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25.08.12 / Auf dem Weg zum Gottesstaat / Ägyptische Muslimbruderschaft als neuer Partner der USA – säkulare Kräfte ausgeschaltet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Auf dem Weg zum Gottesstaat
Ägyptische Muslimbruderschaft als neuer Partner der USA – säkulare Kräfte ausgeschaltet

Als sich bei der Stichwahl um die Präsidentschaft Ende Juni ein Sieg des Kandidaten der Muslimbruderschaft Mohammed Mursi abzeichnete, glaubte der Oberste Militärrat (SCAF), der nach der Ausschaltung von Präsident Hosni Mubarak im Februar 2011 die Macht übernommen hatte, gerade noch rechtzeitig die Notbremse gezogen zu haben. Der SCAF unter Führung von Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi erließ ein Dekret, mit dem er sich weitgehende Befugnisse sicherte und dem neuen Präsidenten kaum viel mehr als repräsentative Aufgaben überließ.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Denn am 12. August zeigte Mursi ungeahnte Entschlusskraft: Er annullierte das Dekret und schickte Tantawi und andere Generäle in Pension. Willkommener Anlass war, dass kurz davor Islamisten am Sinai einen Grenzposten überfallen, 16 Personen getötet und versucht hatten, mit geraubten Schützenpanzern nach Israel vorzudringen. Das „blamable Versagen“ der Armee sieht aus der Nähe allerdings etwas anders aus. Denn die Ermordeten waren Grenzpolizisten, sie wurden von den „Islamisten“ beim Gebet überrumpelt, und der Friedensvertrag mit Israel erlaubt nur eine eher symbolische Armeepräsenz im Sinai. Dies, obwohl sich dort immer schon allerlei Gelichter umhergetrieben hat, das sich von Schmugg-lern oder Agenten kaufen lässt.

Juristen streiten zwar, ob Mursis Vorgehen rechtskonform war, und Gerichte könnten alles rückgängig machen. Aber nur theoretisch, denn Mursis „Entschlusskraft“ ebenso wie das Stillhalten von Tantawi und Co. haben eine simple Erklärung: Schon seit Monaten hatte sich abgezeichnet, dass die USA, die einst auf Mubarak und dann auf Tantawi gesetzt hatten, nun auf die Muslimbruderschaft und ihre „Partei für Freiheit und Gerechtigkeit“ setzen. Mitte Juli hatten US-Außenministerin Hillary Clinton und Ende Juli auch Verteidigungsminister Leon Panetta Gespräche mit den Hauptbeteiligten geführt. Und dann kam der richtige „Anlass“ – ob der nur Zufall war, darüber mag man spekulieren.

Unter US-Ägide ist es also zu einem Zweckbündnis zwischen Muslimbrüdern und Armee gekommen – sehr zur Besorgnis der hoffnungslos zersplitterten säkularen Kräfte, die sich vom „arabischen Frühling“ anderes erhofft hatten, und vor allem der Kopten, die sich von den USA verraten fühlen. Die Armee ist insofern gut dran, als sie politisch aus dem Schussfeld ist, weiterhin 1,5 Milliarden Dollar jährlich US-Militärhilfe erhält und ihr Wirtschaftsimperium behält, das gut ein Drittel der Gesamtwirtschaft umfasst. Der Emir von Katar, der heute beim „Kauf“ ausländischer Politiker den Saudis ernsthafte Konkurrenz macht, hatte überdies angeboten, für die 1,5 Milliarden einzuspringen, falls die USA, wie angedroht, die Mittel streichen sollten.

Mursi hingegen, der eine „Republik der Liebe“ versprochen hatte, ist mit dem rauen Alltag konfrontiert. Unter dem Konkurrenzdruck der Salafisten fordern die Muslimbrüder, die ja selbst kein einheitlicher Block sind, „mehr“ Islamisierung. Und Mursi, der sich kürzlich sogar als Moschee-Prediger betätigte, muss trachten, dass er nicht allzu einseitig wirkt: So etwa bleibt der Gaza-Streifen auch weiterhin blockiert, und eben wurden 14 Islamisten, die verbotenen Gruppen angehören, für Anschläge im Vorjahr zum Tod verurteilt.

Die größten Probleme warten jedenfalls im Wirtschaftsbereich, der mit Ausnahme des Öl- und Gassektors unter den Unruhen schwer gelitten hatte. Die Infrastruktur, insbesondere die Stromversorgung, ist in teils desolatem Zustand. Ausländische Investoren sind nach wie vor zurückhaltend, und Kreditangebote gibt es zwar, etwa vom Internationalen Währungsfond sowie von Katar und sogar Libyen. Aber „Wohltaten“ haben eben auch politische Auflagen, die selbst wieder konfliktträchtig sind. Dazu kommt, dass die Ägypter im Durchschnitt 40 Prozent ihres Geldes für Nahrung ausgeben müssen – und dies trotz hoher Subventionen, die wieder eine schwere Belastung fürs Budget sind. Doch am Brotpreis zu rühren hat immer schon Aufstände ausgelöst. R. G. Kerschhofer


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