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11.08.12 / Im »Storchenhaus« geboren / 1912 wurde Städtische Frauenklinik Danzig-Langfuhr eingeweiht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Im »Storchenhaus« geboren
1912 wurde Städtische Frauenklinik Danzig-Langfuhr eingeweiht

Im Volksmund wurde die Frauenklinik und die ihr angeschlossene Provinzial-Heb-ammenlehranstalt im Langfuhrer Schellmühler Weg „Storchenhaus“ genannt, weil im Eingangsbau auf dem Türmchen des Mansarddaches weit sichtbar ein metallener Storch thronte. Die Einweihung war ein festlicher Akt mit viel Prominenz. In der Freistaatzeit war die Klinik Staatliche Frauenklinik, nach Kriegsbeginn wurde sie in Gaufrauenklinik umbenannt. 1945 wurde das nahe der Bahnlinie und der Unterführung gelegene Gebäude beschädigt. Mansarddach und Türmchen existieren nicht mehr. Heute nennt sich die Anstalt Institut für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten − Medizinische Akademie. Unter dem ovalen polnischen Staatswappen und dem breiten Schild befinden sich am Eingang drei weitere rote Schilder mit den Inschriften Frauenklinik, Geburtshilfeklinik und − frei übersetzt − Klinik für Fertilisation. Fast alle Danziger Kinder und die aus der näheren Umgebung wurden im „Storchenhaus“ geboren. Auch ich kam 1935 in der Staatlichen Frauenklinik zur Welt. Es war eine schwere Geburt. Erhalten geblieben ist nur meine Taufurkunde, in der es in schönstem Amtsdeutsch auf einem Formblatt heißt: „Nur zum Zwecke der Taufe gütig. Dass dem Elektromonteur Kurt Leitner, evgl. (...) von seiner Ehefrau Helene (...) zu Danzig-Langfuhr, Staatliche Frauenklinik, ein Knabe ist geboren, welchem die Vornamen Wolfgang-Dieter beigelegt sind (...). Getauft in der Staatl. Frauenklinik (...) am 11. August 1935. Ev. Pfarramt der Christuskirche zu Danzig-Langfuhr. [L.S.], Hahn, Pfr.“ Mein Vater hatte sich wohl ein Mädchen gewünscht. Bis zum vierten Lebensjahr lief ich mit einer Mädchenfrisur herum, Ende März 1945 erinnerte er sich nach geglückter Flucht in Kopenhagen daran, dass ich doch ein Junge sei. Als die SS alle wehrfähigen Männer von unserem Schiff auf die vor uns am Kai liegende „Europa“ verfrachtete, sagte er zu mir: „Jetzt bist du der Mann in der Familie.“ Die „Danziger Neuesten Nachrichten“ (DNN) schreiben im November 1937: „Durch günstige Lebensbedingungen hat sich die Geburtenziffer auf einem erfreulich hohen Stand gehalten. 1936 wurden in Danzig 9072 Kinder geboren. Diese Zahl ist wesentlich höher, als alle bisher in der Systemzeit gewesenen. Auf das Tausend der in Danzig lebenden Bevölkerung kommen demnach 22,4 lebend geborene Kinder. Das sind mehr Geburten als im selben Jahr im Deutschen Reich. Danzig ist genau so heiratsfreudig wie sonst; in Danzig werden mehr Kinder geboren als je, und das ist ein wunderbarer Schritt in die Zukunft.“ Die DNN schreiben weiter: „Die für das Jahr 1936 vorliegenden Zahlen der Bevölkerungsbewegung im Freistaat Danzig lassen erkennen, dass eine wesentliche Veränderung bei Eheschließungen, Ehelösungen und Geburten nicht eingetreten ist.“ Die Zahlen der Eheschließungen und Geburten waren 1936 geringer als 1935. Seit 1913 erreichten sie ihre höchste Zahl 1920 mit 5000 Heiraten. 1935 sank sie auf 3678 und ging 1936 auf 3349 zurück. Gestaunt hat man, dass 1936 17 Männer und nur eine einzige Frau über 70 Jahren eine Ehe eingingen. Es gab auch eine bewundernswerte Feststellung, dass heiratsfähige Danziger Männer von 20 bis 25 Jahren eine Frau ehelichten, die 50 Jahre und älter war. Die Gaufrauenklinik wurde 1942 von Professor Dr. med. Joachim Granzow geführt. Oberarzt war Dr. med. Franz Erichsen, Leiterin der Mütter- und Säuglingsstation Oberärztin Dr. med. Maria-Luisa Golombek, Oberin Jeanette Patzig. Weitere Ärzte waren Dr. I. H. Berthold, Dr. Nora Gengelmann, Dr. Heinz Giesenbauer, Herta Hoepke, Gerda Steinbrück sowie die Assistenzärzte Dr. Rudolf Bukowski und Dr. Rudolf Weise. Ältere Danziger werden sich sicher noch an den einen oder anderen der Ärzte erinnern. Sie alle wohnten in der Frauenklinik. In ihr gab es bis zuletzt noch ein Drei-Klassen-System. Auf den Privatstationen der ersten und zweiten Klasse waren täglich vormittags zwei und nachmittags drei Stunden Besuch möglich. Die dritte Klasse musste sich am Sonntag auf anderthalb Stunden beschränken, am Mittwoch und Freitag auf eine Stunde. Dieter Leitner


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