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25.08.12 / Die Helfer der Grimms / Märchenforscher nennt Namen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Die Helfer der Grimms
Märchenforscher nennt Namen

So phantastisch und unglaublich wie die Märchen der Gebrüder Grimm ist auch ihre Entstehungsgeschichte. Die Brüder Grimm haben die Märchen zwar herausgegeben, aber wer hat sie ihnen zugetragen? Dieser Frage geht der renommierte Märchenforscher Heinz Rölleke in „Es war einmal … Die wahren Märchen der Brüder Grimm und wer sie ihnen erzählte“ nach.

Die Märchen haben sich die Menschen in ganz Deutschland erzählt, als es noch keine Märchenbücher gab – und natürlich kein Radio und kein Fernsehen. Am Abend saßen sie alle nach der Arbeit mit ihren Kindern zusammen und erzählten sich Märchen, die sie irgendwo gehört hatten. Das waren gruselige Geschichten, von Hexen, Zauberern und guten Feen, von Königen und Prinzessinnen, von Riesen und Zwergen, Räubern und Soldaten, aber auch ganz lustige Geschichten, mit vielen Abenteuern, die am Ende aber immer gut ausgehen. Die Grimms waren zwei Professoren, die im 19.Jahrhundert lebten und die anfingen, diese Märchen, die immer nur mündlich erzählt worden waren, zu sammeln und aufzuschreiben. Alle ihre Freunde und Bekannten halfen ihnen dabei und schickten ihnen die Märchen, die sie in ihrer Stadt und in ihrem Dorf gehört hatten. Mehr als 25 der bis vor kurzem noch unbekannten Sammler und Geschichten-Zuträger werden nun in dem kostbaren Bildband erstmals vorgestellt und ihre Märchen in der selten gedruckten Erstfassung aus dem Jahre 1812 veröffentlicht.

Dass Grimms Märchen heute wieder beliebt sind und immer wieder erscheinen oder verfilmt werden, das ist gar nicht so selbstverständlich. Eigentlich sollten sie aus den deutschen Kinderzimmern verbannt werden. Nach 1968 wurde alles unter Generalverdacht gestellt, was irgendwann auch in der Vergangenheit geliebt worden war, vom Volkslied bis zu Wagners Opern. War nicht alles verdächtig, was deutsch war? Waren die Märchen nicht fast alle grausam und düster und geeignet, die Seele eines anti-autoritär erzogenen Kindes zu verwirren und zu verrohen, ja geradezu jugendgefährdend, autoritär, prä-faschistisch?

War der Spott über die faulen Knechte und Kinder und das ständige Lob der Fleißigen, die am Ende belohnt werden, nicht geradezu eine Propaganda für den Kapitalismus? So boten die deutschen Buchverlage, Funkanstalten und Schallplattenfirmen unseren Kindern und Enkelkindern lieber harmlos-albernde Kinderbücher von Räuber Hotzenplotz und Kapitän Blaubart und dem Takatukaland an, und schließlich fanden die 68er im „Gripstheater“ eine eigene Propagandaform, um schon den Kleinsten beizubringen, dass der „Papitalismus putt“ gemacht werden muss. Bis die Stimmung umschlug und die Märchen der Brüder Grimm wieder gedruckt und gelesen wurden.

Heinz Rölleke, der Herausgeber des kostbaren Bandes, hat sich seit Jahrzehnten als Motivforscher einen Namen gemacht und deckt hier überraschende Quellen und Wanderungen der Märchen auf, die natürlich nicht als Urzeugung aus dem „Volk“ heraus entstanden sind, aber vom Volk gehütet und gepflegt und so für die Nachwelt erhalten wurden. Der Illustrator Albert Schindehütte, der in den 60er Jahren als struppiger Bürgerschreck die Aufmerksamkeit der feinen Gesellschaft suchte, hat im Alter eine poetische Farb- und Formensprache für das Buch über die Märchen und ihre Entdecker gefunden. Märchenhaft schön. Klaus Rainer Röhl

Heinz Rölleke (Hrsg.): „Es war einmal … Die wahren Märchen der Brüder Grimm und wer sie ihnen erzählte“, Eichborn, Frankfurt am Main, 480 Seiten, 99 Euro


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