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25.08.12 / Ungleiche Brüder / Albert wagte Widerstand gegen das von Hermann Göring mitgeführte NS-System

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Ungleiche Brüder
Albert wagte Widerstand gegen das von Hermann Göring mitgeführte NS-System

Sie waren zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können: Hermann Göring, im Dritten Reich als Stellvertreter Hitlers mitverantwortlich für die Ermordung von Millionen Juden, und sein jüngerer Bruder Albert Göring, der damals Juden gerettet hat. William Hastings Burke, ein 29-jähriger australischer Wirtschaftswissenschaftler, ist am anderen Ende der Welt aufgebrochen, um die Geschichte des unbekannten NS-Gegners Albert Göring zu recherchieren und zu erzählen. Grundlage seiner Recherche war eine Liste mit 34 Menschen, denen Albert Göring das Leben gerettet hatte: Juden, Nichtjuden, aktive NS-Gegner. Auch Prominente waren darunter: der Komponist Franz Lehár und der österreichische Ex-Kanzler Franz Schuschnigg und ein Mitglied des Hauses Habsburg. Aber Göring hat auch Häftlingen geholfen, die er nicht namentlich kannte, die er zum Beispiel als Bruder des Reichsmarschalls für die Skodawerke verlangte und anschließend fliehen ließ.

Hermann Göring war auch unter den Größen des NS-Regimes eine Ausnahmeerscheinung. Er entstammte im Gegensatz zu den meisten anderen dem Großbürgertum. Sein Vater, Heinrich Göring, hatte 1885 als Reichkommissar den Schutzvertrag der größten deutschen Kolonie Südwestafrika mit den Herero und Nama unterzeichnet und war später Reichsgesandter in Haiti. Seine Kinder wurden allerdings in Deutschland von ihrem Paten, dem Arzt und konvertierten Juden Hermann von Epenstein, auf Schloss Veldenstein im Fränkischen großgezogen. Äußerlich glich Albert mit seinen feinen Gesichtszügen und dem schwarzen Haar gar nicht seinem blonden, blauäugigen, bulligen Bruder Hermann. Da er seinem jüdischen Patenonkel Epenstein angeblich so ähnlich sah, tauchten Gerüchte auf, dass er und andere Geschwister tatsächlich Kinder des Patenonkels Epenstein waren. Beweise dafür gibt es keine.

Als sein Bruder seine Karriere an der Seite Adolf Hitlers begann, arbeitete Albert Göring als Maschinenbauingenieur. Er war ein Feingeist, den schönen Künsten und den Frauen zugeneigte und der die Nationalsozialisten hasste. Um ihnen zu entgehen, wanderte er 1933 nach Wien aus. Dort wurde er österreichischer Staatsbürger. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 verließ er das Alpenland und wurde von einem Freund als Exportleiter zu Skoda im tschechischen Pilsen geholt. Dort unterstützte er tschechische Widerstandsgruppen und verhalf Menschen zur Rettung vor den NS-Häschern. In Prag heiratete Albert Göring 1942 in dritter Ehe die Tschechin Mila, die sein Bruder ob ihrer slawischen Herkunft als „Untermensch“ einstufte, weshalb dieser der Eheschließung fernblieb.

Albert Göring wurde wie sein Bruder bei Kriegsende als Kriegsverbrecher in Landsberg inhaftiert und später an die tschechischen Behörden überstellt. Weil viele seiner ehemaligen Kollegen bei Skoda und andere, denen er geholfen hatte, vor Gericht zu seinen Gunsten aussagten, wurde er im März 1947 freigesprochen und lebte anschließend in München.

Distanzlos feiert Burke auf mehr als 200 Seiten Albert Göring als Helden. Seine Rettungsaktionen werden wie Husarenstreiche beschrieben, obwohl es dabei tatsächlich um Leben und Tod ging. Burke hat keine objektivierende geschichtswissenschaftliche Analyse vorgelegt. Sein Buch endet mit dem Satz: „Ich danke Albert Göring, der meinen Glauben an die Menschheit gefestigt hat.“ In diesem Sinne ist das Buch Ausdruck einer Subjektivität, die sich aus der Faszination des Autors für Albert Göring speist. Grundlage für eine historische Beurteilung ist das Buch nicht. Bodo Bost

William Hastings Burke: „Hermanns Bruder – Wer war Albert Göring?“, Aufbau Verlag, Berlin 2012, geb., 237 Seiten, 19,99 Euro


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