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25.08.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Auf Durchzug / Warum sich Merkel ein bisschen Wahrheit traut, wieso Rösler immer noch flunkert, und wo wir Saddams Waffen gefunden haben

Das können die, die vorn an der Front stehen, am allerwenigsten ab: neunmalkluge Ratschläge aus der gemütlichen Etappe. Wie muss es Angela Merkel genervt haben, als sie in der „Zeit“ lesen musste, was ihr die Grünen-Politikerin Franziska Brantner da schrieb: „Kennzeichnend für die Haltung der politischen Elite ist der Versuch, ein Anwachsen der deutschen Haftungsrisiken hinzunehmen und sie gleichzeitig zu verleugnen.“

Brantner will nicht etwa, dass die deutschen Haftungsrisiken endlich begrenzt werden. Nein, sie findet das ganz toll mit der unbegrenzten deutschen Haftung für die Schulden anderer und fordert von Merkel bloß, dass sie endlich öffentlich zugibt, dass sie das genauso sieht.

Ist die Frau denn wahnsinnig geworden? Gut, Brantner ist Jahrgang 1979 und hat offenbar noch nicht ganz mitbekommen, wie Politik geht. Das können wir ihr ob ihrer relativen Jugendlichkeit nicht vorwerfen und wollen ihr daher ein wenig Nachhilfe erteilen.

Eine politische Operation zerfällt in drei Fragen: 1. Welches Ziel habe ich? 2. Welche Hindernisse erwarten mich beim Streben nach meinem Ziel? 3. Wie räume ich die Hindernisse beiseite? Eigentlich ganz einfach.

1. Unser Ziel: Das Vermögen der Deutschen soll umverteilt werden an die Gläubiger ihrer Euro-Partnerländer. 2. Das Hindernis: Die Deutschen könnten etwas einzuwenden haben gegen ihre Enteignung. Bei 3. kommt Merkel ins Spiel: Sie verspricht den Deutschen unentwegt, dass sie diese Umverteilung niemals zulassen werde, während sie eben diese Verteilung deutschen Vermögens absichtlich geschehen lässt.

Begreift Frau Brantner das nicht? Das „Geschehenlassen“ funktioniert nur hinter der Blendwand des „Verleugnens“. Geschähe die Abzieherei völlig offen, könnte dies zu einer gewissen Unzufriedenheit unter den Deutschen führen, die womöglich in sehr hässliche Szenen mündet.

Oder nicht? In Berlin schleicht sich die Erkenntnis ein, dass die Sache möglicherweise viel weniger gefährlich ist, als man bislang annahm. Es hat den Anschein, als hätten sich die Deutschen in Sachen Euro-Krise die Decke über den Kopf gezogen, auf der steht: „Ich kann es nicht mehr hören!“ Etwas Besseres konnte der „politischen Elite“ gar nicht passieren: Hat die Volksseele erst mal auf Durchzug geschaltet, kann die „Elite“ frei schalten und walten, ohne ständig lügen zu müssen.

Die ersten Versuche verliefen ermutigend. Merkel mag Jens Weidmann nicht, den Bundesbankpräsidenten, weil er sich der Ruinierung von Währung und Finanzen fortwährend in den Weg stellt. Leider konnte sie ihn bislang noch nicht öffentlich abbürsten, weil er die wache Unterstützung der stabilitätsbewussten Deutschen hinter sich wusste. Die aber hocken ja unter ihrer Decke, eine Gelegenheit, die sich Merkel nicht entgehen lassen wollte.

Weidmann ist neben Merkels Gesandtem Jörg Asmussen einer der beiden Deutschen im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Vor ein paar Tagen geschah dort etwas Ungeheures, historisch Einmaliges: Asmussen stimmte mit EZB-Präsident Mario Draghi gegen seinen eigenen Landsmann. Weidmann war vom Donner gerührt und stand da wie ein Idiot, mit dem keiner mehr redet. Auf der folgenden Pressekonferenz setzte Draghi noch eins drauf und gab Weidmann öffentlich der Lächerlichkeit preis.

Beides hatte es noch nie gegeben: dass zwei Vertreter einer Nation gegeneinander stimmen und dass der Chef einer Notenbank (noch dazu derjenigen, deren Land den Löwenanteil aller Kosten und Risiken trägt) öffentlich so gedemütigt wird.

Eigentlich reagiert die Bundesregierung grundsätzlich nicht auf EZB-Ratssitzungen. Doch nach diesem Knall hatte vermutlich ganz Europa erwartet, dass die Kanzlerin eine Ausnahme macht. Tatsächlich hat sich Merkel zu der Sache geäußert. Und wie? Die Kanzlerin ließ verlauten, Mario Draghi genieße das vollste Vertrauen der Bundesregierung. Zu Weidmann sagte sie nichts. Bei ihrer Kanada-Reise ging sie noch weiter und gab Draghi das Einverständnis, dass die EZB schrankenlos Schulden klammer Euro-Länder in ihre Bilanz nehmen darf. Damit werden die Schulden der anderen auch eine Sache der Deutschen, was Weidmann unbedingt verhindern wollte.

Danach hieß es: herumhorchen. Regen sich die Deutschen? Gibt es Protest? Nichts davon: Wir fühlen uns wohl unter unserer Decke und wollen nicht mehr gestört werden. Das Experiment der Kanzlerin ist also gelungen. Bald wird sie Frau Brantners Rat folgen können.

FDP-Chef Philipp Rösler traut sich den Wahrheits-Striptease noch nicht und macht weiter auf Stabilitätspolitiker: Nein, unbeschränkte Solidarität, also unbegrenzte deutsche Haftung für fremde Schulden, werde er nie, nie, nie akzeptieren, faucht der Wirtschaftsminister. Witzig, nicht wahr? In Wahrheit hat Rösler die unbegrenzte Haftung längst akzeptiert, als er den ESM-Vertrag mitbeschloss. Da steht die nämlich drin, ein bisschen verklausuliert zwar, aber unüberlesbar.

Aber das Geld geht ja gar nicht an die großen Gläubiger, sondern an die vielen leidenden Menschen Südeuropas, würden Rösler und Merkel einwenden. Und der Wirtschaftsminister weist ja auch darauf hin, dass das unsere Exportmärkte sind.

Darauf hat der slowakische Politiker Richard Sulík eine interessante Antwort gefunden: Es sei doch ziemlicher Schwachsinn, dass ein Land seinen eigenen Export durch Geldüberweisungen an die Importeure selbst finanziere. Stattdessen sollte man die Autos doch gleich an die Deutschen verschenken.

Sachlich hat er natürlich recht, wo aber bleibt hier die Solidarität in einem sozialen Europa? Sozial ist, was der Nachbar zahlt, das weiß auch François Hollande. Daher hat sich der französische Präsident ein paar Steuern einfallen lassen, die nur die Nachbarn zahlen müssen. Ausländer, die ein Haus in Frankreich besitzen, sollen von ihren Mieteinnahmen statt wie bisher 20 künftig 35,5 Prozent an Paris abführen. Das trifft vor allem 200000 Briten mit Immobilien südlich des Kanals, die jetzt ziemlich sauer sind.

Während Ausländer zünftig weggeekelt werden im „zusammenwachsenden Haus Europa“, sollen die Inländer am besten gar nicht mehr wegfahren. Spaniens Tourismusminister José Manuel Soria hat seine Landsleute aufgerufen, nur noch in Spanien Urlaub zu machen. Was für die Urlauber enpfohlen wird, ist für Europas Studenten längst Realität: Seit Einführung der EU-einheitlichen Studienabschlüsse geht die Zahl der Studenten, die auch mal eine Zeit ins europäische Ausland gehen, drastisch zurück (siehe Seite 5).

Merkwürdig: Je „mehr Europa“ wir bekommen, desto mehr werden die Völker von einander abgeschottet. Vereint sind wir nur noch im gemeinsamen Leiden unter EU-Normen wie dem Glühbirnen-Verbot am 1. September.

Es ist wie im Knast: Alle sitzen Wand an Wand im selben Gebäude, aber jeder in seiner Zelle. Kontakt oder gar Gemeinsamkeiten gibt es kaum. Und wenn sich die Häftlinge auf dem Gang begegnen, machen sie sich nach Kräften gegenseitig die Taschen leer. Nur die Glühbirnen, die werden alle gleichzeitig abgeschaltet.

Wenigstens herrscht Frieden in Europa. Das ist keine Selbstverständlichkeit: In Syrien soll es jetzt sogar biologische und chemische Waffen geben, sagt Barack Obama sichtlich erschüttert. Kennen wir die Geschichte nicht irgendwoher? Ja sicher doch, 2003, Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen! Die waren der offizielle Kriegsgrund und wurden dann später peinlicherweise nie gefunden. Nun haben Experten ermittelt, warum man das Teufelszeug nicht aufspüren konnte: Es wurde kurz vor Kriegsausbruch nach – na? wohin wohl? – Syrien gebracht! Klingt verdammt nach kaltem Kaffee, aber der kann bekanntlich ewig herumstehen, ohne schal zu werden.


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