen Codes.

1931 verriet er einem Journalisten der englischen Zeitung „Observer“, dass ihn die Darstellende Geometrie von der Aufnahme eines technischen Studiums abgehalten habe. Überraschend war auch seine Offenheit, dass er gerne Dichter geworden wäre. Dieser Beruf hätte ihm aber keine Einnahmen beschert und die Theoretische Physik ihm hingegen eine Karriere geboten.

Zum Experimentieren war er nicht geboren, wie Schrödinger während seiner Assistenzzeit bei Franz Exner feststellte. Das war 1913, als er zusammen mit Kohlrausch die durch Gammastrahlung erzeugte Sekundärstrahlung untersuchte.

Erwin Schrödinger offenbarte sich in seinen wenigen autobiografischen Texten als bescheidener und vielseitig interessierter Mensch. Er beschäftigte sich mit den Arbeiten Ernst Machs und führte philosophische Betrachtungen zur Quantenmechanik. Am bekanntesten ist immer noch das grausam anmutende Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ (1935), bei dem quantenmechanische Gesetzmäßigkeiten auf die makroskopische Ebene übertragen werden. Dabei befindet sich in einem geschlossenen Kasten ein instabiler Atomkern, dessen von einem Geigerzähler gemessener Zerfall Giftgas freisetzt und eine ebenfalls im Kasten befindliche Katze tötet. Gemäß der Quantenmechanik befindet sich der Atomkern nach Ablauf der Zeitspanne, in der er mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zerfällt, in einem Zustand der Überlagerung: noch nicht zerfallen und zerfallen. Für die Katze würde das Gleiche gelten: sie ist lebendig und tot zugleich, solange ein Beobachter den Kasten nicht öffnet.

Ab 1956 lehrte Schrödinger am Institut für Theoretische Physik der Universität Wien. Das Interesse an seiner Antrittsvorlesung, die er über „Die Krise des Atombegriffs“ hielt, war derart gewaltig, dass selbst der größte Hörsaal die Menge der Zuhörer nicht aufnehmen konnte.

Erwin Schrödinger starb am 4. Januar 1961 in Wien an Tuberkulose. Als Inschrift trägt das Grabkreuz die nach ihm benannte Gleichung. Ulrich Blode


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