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25.08.12 / In jeder Hinsicht gescheitert / Bologna-Reform erreicht Gegenteil des Gewollten: Studienabschlüsse nun praxisferner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

In jeder Hinsicht gescheitert
Bologna-Reform erreicht Gegenteil des Gewollten: Studienabschlüsse nun praxisferner

Zehn Jahre nach Einführung des Bachelor-Systems in Deutschland mehren sich die Zweifel. Während Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) die Reform der Hochschulen als „Europäische Erfolgsgeschichte“ sieht, äußern deutsche Hochschulrektoren und Studenten nun massive Kritik. Die wichtigsten Ziele seien nicht erreicht worden.

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, bemängelte, dass der Wechsel an ausländische Universitäten schwieriger geworden und die Bachelor-Abschlüsse nicht wirklich berufsqualifizierend seien. Der Professor für Physikalische Chemie legte mit dieser Kritik seine Hand in eine seit langem bekannte Wunde der sogenannten Bologna-Reform.

Drei Studenten, die von dieser Zeitung befragt wurden, bestätigen die Kritik Hipplers weitgehend. An den Technischen Universitäten in Aachen und Hamburg lasse der enge Zeitplan des Bachelor-Studiums, wo Prüfungen und Klausuren sich durch die gesamten Semesterferien ziehen, meist keinerlei Zeit mehr für die vorgeschriebenen dreimonatigen Praktika. Um praktische Einblicke in das Wirtschaftsleben zu gewinnen, müssen die Studierenden oft genug ein Semester lang pausieren, was wiederum die Studiendauer verlängert. Der universitäre Bachelor-Abschluss gelinge daher in den meisten technischen und ingenieurwissenschaftlichen Fächern erst nach acht oder neun Semestern.

Erzürnt sind Professoren wie Studenten gleichermaßen über die komplizierte Abwicklung der Auslandsaufenthalte. Schwärmte man vor der Einführung der Bologna-Reform noch von einem gemeinsamen „Europäischen Hochschulraum“, so gehen derzeit immer weniger Studenten für ein oder zwei Semester ins Ausland. An der RWTH Aachen scheiterte das Austauschprogramm mit der Universität in Toulouse beispielsweise vor kurzem daran, dass die Franzosen kurz vor Beginn des Studienaufenthaltes der vier ausgewählten Aachener Studenten sich eines anderen besannen und kurzerhand die Studienplätze strichen. Da hatten die Studenten bereits ein umfangreiches Auswahlprogramm, das Verfassen eines Motivationsschreibens und Lebenslaufes sowie diverse Formalitäten im Rahmen des „Erasmus-Programmes“ hinter sich.

Nicht ganz so erfolglos erging es einer Bonner Studentin, die im Fach Geschichte an die Pariser Sorbonne wechseln wollte. Nach der Erledigung zahlreicher Formalitäten, der erfolgreichen Zulassung an der Pariser Universität stellte sich die Bonner Friedrich-Wilhelm-Universität quer. Es sei völlig unklar, hieß es, ob die französischen Punkte tatsächlich in Deutschland anerkannt werden könnten. Trotz dieser Nachricht machte sich die Studentin auf den Weg nach Paris, wo ein winziges Studentenzimmer nicht unter 500 Euro monatlich zu haben ist. Das Risiko, eventuell zwei Semester länger studieren zu müssen und für diese Zeit keine Bafög-Studienförderung zu erhalten, nahm sie in Kauf. Schließlich wurden ihr wegen der sehr guten Studienleistungen in Paris doch noch die entsprechenden Punkte von der Bonner Universität anerkannt.

Gerade von den Auslandsaufenthalten erwarteten die Bologna-Reformer die Erweiterung des kulturellen und sprachlichen Horizontes der Studierenden. Genau dies scheint aber in den verschulten Bachelor-Studiengängen nicht mehr möglich zu sein. Auch der frühere Berufseinstieg, ein anderes Hauptziel von Bologna, kritisierte der HRK-Präsident, werde nicht erreicht. Mit dem „berufsqualifizierenden Abschluss“ des Bachelors könne die Wirtschaft nicht viel anfangen; mit einem Bachelor in Physik sei man „nie im Leben ein Physiker“, so Hippler in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Hinrich E. Bues


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