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01.09.12 / Praktizierte Rückkehr-Ökumene / »Damit sie alle eins seien« (Joh. 17, 21): Evangelischer Pfarrer wird aus Überzeugung katholisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-12 vom 01. September 2012

Praktizierte Rückkehr-Ökumene
»Damit sie alle eins seien« (Joh. 17, 21): Evangelischer Pfarrer wird aus Überzeugung katholisch

„Credo in unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam“: Diesen Satz aus dem Großen Glaubensbekenntnis der heiligen Messe wird der ehemalige protestantische Pfarrer Andreas Theurer bald aus ganzer Seele mitbeten können. Ein jahrelanger Prozess brachte ihn zu der Erkenntnis, dass in allen strittigen Themen die katholische und nicht die protestantische Lehre mit dem biblischen Zeugnis übereinstimmt. Die reformatorische Kirchenspaltung wolle er nicht aufrechterhalten. Die Konsequenzen für ihn sind unangenehm.

Der Fall wirbelt in Süddeutschland derzeit viel Staub auf und wird sogar von ausländischen Medien berichtet. Zum ersten Mal seit 30 Jahren verlässt ein evangelischer Pastor die württembergische Landeskirche, um zusammen mit seiner Frau, einem bekannten Mitglied der Landessynode, in die katholische Kirche überzutreten. Was bewegte Andreas Theurer zu diesem Schritt, der für ihn und seine Familie erhebliche existentielle Gefährdungen mit sich bringt?

Vor drei Wochen hatte Pastor Theurer ein Buch mit dem Titel „Warum werden wir nicht katholisch?“ veröffentlicht. In diesem Buch behandelte er einige theologiegeschichtliche Fragen, die vor allen Dingen in der Reformationszeit zum Zankapfel geworden waren. Es geht um solche schwierigen Fragen wie das Verhältnis von „Schrift und Tradition“, die Stellung des Papstamtes und die Heiligenverehrung. Am Ende des Buches stellt der 45-Jährige fest, dass diese alten Fragen nicht mehr kirchentrennend sein müssen und daher eine Wiedervereinigung der seit 500 Jahren getrennten Kirchen möglich ist.

Kaum war dieses Buch erschienen, das im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 eine neue Diskussion anstoßen wollte, wurde Andreas Theurer zu seinem Oberkirchenrat zitiert und nach einem sehr kurzen Gespräch von seiner Tätigkeit als Gemeindepfarrer mit sofortiger Wirkung suspendiert. Er habe mit seiner Schrift die Basis des „evangelischen Bekenntnisses“ verlassen, hieß es. Der zuständige Kirchenrat Dan Peters fürchtete „Irritationen und Verletzungen“ in der Gemeinde des Pfarrers und will ihm sogar einen würdigen Abschiedsgottesdienst verweigern.

Was ist so provokant an Theurers Einstellung, sodass sogleich seine massive Ausgrenzung seitens der württembergischen Kirchenleitung beginnt, die es ansonsten mit ihren eigenen reformatorischen Grundlagen nicht mehr so genau nimmt? Die württembergische Kirche lässt inzwischen homosexuelle Paare in ihren Pfarrhäusern wohnen und ordiniert Frauen, obwohl dies alles klar dem biblischen Zeugnis widerspricht. In den Gemeinden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat derjenige in der Regel nichts zu befürchten, der sich für die bewusst verfälschende Bibelübersetzung „Die Bibel in gerechter Sprache“ einsetzt. Man kann mit dieser Haltung sogar in die Leitungsposition aufsteigen, wie der Fall der ehemaligen EKD-Vorsitzenden und Ex-Landesbischöfin Margot Käßmann zeigt. Pfarrer Theurer dagegen wollte dem alten reformatorischen Motto „Allein die Schrift“ wieder zur Geltung verhelfen. Das Neue Testament sei aus einem Traditionsprozess in den ersten Jahrhunderten hervorgegangen und erst im Jahr 367 in der heutigen Form kanonisiert worden, argumentierte er. Seitdem sei die Bibel aber die unveränderbare Autorität für das Leben von Christen.

Mit seiner Einschätzung, dass die alten Streitthemen im 21. Jahrhundert nicht mehr stichhaltig sind, steht Andreas Theurer nicht alleine da. In Deutschland, England, Amerika und Australien mehren sich die Fälle, wo evangelische oder anglikanische Amtsträger, darunter auch amtierende Bischöfe, zur katholischen Kirche „zurückkehren“. In Bayern sollen in den vergangenen 30 Jahren 30 evangelische Pfarrer katholisch geworden sein. Dieser Prozess begann vor Jahrzehnten. Inzwischen sind es viele hundert Amtsträger und Hunderttausende von Christen, die diesen Weg eingeschlagen haben. Jahrelang galt die sogenannte Rückkehr-Ökumene als ein nicht mehr akzeptables Modell; doch die Zeiten haben sich geändert, seit die weitgehende Erfolglosigkeit der Ökumenischen Bewegung der letzten 100 Jahre vielen zu Bewusstsein gekommen ist. Auf eine Wiedervereinigung der lateinisch geprägten Christenheit am Sankt-Nimmerleins-Tag wollen diese Menschen nicht mehr warten.

Der Übertritt des Ehepaars Theurer in die katholische Kirche ist daher nicht Ausdruck „einer persönlichen Gewissensentscheidung“, wie dies die württembergische Kirchenleitung in einer Pressemeldung glaubhaft machen wollte. Pfarrer Theurer sagt, er sei in einem langen Prozess des Nachdenkens und theologischen Forschens zu dieser Entscheidung gekommen. Er gehe nicht „aus Frust“ aus der evangelischen Landeskirche weg, sondern aus „innerer Überzeugung“ in die katholische Kirche und dies im Blick auf die notwendige Einheit der Kirche. Der Geistliche, der mit seinem Übertritt nicht nur seine Gemeinde, Arbeit, die bisherige Wohnung im Pfarrhaus und seinen Pensionsanspruch verliert, geht ein beträchtliches existentielles Risiko ein. Der katholische Bischof von Augsburg, Konrad Zdarsa, hat in der Zwischenzeit dem Pastor ein Übernahmeangebot gemacht, sodass die Pastorenfamilie nun zumindest nicht mittellos dasteht. Ab dem 1. November wird Theurer im neuen Zentrum für Neuevangelisation der Diözese eine Stelle antreten und sich nebenbei Studien in katholischer Theologie widmen. Sehr gerne würde er auch katholischer Priester werden, wie Theurer in einem Interview mitteilte. Dieser Weg ist mit einer Sondergenehmigung des Papstes auch für verheiratete Männer möglich.

Hinrich E. Bues

Andreas Theurer: „Warum werden wir nicht katholisch? Denkanstöße eines evangelisch-lutherischen Pfarrers“. Dominus-Verlag, Augsburg 2012, 96 Seiten, 5,90 Euro.


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