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01.09.12 / Ukraine vor der Richtungswahl / Russisch als regionale Amtssprache durchgesetzt − Diskussion um Föderalismus-Reform spaltet das Land

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-12 vom 01. September 2012

Ukraine vor der Richtungswahl
Russisch als regionale Amtssprache durchgesetzt − Diskussion um Föderalismus-Reform spaltet das Land

Am 28. Oktober wählen die Ukrainer ihr neues Parlament. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Präsident Janukowitschs „Partei der Regionen“ mit der Opposition kündigt sich an. Julia Timoschenko gilt immer noch als prominenteste Oppositionsführerin, doch neben ihr treten neue politische Akteure auf. Experten sprechen von einer bevorstehenden Richtungswahl, welche das Land zu spalten droht.

In den Umfragewerten spiegelt sich die Unzufriedenheit der Ukrainer mit ihrer Regierung wider: Die Werte sinken stetig. Fehlende Arbeitsplätze, die schwächelnde Wirtschaft, Korruption und das rigide Vorgehen gegen Oppositionelle sind Themen, die den Menschen am meisten auf der Seele brennen.

Julia Timoschenko rüstet als derzeit prominenteste Oppositionspolitikerin aus dem Gefängnis heraus noch einmal zum Kampf. Obwohl sie nicht zur Wahl zugelassen wurde, ist sie die Galeonsfigur der vereinigten Opposition „Vaterland“. Sie ruft zum Sturz Janukowitschs auf. Die Umfragewerte beider Lager liegen zurzeit bei 25 Prozent. Ob es zum Sturz des Präsidenten kommt, hängt von den Kandidaten der übrigen Parteien − und dem Einfluss von außen − ab. Der ukrainische Soziologe Jewgenij Kopatko hält den Einzug von vier bis fünf Parteien ins Parlament für möglich: Janukowitschs „Partei der Regionen“, Timoschenkos Bündnis „Vaterland“, Klitschkos „Udar“-Partei, die Viktor Juschtschenko nahestende „Unabhängige Ukraine“ und Natalja Korolewskas Partei „Ukraine vorwärts“.

Boxlegende Vitalij Klitschko genießt, nicht zuletzt, weil er finanziell unabhängig ist, Vertrauen in der Bevölkerung. Er könnte laut Umfragen elf Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Zur Opposition hielt er stets Distanz, Kritiker werfen ihm allerdings vor, dass er bei wichtigen Entscheidungen immer die Position der Regierung unterstütze. Fraglich ist bis jetzt, welche Rolle die aus der Ukrainischen Sozialdemokratischen Partei (USPD) kommende 37-jährige Politikerin Natalja Korolewska spielt. Viele halten sie für einen unglücklichen Versuch, Timoschenko zu kopieren. Ihr wird vorgeworfen, dass sie von denselben Leuten finanziert wird wie die Regierungspartei. Die Tatsache, dass über Nacht das ganze Land mit Wahlplakaten mit dem Konterfei der schönen Ukrainerin übersät war und sie oft im Fernsehen zu sehen ist, spricht für das Gerücht, dass der Oligarch Rinat Achmetow zu den Geldgebern zählt. Der Politologe Wladimir Fessenko glaubt, dass einflussreiche Geschäftsleute sich auf die Popularität Korolewskas verlassen, um der Opposition Stimmen zu entziehen. Korolewskas politische und geschäftliche Kontakte als ehemalige Gebietspolitikerin von Lugansk wollte sich auch der Block Julia Timoschenko (BJuT) zunutze machen. Über die Timoschenko-Liste wurde Korolewska 2007 ins Parlament gewählt. Sie zählte schon damals zu den zehn reichsten Menschen der Ukraine. Im März dieses Jahres wurde sie aus der Partei ausgeschlossen. Man warf ihr vor, mit Janukowitschs Umgebung zu paktieren. Seitdem geht Korolewska eigene Wege. Die USPD erhielt den Namen „Ukraine vorwärts“. Ihre Chancen liegen bei fünf Prozent Stimmenanteil. An Korolewskas Seite kandidiert der prominente Fußballer Andrej Schew-tschenko.

Größere Bedeutung für die Einheit der Ukraine als neue Parteien dürfte nach der Beilegung des Sprachenstreits die Forderung der Regionen nach mehr Unabhängigkeit haben. Als am 3. Juli das ukrainische Parlament grünes Licht für die Zulassung der russischen Sprache als regionale Amtssprache gab, hatten nur Tage später bereits 13 Regionen, fast die Hälfe der Ukraine, Russisch als Amtssprache eingeführt. Während die Verabschiedung des Sprachengesetzes aus Sicht der EU ein Fortschritt ist, da es der Europäischen Charta für Regionalsprachen und Minderheitenrechte entspricht, polarisiert das Thema die Ukraine. Viele fürchten eine schleichende Russifizierung, die das Land entlang der Sprachengrenze zwischen West- und Ostukraine zu spalten droht.

Einige Regionen fordern nun auch größere politische Unabhängigkeit. Viktor Medwedschuk von der Bürgerbewegung „Ukrainische Wahl“ hatte vor kurzem einer Expertengruppe in Kiew vorgeschlagen, über die Ukraine als Föderation zu beraten; an deren rundem Tisch nahm er dann jedoch nicht teil, weil er auf der Krim mit seinem alten Bekannten Wladimir Putin verabredet war. Kiewer Experten gehen davon aus, dass die Föderalismus-Diskussion von russicher Seite angeschoben wurde. Der Politologe Dmitrij Taran ist überzeugt, dass Putin über Medwedschuk versucht, Janukowitschs Mannschaft zu schwächen, damit er auf die ukrainische Politik Einfluss nehmen könne.

Die Krim dient beiden Ländern als Druckmittel. Erst im Frühjahr hatte Janukowitsch einer Verlängerung des Vertrags über die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte gegen ein Entgegenkommen beim Gaspreis zugestimmt. Das Damoklesschwert einer Separatismusbewegung auf der Krim schwingt dabei mit und die damit verbundene Furcht Janukowitschs, dass andere Regionen angesteckt werden könnten. Putins Drängen nach einer Beteiligung der Ukraine an der Eurasischen Union zeigt erste Erfolge: In Mos-kau führte der ukrainische Minister für Wirtschaftsentwicklung Andrej Slepnjow Gespräche mit Vertretern der Euroasiatischen Wirtschaftskommission, bei denen es um eine Zusammenarbeit mit der Ukraine ging. M. Rosenthal-Kappi


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