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01.09.12 / Fremd in den einst eigenen vier Wänden / Dokumentation über zwei Schwestern, die in ihrem niederschlesischen Heimatort ihr Geburtshaus besuchen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-12 vom 01. September 2012

Fremd in den einst eigenen vier Wänden
Dokumentation über zwei Schwestern, die in ihrem niederschlesischen Heimatort ihr Geburtshaus besuchen

Seit Monaten reist Karin Kaper mit ihrer 80-jährigen Mutter Ilse quer durch Deutschland. Doch sie besichtigen nicht die Schönheiten der deutschen Städte, sondern kehren in dunkle Kinosäle ein. Dort treffen sie auf Menschen, die überwiegend schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Kino waren, die aber nun gekommen sind, um Mutter und Tochter einleitende Worte sprechen zu hören, bevor das Licht ausgeht, der Vorhang sich öffnet und auf der Leinwand der Film „Aber das Leben geht weiter“ beginnt.

Die aus Mitteln der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderte Dokumentation trifft laut Aussage der Filmemacherin Karin Kaper gegenüber der PAZ Monat für Monat auf mehr statt wie sonst üblich auf weniger Interesse. Und das obwohl die 52-Jährige eigentlich eine sehr persönliche Familiengeschichte erzählt, die jedoch, weil so viele auf ein ähnliches Schick­sal in der Familie verweisen können, auf vergleichsweise große Resonanz trifft.

In der filmtechnisch sehr einfach gemachten Dokumentation von Karin Kaper und Dirk Szuszies begleitet der Zuschauer Kaper, wie sie mit ihrer Mutter und ihrer Tante Hertha in deren Geburtsort Niederlinde reist. Das Dörfchen, in dem die beiden Schwestern in den 20er Jahren das Licht der Welt erblick­ten, liegt etwa 25 Kilometer ostwärts von Görlitz und wird von den Polen als Platerówka bezeichnet.

Die drei Frauen fahren nicht zum ersten Mal in die niederschlesische Gegend. Bereits in den 70er Jahren war die Filmemacherin mit ihrer Mutter dort und besuchte die Menschen, die damals im Geburtshaus der Mutter lebten. Damals filmten sie auch mit einer H8-Kamera, deren Aufnahmen in die Dokumentation eingefügt sind. Inzwischen lebt in dem Geburtshaus der Schwestern nur noch die verwitwete Edwarda Zukowska. Doch ihre Tochter Maria wohnt nicht weit entfernt und auch Enkelin Gabriela kommt mit ihren beiden Töchtern regelmäßig aus Breslau zu Besuch.

Da Gabriela Deutsch spricht, wenn auch etwas gebrochen, übersetzt sie oft direkt für die Filmzuschauer. Aber auch Edwarda kann einigermaßen Deutsch, sodass sie manchmal direkt erzählen kann, was sie erlebt hat. Ihr Bericht über ihre Deportation durch die Russen aus den östlich der Curzon-Linie gelegenen polnischen Zwischenkriegsgebieten nach Sibirien und ihr Weg dann weiter nach Niederlinde erfolgt jedoch auf Polnisch mit deutscher Untertitelung.

Bedächtig folgt die Kamera den beiden Frauen aus Deutschland, wie sie in Begleitung von Edwarda durch den Garten ihres elterlichen Hofes gehen und sich darüber unterhalten, wie damals Edwardas Vater in ihr Haus zog und als neuer Hofbesitzer darauf achtete, dass die alten Besitzer brav ihre Arbeit machten. Da sie nicht wussten, was die Siegermächte beschlossen hatten, verbrachte die deutsche Familie ein Jahr wartend als Arbeiter auf ihrem eigenen Hof und hoffte, alles würde für sie gut werden. Doch im Juni 1946 kam der Befehl, sich nur mit Handgepäck auf dem Sportplatz zu versammeln.

Während die Schwestern erzählen, wie ihre Welt damals zusammenbrach und ihre Mutter das nicht akzeptieren wollte und zum Heuwenden Richtung Feld marschierte, stehen die beiden Frauen im Freien. Um sie herum die friedliche Natur, die sie auch damals umgab, als sie fürchteten, gen Osten nach Sibirien abtransportiert zu werden. Edwardas Vater half noch, eine dicke Bettdecke, die ja offiziell nun ihm gehörte, einzupacken. Doch dann die Erleichterung, als die Züge nach Westen fuhren. An die Fahrt selber kann sich Hertha nicht mehr erinnern und auch Ilses Erinnerungen sind bruchstück­haft.

Oft sitzen die Frauen an gedeck­ten Kaffeetischen und erzählen. Die Filmemacherin selbst kommentiert nicht, dafür lässt sie Edwardas Enkelin einordnende Einschätzungen geben. So betont Gabriela, dass ihre Familie die deutschen Besucher nie als Gefahr gesehen habe oder Sorge hatte, diese wollten ihren Besitz zurück. Gleichzeitig kannten sie ja das Familienschick­sal, wenn jemand zwangsweise sein Geburtshaus verlassen muss. Allerdings sei es den Polen, die von jenseits der Curzon-Linie und damit der heutigen polnischen Staatsgrenze stammen, nicht so leicht möglich wie den Deutschen, die Herkunftsorte der Vorfahren zu besuchen, zumal sie befürchten, von den Russen nicht so herzlich aufgenommen zu werden. Bel

Ab dem 20. November gibt es den Film auf DVD. Er ist zu bestellen bei Karin Kaper, karinkaper@web.de, Telefon (030) 61507722. Wer den Film im Kino sehen möchte, kann dies an folgenden Terminen tun: 10. September, Uelzen, Central-Theater, 15 Uhr und 20.15 Uhr; 11. September, Salzgitter, Kultiplex, 18 Uhr; 12. September, Salzwedel, Filmpalast, 15 Uhr und 20.15 Uhr; 13. September, Walsrode, Capitol-Theater, 19 Uhr; 14. September, Munster, Deutsches Haus, 18 Uhr; 16. September, Lohne, Freilichtbühne, 19.30 Uhr; in der zweiten September-Hälfte weitere Vorstellungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, im Oktober weitere Termine in Süddeutschland.


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