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18.08.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-12 vom 18. August 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Die Mühen der Feigheit / Warum man Erbärmlichkeit besser verstecken sollte, wie Jämmerlichkeit richtig gut tun kann, und wieso man nicht nach Island fragt

Der Chef des Deutschen Ruderverbandes (DRV), Siegfried Kaidel, verspricht, Nadja Drygalla „die sportliche Karriere nicht verbauen“ zu wollen. Wie überaus edel! War es nicht der DRV-Sportdirektor Mario Woldt, der im Verein mit Sportbund-Funktionär Michael Vesper auf die 23-Jährige verbal dermaßen eingedroschen hatte, dass sie unter Tränen zusammenbrach und aus London abreiste? Woher jetzt diese jähe Wende?

Die schneidigen Herren Funktionäre haben ein Problem, unter dem alle Feiglinge leiden: Nicht immer kann man vorher wissen, in welcher Richtung man sich einschleimen muss, um in Sicherheit zu sein. In unübersichtlichen Situationen ist der gemeine Hasenfuß ziemlich arm dran.

Zunächst trieb die Funktionäre die Furcht um, man könnte ihnen Nachlässigkeit mit einer „nazinahen“ Sportlerin vorhalten. Also haben sie das verschüchterte Mädchen so laut vom Hof gejagt, wie sie nur konnten. Jeder sollte sehen, wie mutig und engagiert sie „gegen Rechts“ durchgreifen.

Doch statt Lob und Ehrenmedaille für „Zivilcourage“ antwortete die Heimat erst mit Verwunderung, dann mit Ärger und Abscheu. Das kam völlig überraschend für Vesper, Woldt und den DRV. Es musste nun eilig zurück­gekrochen werden. Also schickte man den Herrn Kaidel vor, um sich als väterlicher Freund und verständnisvoller Verbandschef zu präsentieren, welcher der armen Nadja in so schwerer Zeit Heim und Beistand bietet. Ist es nicht entzückend?

Nein, ist es nicht. Es schadet dem hohen Ansehen des „Kampfes gegen Rechts“, wenn dessen Erbärmlichkeit so offen zu Tage tritt. Wir bitten um etwas mehr Sorgfalt. Andererseits: Das Fräulein Drygalla war auch nicht gerade kooperativ. Sie hätte doch wenigstens mal ein winziges, verdächtiges Zitat hinwerfen können. So aus Jux und unter Zeugen. Irgendwas mit „innerer Reichsparteitag“ beispielsweise, und schon hätten wir sie gehabt. Das mit dem Parteitag war zwar zwischen 33 und 45 ein subversiver Spott gerade gegen die NS-Herrschaft. Aber das könnte man im Notfall übergehen. Ein echter Nazi-Spruch wäre aber noch besser. Beim Münchener Radiosender „Gong 96,3“ rutschte einer Moderatorin die gruselige Auschwitz-Sentenz „Arbeit macht frei“ heraus. Sie fand das komisch. Na ja, könnte man anders empfinden.

„Gong“-Geschäftsführer Georg Dingler ließ der Lapsus zur antifaschistischen Hochform auflaufen. Der Sender, so Dingler, „engagiert sich schon lange gegen Rechts“, und hatte jetzt endlich die Gelegenheit, seinen Mut unter Beweis zu stellen. Die 39-Jährige flog umgehend raus. Und nicht nur sie: Dingler setzte auch deren erst 19-jährige Assistentin vor die Tür. Ihr Vergehen: Sie hatte versucht, aufgebrachte Anrufer mit der Ausrede zu beschwichtigen, die Moderatorin habe das humoristisch gemeint.

Das mit der Assistentin ist ganz wichtig. Die Leute müssen lernen, dass jede Form von Loyalität mit in Ungnade Gefallenen auch für sie selbst den Untergang bedeuten kann. Wer in Stalins Sowjetunion unter die Räder gekommen war, hat dies häufig zuerst nur dadurch bemerkt, dass Kollegen und „Freunde“ ihn plötzlich nicht mehr grüßten. Auf diese Weise macht man die Menschen ganz klein und unendlich furcht- und fügsam. Wenn man ihnen dann noch erfolgreich einredet, dass ihre feige Fügsamkeit in Wahrheit Ausdruck von besonders ausgeprägter politischer „Sensibilität“ und von Zivilcourage ist, fühlen sich die kleinen Würstchen sogar richtig gut in ihrer Jämmerlichkeit.

Wesentlich für die Beherrschung der Menschen ist, dass sie sich, ohne etwas getan zu haben, ständig schuldig fühlen. Nicht etwa im religiösen Sinne mit „Sind wir nicht alle Sünder?“ oder so. Nein, ganz direkt und konkret. An der „Schuld“ kann man sie nämlich jederzeit packen und kleintreten. Die Deutschen sind darin bereits gut geübt, für uns ist „Schuld“ ein moralisches Ehrenkleid, das wir gern bei jeder Gelegenheit durch die Welt flattern lassen.

Gründe fürs Schuldsein gibt es ständig neue. Dabei können einem auch Sachen vorgehalten werden, die man nie im Leben für böse gehalten hätte. Die EU-Kommission droht den Deutschen mit „Sanktionen“, also Strafen, wenn sie nicht aufhören, so erfolgreich zu exportieren. Ein blöder Scherz? Mitnichten! Im kommenden Februar wollen die Eurokraten die Zahlen nochmal nachrechnen. Sollte sich herausstellen, dass die deutschen Firmen wirklich so konkurrenzfähig sind, wie derzeit zu befürchten steht, erwägt Brüssel ein Mahnverfahren. Damit gibt man dem Sünder Gelegenheit, seine Exportstärke „freiwillig“ zu schwächen. Gelingt uns das nicht oder sind wir nicht mal willig, dann setzt es Strafen.

Welche? Da sind wir mal gespannt. Aber irgendetwas muss passieren. Die Sowjetunion hätte ja auch nicht mehr als 70 Jahre gehalten, wenn da jeder Unionsstaat nach Belieben aus der Reihe getanzt wäre! Wie damals gilt auch heute, diesmal in der EU: Wer den Kopf zu weit raussteckt, der wird rasiert. Die glauben wohl, sie seien was Besseres, diese Teutonen, wie?

Damit die Deutschen rechtzeitig kuschen oder aber später die Strafe demütig zahlen, müssen sie zuvor von der Schuldhaftigkeit ihrer Wettbewerbsstärke überzeugt werden. Am effektivsten geht das, indem man Bezüge zum Zweiten Weltkrieg herstellt, und die geistern ja ohnehin längst europaweit durch die Medien, seit der Euro die Europäer näher und näher zueinandergebracht hat.

Das Strafverfahren wird längst nicht das Ende der Fahnenstange markieren. Man hat noch viel mit uns vor. Die Freiheit, im freien Wettbewerb mit anderen zu exportieren, ist ja nicht die einzige, die mit dem Ziel eines Euro-Großreichs kollidiert. Die drei Professoren Peter Bofinger, Jürgen Habermas und Julian Nida-Rümelin haben im Auftrag von SPD-Chef Sigmar Gabriel die Grundlagen für ein SPD-Europaprogramm entwickelt. Danach sollen die deutschen Volksvertreter das Recht, über das Steuergeld ihrer Wähler zu entscheiden, zugunsten einer „strikten gemeinschaftlichen Kontrolle über die nationalen Haushalte“ fahren lassen. Die „Kontrolle“ sollen die Herrscher von Brüssel bekommen, natürlich alles streng demokratisch, versteht sich. Und mit der Kontrolle einher geht selbstredend die „gemeinschaftliche Haftung“ für alle Schulden der Euro-Länder, so die drei.

Damit die Deutschen diese dramatische Entrechtung schlucken, müssen sie sich vermutlich noch viel „schuldiger“ fühlen als heute. Aber wir sind, wie gesehen, ja schon ein ganzes Stück vorangekommen: Wo Feigheit als mutig empfunden wird, da wird Diktatur fast automatisch für Demokratie gehalten.

Echte Demokratie ist ohnehin viel zu risikobehaftet. Sie birgt die Gefahr in sich, dass das Volk anders will als es soll. Daher fordern die SPD-nahen Professoren auch eine „Selbstermächtigung der Politik“. Ermächtigung! Das Wort hätte Nadja Drygalla mal in den Mund nehmen sollen. Dann hätte der arme Vesper wenigstens was in der Hand gehabt.

Die Professoren legen Wert darauf, dass die Entmachtung des Volkes ganz und gar zu unserem Besten, nämlich zu unserem Schutz geschieht. Na, da sind wir doch beruhigt. Und vor wem wollen uns die fürsorglichen Autokraten schützen? Vor den bösen „Märkten“ natürlich.

Da sind die Spekulanten unterwegs, die unser Blut saugen wollen. Denen könne man demokratisch, also, wie sie es ausdrücken, mit der „Illusion fortgesetzter einzelstaatlicher Souveränität“, nicht beikommen. Soll heißen: Entweder ihr akzeptiert eure Entrechtung, oder euch fressen die Wölfe. Aha. Nur Schandmäuler wagen hier zu fragen, wie es denn dann angehen kann, dass das winzige Island mit seiner „fortgesetzten einzelstaatlichen Souveränität“ nach tiefstem Fall so viel besser aus der Krise wieder auferstanden ist als etwa Portugal mit Euro und Rettungsschirm.


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