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18.08.12 / Ein Blechkleid für die Vespa und fertig war der Laster / Wendig, spartanisch, kultig: Die »Apelino« ist seit fast 65 Jahren das Lieblingsauto des italienischen Pizzabäckers und Lieferanten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-12 vom 18. August 2012

Ein Blechkleid für die Vespa und fertig war der Laster
Wendig, spartanisch, kultig: Die »Apelino« ist seit fast 65 Jahren das Lieblingsauto des italienischen Pizzabäckers und Lieferanten

Mama mia! Der bog aber flott um die Ecke! Von den besseren Wochenmärkten unserer Republik sind sie mittlerweile nicht mehr wegzudenken: die italienischen Dreirad-Kleinlaster der „Vespa“-Firma Piaggio. Auf ihren Zehn-Zoll-Mopedrädchen und mit ihrem charakteristischen Wellblechkasten kommen sie zumeist als fahrbare Kaffee-Automaten knatternd daher, fungieren aber auch als Promotion- oder Cateringmobil, als Hot-Dog-Grill und mobile Bierschenke. Durch ihr sowohl urtümliches wie auch niedliches Aussehen sind sie immer ein Hingucker, oft im modischen Kaffeebraun lackiert oder mit Kaffebohnen beklebt. Und wie der Espresso und das Spaghetti-Eis verkörpern sie italienische Lebensart und wecken Erinnerungen an „Bella Italia“, an Gelati und Coco bello am Strand von Bibione und Jesolo zu einer Zeit, in der in der Adria noch Krebse lebten.

Piaggios „Ape“, die fleißige „Biene“, ist die Vespa („Wespe“) für Lieferanten und südlich des Brenners auch heute noch volkswirtschaftlich von Bedeutung. Im boomenden Nachkriegsitalien 1948 brummte es allerorten, Händler und Handwerker riefen nach Motorisierung, und so kam 1948 Enrico Piaggio mit seinem Kompagnon, dem Flugzeugingenieur Corradino d’Ascanio, auf die Idee, die ein Jahr zuvor geschlüpfte Vespa mit Blech zu umkleiden, und schon war ein preiswerter Laster für Kleingewerbetreibende geboren, unverwüstlich, wendig und sparsam, der in der Lage war, alles Mögliche und Unmögliche zu transportieren.

Die Ape 50, die kleinste, sozusagen die Biene Maja, läuft mit einem 50-Kubikzentimeter-Einzylinder-Motor. Sehr beherrschbare drei PS müssen reichen, es sollen ja keine Rennen, sondern nur Brötchen oder Gemüse gefahren werden. Ist die Ladefläche voll, könnten die vorgesehenen 40 Kilometer pro Stunde nur auf abschüssigem Terrain erreicht werden, aber Rom hat ja sieben Hügel. Doch, Hilfe, Attenzione! Die Kraft der Fußbremse ist wirklich nicht doll, das nichtsynchronisierte Viergangschaltgetriebe zeimlich hakelig, und zu allem Überfluss gibt’s in der Fahrerkabine keine Beleuchtung, nur den Geruch von verbranntem Zweitaktgemisch, man merke sich also die Position der Instrumente, bevor man in der Abenddämmerung lostuckert. Die Sicht ist durch den Lasten-Kasten ohnehin eingeschränkt, aber was soll’s, Santa Maria wird ihre Kinder schirmen. Eine Heizung – Fehlanzeige, wozu auch, die Wärme kommt beim Ärmel hochkrempeln und In-die-Hände-Spucken, außerdem lebt man im sonnigen Süden; der Sitz ist nicht höhenverstellbar, und ein Radio würde nur ablenken. Ein Lenkrad wäre Luxus, und der musste in den Wirtschaftswunderjahren erst erarbeitet werden, also wird mit dem Lenker der Vespa gesteuert, was, so erzählen sich Kenner, einige Fingerfertigkeit erfordert. La dolce vita auf Rädern sieht anders aus – die Konstruktion stammt aus einer Zeit, in der Lkws noch keine rollenden Wohnzimmer waren. Spartanisch, praktisch, gut. Eine richtige „Schese“ eben, wie man halb abschätzig, halb zärtlich im Norddeutschen sagt.

Was der Freude am Fahren allerdings keinen Abbruch tut! Die „Biene“ zieht ganz schön ab, avanti, avanti, jedenfalls fühlt es sich für den Pizza-Fahrer so an, der mit dem nur 1,30 Meter breiten Gefährt, das einen ganz kleinen Wendekreis hat, mühelos auch durch schmale Gassen italienischer Altstädte pest. Mit den Straßenverhältnissen ist man ohnehin mehr auf Du und Du als einem lieb ist, jeder Stoß tausendjährigen römischen Kopfsteinpflasters geht via Direktübertragung ins Kreuz, und auch bei Überstunden wird man mit diesem Gefährt garantiert nie am Steuer einschlafen. Das Gängewechseln erzeugt ein solches Krachen, das man meint, die Kiste fliege einem um die Ohren – aber calmo, die Knatter-Biene ist rustikal.

Und beliebt bis auf den heutigen Tag. In Italien dürfen Halbstarke die „Apelino“ mit 50 Kubikzentimetern schon mit 14 Jahren fahren. Stark frisierte „Bienchen“ mit Sportauspuff und Spoilern gelten unter Jugendlichen als absolut cool und kultig. Die Carabinieri werden das anders sehen ... Auch hierzulande wächst die Fan-Gemeinde, es gibt einige Fahrer-Stammtische und Ape-Treffen und bereits ein Fach-magazin, die „erste und einzige Zeitschrift für den Ape-Fahrer“ unter dem sehr bezeichnenden Titel „Rad ab“ (www.radab-magazin.com), eine Fan-Seite bei Facebook – und dann noch die schier unglaubliche Geschichte einer Reise mit dem Kastenwagen von Hamburg nach Nordportugal innerhalb von drei Wochen mit dem Zweck, nach einer zerbrochenen Liebe auf andere Gedanken zu kommen. Die Netzseite www.la-despedida.com ist eine Augenweide mit atemberaubenden Bildern, und über die halsbrecherische Tour ist ein Buch erschienen.

O bella mia, ich bin so begeistert, ich glaube, ich zieh los und kauf mir auch eine, schwärmt. Christian Rudolf


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