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11.08.12 / Viele Namen, wenig Inhalt / Deutsch-polnische Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Viele Namen, wenig Inhalt
Deutsch-polnische Geschichte

Voluminös ist Hofmanns Buch „Polen und Deutsche – Der Weg zur europäischen Revolution 1989/90“ gewiss, gewichtig nicht. Der Autor, Europa-Experte der „Zeit“ und langjähriger Leiter von deren Berliner Büro, stülpt dem Leser sein in Jahrzehnten gefülltes Archiv über den Kopf: Adenauer und Ulbricht, Volksaufstände in Ost-Berlin und Ungarn, Mauerbau und Prager Frühling, Kalter Krieg und Helsinki-Schlussakte, Brandts Kniefall und Nato-Doppelbeschluss. Von den im Titel verheißenen „Polen und Deutschen“ ist vorerst kaum die Rede, dann zusammenhängend auf knapp 90 Seiten, gefüllt meist mit Altbekanntem: Solidarnosc und Walesa, General Jaruzelski und Kriegsrecht, „polnischer Papst“, die „Querdenker“ Michnik und Mazowiecki, Kontakte der Politiker hüben und drüben: Brandt, Schmidt, Gomulka und

Rakowksi – pedantisch, aber nicht prickelnd, ausgenommen Stories wie die von Margaret Thatcher, die Jaruzelski beschwor: „Herr General, man muss alles tun, damit es nicht zur Vereinigung der Deutschen kommt“, worüber Jaruzelski noch Jahre später lachte.

Wie verschieden Polen und Deutsche waren, hat Hofmann an beider Ansichten zu den USA festgemacht. Für DDR-Dissidenten waren sie Zielpunkt „kritischen“ Misstrauens, für Polen der große Helfer, der die Sowjets „todgerüstet“ hat, und das so sehr, dass Kohl irritiert fragte, ob Polen „die fünfte Siegermacht sei“.

Finde eine repräsentative Figur und hänge an ihr die gesamte Historie auf, so Hofmanns Maxime. „Meine Fixsterne“ nennt er sie, was mit dem verbiesterten SED-Nostalgiker Segert gründlich schiefging, klappte aber mit dem Polen Geremek und überzeugte gänzlich bei General Jaruzelski, an dem der Autor die Tragik Polens exemplifiziert: Hat der das Land 1981 den Sowjets ausgeliefert oder vor einer Aggression der Sowjetarmee bewahrt? Jaruzelski hat immer das Zweite behauptet und Hofmann ist dabei sein glaubwürdiger Verteidiger.

Hofmanns Personenfixiertheit ist zu oft angeberisches Namedropping, hinter dem sein Politikverständnis vielfach unbedarft anmutet: Titos Jugoslawien „Satellit“ Moskaus? – Das Land war der geschworene Gegner der Sowjet-union, was es zum heimlichen Hauptverbündeten von Marschallplan und Nato machte. Sowjetische Besatzungstruppen in Polen, um „Nachschubwege durch die DDR zu sichern“? Was machten 130000 Sowjetbesatzer in der Tschechoslowakei? Deutsche „Carepakete“ für Solidarnosc gab es nie, nur Millionen Pakete einfacher Deutscher an hungernde Polen, als Solidarnosc bereits verboten war. Deutsche vergaßen das längst, Polen behalten es in dankbarer Erinnerung. „Sozialismus in der DDR“? „Sozialismus“ (sagte der Ideologiekritiker Bochenski) „ist wie Gemüse – definieren Sie mal Gemüse!“

Prominente kriegen ihr Fett weg vom „Europa-Experten“ Hofmann. Kohl tritt wie ein „steinerner Gast“ auf, Brandt „vernebelt“ Verdienste anderer, Genscher ist der „ewig misstrauische Mr. Vorsicht“, Schmidt hatte „ein schlechtes Gewissen wegen des Radikalenerlasses“ und so weiter, mitunter ganz witzig.

Das Buch leidet an einer Diskrepanz zwischen hohem Anspruch und dröge dahinplätscherndem Inhalt. Was Hofmann da über Gorbatschow und Kohl ausplaudert („... fragen Sie mich nicht nach Helmut Kohl, kein Wort“), was er über Ost-Berlin, Prag sagt, aus Gesprächen mit Zeitzeugen berichtet, das hätte so weitergehen sollen, dann wäre sein „Journalistenbuch“ ein fesselndes Werk geworden, wo es jetzt an der Mogelpackung vorbeischrammt.

Wolf Oschlies

Gunter Hofmann: „Polen und Deutsche – Der Weg zur europäischen Revolution 1989/90“, Suhrkamp Verlag, Berlin 2011, geb., 504 Seiten, 32,90 Euro


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