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25.08.12 / Von einem Extrem ins andere / Südeuropäische Länder, die zuvor Steuersünder gewähren ließen, entwickeln nun kontraproduktive Gier

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Von einem Extrem ins andere
Südeuropäische Länder, die zuvor Steuersünder gewähren ließen, entwickeln nun kontraproduktive Gier

Wer wissen will, wozu Staaten in der Lage sind, wenn ihnen das Geld ausgeht, sollte aktuell nach Südeuropa schauen. Für die deutschen Steuerzahler könnte vor allem ein Blick nach Italien aufschlussreich für die eigene Zukunft sein.

Rund 30000 Boote und Yachten von Italienern sollen es sein, die in diesem Sommer statt an Liegeplätzen an den eigenen Küsten, lieber in Häfen im übrigen Mittelmeer anlegen. Italiens Yachtbesitzer sind in das Visier der Steuereintreiber geraten. Ein im Dezember verabschiedetes Gesetz kann im Extremfall nun Hafengebühren von 700 Euro pro Tag verursachen. Die Folgen des Gesetzes hätte man leicht voraussehen können. Bis zu 15 Prozent der Bootsbesitzer haben sich in diesem Jahr einen Liegeplatz im Ausland gesucht, so dass 200 Millionen Euro an Einnahmen ausgeblieben sein sollen.

Die Entwicklung ist typisch für das, was sich derzeit in den meisten südeuropäischen Krisenländern abspielt. Je leerer die Staatskasse, desto phantasievoller die Ideen für neue Einnahmequellen. Nach Jahrzehnten der weithin geduldeten Steuerhinterziehung werden nun immer neue Steuern aus dem Hut gezaubert. Wahlweise werden Hausbesitzer, Autofahrer oder Unternehmer zur Kasse gebeten.

Wie die Zukunft des Steuereintreibens in Ländern mit mangelhafter Steuermoral aussieht, lässt sich in Griechenland und Italien beobachten. Automatisch als Aufschlag zur Stromrechnung wird in Griechenland mittlerweile die Grundsteuer auf Immobilien erhoben. Wer die Steuer nicht zahlt, riskiert irgendwann im Dunkeln zu sitzen. Als regelrechtes Experimentierfeld neuer Ideen kann aber Italien gelten. „Equitalia“ nennt sich ein privat organisiertes Unternehmen, das auf Provisionsbasis im Auftrag von Finanzämtern Forderungen eintreibt. Wegen ihres rüden Vorgehens hat sich „Equitalia“ inzwischen zu einem regelrechten Feindbild vieler Italiener entwickelt. Die Methoden der Agentur werden nicht nur mit Selbstmorden von Unternehmern in Verbindung gebracht, die in Italien im Frühjahr für Schlagzeilen sorgten. Büros der Gesellschaft sind auch regelmäßiges Ziel von Brandanschlägen, so dass zur Sicherheit der privaten Steuereintreiber inzwischen sogar Militär eingesetzt wird.

Vorreiter ist Italien auch auf dem Weg hin zum Überwachungsstaat. „Serpico“ nennt sich ein Supercomputer, der inzwischen den gesamten italienischen Zahlungsverkehr überwacht. Kommt es beim Abgleich von Kontodaten mit den Datenbanken der Rentenversicherung, Katasterämtern, Kfz-Behörden oder Versicherungsgesellschaften zu Auffälligkeiten, dann werden Steuerfahnder in Bewegung gesetzt, die vor Ort prüfen. Gleich nach dem Start des Programms gingen 518 Besitzer von Flugzeugen und 42000 Eigner von Luxusbooten ins Netz, die angegeben hatten, weniger als 20000 Euro im Jahr zu verdienen und nun erklären müssen, aus welchen Quellen sie ihre kostspieligen Hobbys eigentlich finanzieren.

Ausgebremst wird das Programm noch durch eine Angewohnheit, die auch in Spanien, Portugal und Griechenland weit verbreitet ist: 90 Prozent aller Zahlungen werden in Italien immer noch bar abgewickelt. Um den Überwachungsdruck zu erhöhen, dürfen seit dem 1. Juli Beträge über 1000 Euro nur noch per Kreditkarte, Banküberweisung oder Scheck, aber nicht mehr bar bezahlt werden. Vermieden werden soll damit, was sich derzeit in Spanien abzeichnet. Zwar hat die Regierung durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer zusätzliche Einnahmen von 22 Milliarden Euro einkalkuliert, Steuerexperten rechnen allerdings damit, dass davon 18 Milliarden Euro durch Betrug hinterzogen werden, so die Tageszeitung „El Mercado“.

Ähnlich paradox sieht bislang die italienische Bilanz beim Kampf um mehr Steuereinnahmen aus: Auf 120 bis 130 Milliarden Euro pro Jahr schätzt die italienische Steueragentur mittlerweile die entgangenen Einnahmen durch Steuerhinterziehung. Gleichzeitig wächst der Druck auf diejenigen, die noch Steuern zahlen. „Es gibt eine schweigende Mehrheit, die keine Steuern hinterzieht und die den Steuerdruck von 55 Prozent trägt. In einigen Fällen liegt er sogar noch höher. Unternehmer haben mir von Quoten von bis zu 70 Prozent berichtet“, so der Chef des nationalen Steueramtes, Attilio Befera. Der Druck auf diese schweigende Mehrheit wird in allen Krisenländern immer größer.

Als natürliche Folge wächst die Schattenwirtschaft. Schätzungen der Zentralbanken gehen für Spanien von 23 Prozent und für Italien und Griechenland von 25 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, die mittlerweile komplett am Staat vorbeilaufen. Ähnlich sieht es bei der Kapitalflucht aus. Italiens Notenbank schätzt, dass in den letzten zwei Jahren 300 Milliarden Euro ins Ausland geschafft wurden. Die 66 Milliarden Euro, die durch eine Steueramnestie im Jahre 2009 nach Italien zurück-geholt wurden, dürften damit längst wieder auf Konten außerhalb Italiens liegen. In Verbindung mit dem anhaltenden Wirtschaftsabschwung fallen die Steuerprognosen trotz des zunehmenden Drucks auf die Steuerzahler entsprechend pessimistisch aus. Nachdem Spanien bereits vor einigen Wochen die eigentlich angepeilten Defizitzahlen für das Jahr 2013 einkassiert hatte, hat nun auch Italiens Finanzminister mitgeteilt, dass die Planung für das kommende Jahr nicht mehr zu halten ist. Norman Hanert


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